»Ich muss, obwohl ich nicht will – und doch will. Sperrt mich ein, sonst passiert etwas!«
Sie sind ein (zum Glück) seltenes Phänomen der Kriminalgeschichte: Frauen, die nicht nur einmal töten, sondern wiederholt. Ohne großes Nachdenken fallen mir eine ganze Reihe von männlichen Serienmördern ein
und ebenfalls die passenden Hintergründe und Motive. Kein Wunder, der Anteil der männlichen Täter…mehr»Ich muss, obwohl ich nicht will – und doch will. Sperrt mich ein, sonst passiert etwas!«
Sie sind ein (zum Glück) seltenes Phänomen der Kriminalgeschichte: Frauen, die nicht nur einmal töten, sondern wiederholt. Ohne großes Nachdenken fallen mir eine ganze Reihe von männlichen Serienmördern ein und ebenfalls die passenden Hintergründe und Motive. Kein Wunder, der Anteil der männlichen Täter liegt um ein Vielfaches höher als der der weiblichen. Aber es gibt sie, die mordenden Mehrfachtäterinnen. Stephan Harbort, Kriminalhauptkommissar und führender Experte für Serienmorde, hat sich ihrer hier angenommen…
Zum Thema Serienmörderinnen wurde bislang nur wenig Forschung betrieben, der Autor hat für seine Untersuchung alle Tötungen weiblicher Serientäter seit Ende des 2. Weltkrieges betrachtet. (Im Anhang gibt es dazu übrigens ein umfangreiches Tabellenwerk.) Wo es möglich war, hat er mit den Täterinnen persönlich gesprochen, Ausschnitte der Interviews finden sich im Text.
In diesem Buch stellt er sieben Fälle vor, die sich alle in der jüngeren Vergangenheit im deutschsprachigen Raum ereignet haben. Diese Fälle verbindet, dass der Täter eine Täterin ist, davon abgesehen sind sie aber sehr verschieden. Natürlich gibt es die „Klassiker“, wie die Tötung von Neugeborenen oder Patienten und auch die „Schwarze Witwe“ fehlt nicht. Darüber hinaus stellt Stephan Harbort aber auch Fälle vor, die mich in ihrer Art der Tatausübung überrascht haben.
Im Anschluss an jeden vorgestellten Fall folgt dessen Analyse. Welche Motive führten zu der Tat bzw. den Taten? Was für ein psychologisches Profil hat die Täterin? Welche Faktoren haben zu ihrer Entwicklung und zu den Tötungen beigetragen, finden sich Erklärungen? Und wäre es im Vorfeld möglich gewesen, die Taten zu verhindern?
Der Autor versucht sich jedem Fall objektiv zu nähern. Er steht nicht auf der Seite der Täterinnen, ist aber weit davon entfernt, sie einfach als Bestien zu bezeichnen. Die Fragen, die er bei seiner Betrachtung aufwirft, sind manchmal ganz schön unangenehm, denn zweifelsohne ist es leichter, einen Menschen einfach zu verteufeln, als die Frage nach einer Mitschuld des Umfelds und/oder der Gesellschaft zu stellen. Und viel lieber stellt man die Behauptung auf, dass man selber niemals zu einer solchen Tat fähig wäre, als dass man sich fragen lässt, ob nicht vielleicht, unter anderen Voraussetzungen, in einem anderen Umfeld auch in einem selber das Potential für einen Mord stecken könnte.
Zu den weiteren Ausführungen gehören noch allgemeine Fragen, wie die nach der Definition des Serienmords und der Versuch, männliche und weibliche Täter im Hinblick auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu vergleichen.
Ich habe das Buch mit großem Interesse gelesen, war manches Mal schockiert, wurde häufig nachdenklich. Keine einfache Lektüre, soviel ist klar. Zumal man das Buch nicht in dem Gefühl zuklappen kann, „nur eine Geschichte“ gelesen zu haben. Für mein Empfinden hätten die einzelnen Fälle und Analysen gerne noch umfangreicher behandelt werden können, die Komplexität würde das sicher hergeben.
Fazit: Gelungener Versuch einer objektiven Auseinandersetzung mit einem schockierenden Thema.
»Nicht übersehen werden darf indes, dass Serienmörderinnen in den allermeisten Fällen (weit) vor und nach den Tötungen durch ungewöhnliches Verhalten auffielen. Nur wollte oder konnte kaum jemand auf diese verklausulierten Hilferufe rechtzeitig reagieren und genauer hinsehen oder hinhören, selbst die engsten Bezugspersonen nicht. Insofern müssen die Verbrechen von Serienmörderinnen nicht nur als individuelles Fehlverhalten verstanden, sondern stellvertretend auch als Menetekel für die weiter fortschreitende Entfremdung innerhalb der Keimzelle unserer Gesellschaft gesehen werden: der Familie.«