Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.11.2010Vorgärten der Physik
Projekt Manhattan, Oppenheimer, Uranverein - beim Thema "Atombombe" fallen den meisten Lesern gleich viele Stichwörter ein. Damit muss jeder Autor rechnen, der über die Geschichte der Atombombe schreibt. Und entsprechend wird er es nicht jedem recht machen können. Hubert Mania hat versucht, mit seinem Buch "Kettenreaktion" alles zu vermeiden, womit er anecken könnte. Seine Geschichte dieser Massenvernichtungswaffe endet beim ersten Test einer Atombombe in Neumexiko, wodurch er sich längere Diskussionen über Hiroshima und Nagasaki erspart. Dafür beginnt sie schon im 18. Jahrhundert - bei dem Apotheker und Chemiker Martin Heinrich Klaproth, der in der Pechblende das Uran aufspürt. Der Leser wird über die Zwischenstationen der Entdeckung der Röntgenstrahlung und des radioaktiven Zerfalls und über die Erforschung des Aufbaus von Atomen allmählich zum Zweiten Weltkrieg geführt, in dem die Bombe Realität wurde. Der Autor bedient sich dabei einer Darstellung, die gelegentlich eine Tendenz zum Romanhaften aufweist, wenn er beispielsweise anführt, dass Heisenbergs "erster banger Blick" beim Weg vom Göttinger Bahnhof zum Physikalischen Institut der Stadt "der blühenden und duftenden Frühsommerpracht in den Vorgärten" gilt. Wer unterhaltsame Lehrstunden liebt, mag damit gut bedient sein - auch wenn die "Szenen" gelegentlich reichlich abrupt wechseln. Exkursionen in die Tiefen der Wissenschaft darf man nicht erwarten. (Hubert Mania: "Kettenreaktion. Die Geschichte der Atombombe". Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2010. 352 S., geb., 22,99 [Euro].) G.P.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Projekt Manhattan, Oppenheimer, Uranverein - beim Thema "Atombombe" fallen den meisten Lesern gleich viele Stichwörter ein. Damit muss jeder Autor rechnen, der über die Geschichte der Atombombe schreibt. Und entsprechend wird er es nicht jedem recht machen können. Hubert Mania hat versucht, mit seinem Buch "Kettenreaktion" alles zu vermeiden, womit er anecken könnte. Seine Geschichte dieser Massenvernichtungswaffe endet beim ersten Test einer Atombombe in Neumexiko, wodurch er sich längere Diskussionen über Hiroshima und Nagasaki erspart. Dafür beginnt sie schon im 18. Jahrhundert - bei dem Apotheker und Chemiker Martin Heinrich Klaproth, der in der Pechblende das Uran aufspürt. Der Leser wird über die Zwischenstationen der Entdeckung der Röntgenstrahlung und des radioaktiven Zerfalls und über die Erforschung des Aufbaus von Atomen allmählich zum Zweiten Weltkrieg geführt, in dem die Bombe Realität wurde. Der Autor bedient sich dabei einer Darstellung, die gelegentlich eine Tendenz zum Romanhaften aufweist, wenn er beispielsweise anführt, dass Heisenbergs "erster banger Blick" beim Weg vom Göttinger Bahnhof zum Physikalischen Institut der Stadt "der blühenden und duftenden Frühsommerpracht in den Vorgärten" gilt. Wer unterhaltsame Lehrstunden liebt, mag damit gut bedient sein - auch wenn die "Szenen" gelegentlich reichlich abrupt wechseln. Exkursionen in die Tiefen der Wissenschaft darf man nicht erwarten. (Hubert Mania: "Kettenreaktion. Die Geschichte der Atombombe". Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2010. 352 S., geb., 22,99 [Euro].) G.P.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Ludger Lütkehaus stellt zu Beginn seiner Besprechung klar, dass er Hubert Manias "Geschichte der Atombombe" vor den Ereignissen von Fukushima gelesen hat, die Kritik selbst hat er in der Folge der drohenden Katastrophe nur leicht verändert. Mania, erklärt Lütkehaus, beschreibt die Geschichte der Radioaktivität, die von zahlreichen Wissenschaftlern in tollkühnen, auch selbstmörderischen Versuchen erforscht wurde. Von Marie und Pierre Curie erzählt er etwa, dass ihre Notizhefte noch heute so verstrahlt sind, dass sie in Bleikästen aufbewahrt werden müssen. Die Fehlgeburt, die Marie Curie erlitt, und ihr früher Tod dürften ebenfalls auf das Konto ihrer Radiumbestrahlung gehen. Außerdem lernt Lütkehaus, dass die Angst der Alliierten vor einer Atombombe der Nazis nicht so unbegründet waren, wie die deutschen Wissenschaftler Carl Friedrich von Weizsäcker und Werner Heisenberg immer beteuerten. Der Rezensent räumt ein, dass Mania die Atomgeschichte nicht neu schreibt, was den Rezensenten aber beeindruckt hat, ist, wie er Wissenschaftsgeschichte als Konkurrenzgeschichte beschreibt. Auch dass spürbar wird, wie sehr die Wissenschaftler von diesem "goldenen Zeitalter der Physik" fasziniert waren.
© Perlentaucher Medien GmbH
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