Produktdetails
- Diana-Taschenbücher
- Verlag: Diana
- Seitenzahl: 334
- Abmessung: 190mm
- Gewicht: 279g
- ISBN-13: 9783453189584
- ISBN-10: 3453189582
- Artikelnr.: 24341114
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.01.2000Lauter Ärger um Sankt Oinsias
Nichts für Irlandmuffel: Roger Boylans Farce "Killoyle"
Wer den Rang und den Promillegehalt dieses Werkes ermessen will, muss wissen, dass Harry "Pooh" Rowohlt eigens seinen Jahresarbeitsplan gekippt hat, um die deutsche Version von "Killoyle" mit dem Jubiläumsetikett "Meine hundertste Buchübersetzung" adeln zu können. Auf eine Affinität zwischen dem sprachmächtigen Gesinnungs-Iren aus Hamburg und dem Amerikan Roger Boylan, der debütierend zu seinen irischen Wurzeln zurückgekehrt ist, lassen schon die Fotos im Verlagsprospekt schließen: Beide Herren sind gleich haarig und bebrillt und schauen so bierernst aus ihrem Bartgestrüpp, als könnten sie kein Guinness trüben. Rowohlts Nachdichtung dessen, was der Untertitel als "irische Farce" ankündigt, offenbart eine tiefere Wahlverwandtschaft: Hier haben sich zwei gefunden in der Überzeugung, dass erstens, wie der Übersetzer erläutert, bei guten Büchern die Handlung "sowieso ziemlich Wurscht" sei und dass zweitens ein Buch, in dem "Sex, Gott, Alkohol und Irland" vorkämen, auf weitere handlungsstiftende Zutaten getrost verzichten könne.
Dem mag man beipflichten oder auch nicht; jedenfalls bleibt das erste der vier Themen etwas unterbelichtet, vielleicht deshalb, weil Trinkgewohnheiten sich langfristig dämpfend auf das Sexualleben auswirken. Gott und der Alkohol indes sind hinreichend vertreten, und die Kleinstadt Killoyle, "die man sich, wenn man will, als etwas zwischen Wexford und Waterford vorstellen kann" (Rowohlt), ist sozusagen Irland in einer Nussschale. Grelle Gewitterblitze beleuchten eingangs die Farcen-Kulisse Spudorgan Hall, ein maßvoll vornehmes Country-Hotel, das "wie Schloss Dracula oder die Villa Bates" über einem Steilhang thront und der feinen Gesellschaft von Killoyle als Treffpunkt dient. Hier versieht Milo Rogers, Junggeselle, Gelegenheitsdichter und "aficionado der gestaltenden Künste", die Stelle des Oberkellners, während sein Saufkumpan Peter X. Murphy den Chef-Barmann gibt. Hier treibt ferner der Lebensmittel-Einkaufsleiter Wolfetone Grey sein Unwesen, der sich im Auftrag des russischen Religionsgründers Leonid Glossowitsch dazu berufen fühlt, mit anonymen Telefonaten, Verheißungen oder Drohungen all jene zu missionieren, die ein "G" am Namensanfang tragen.
Vergleichsweise harmlos wirkt Emmet Power, Geschäftsführer des Etablissements, Bewunderer wohlgeformter Fußknöchel und "Absolvent keiner Hochschule außer der des Lebens". Pater Philip Doyle hingegen, Seelenhirte der Gemeinde Killoyle Nord, hat zeitweilig an der Gregorianischen Universität in Rom studiert und trägt seitdem Italiensehnsucht mit sich herum. Wer könnte es ihm verdenken in einem Land, in dem der Regen so natürlich vom Himmel tröpfelt "wie der morgendliche Stuhl"? Diese Beobachtung stammt von dem Fußnotenverfasser, der auf fast jeder Buchseite Spuren seiner Logorrhöe in Gestalt oft übellauniger Anmerkungen hinterlassen hat und irgendwo verrät, dass er seit 1934 regelmäßig zur Beichte geht, mithin der Vater des Autors sein könnte. Aber zurück zu Pater Doyle: Vom Leben abgeschnitten, "wie eine unbenutzte Lokomotive auf einem überwachsenen Abstellgleis", fühlt sich der grüblerische Gottesmann, und da Pavarotti-Hören allein seinen Weltschmerz nicht betäubt, muss er mit Spirituosen nachhelfen, was ihn einerseits zu originellen Predigern inspiriert, andererseits zu Missgriffen verleitet, denn nicht immer ist Whiskey drin, wo Whiskey draufsteht.
Auch einen Schurken gibt es im Städtchen, den Immobilienhai und Gaststättenbesitzer Thomas Maher, genannt "der Grieche". Er verübt Gülle-Attacken auf unliebsame Mieter, lässt in seiner Kneipe "Mad Molloy's" achtzigprozentigen Methylalkohol ausschenken und unterhält gute Beziehungen zur Gesellschaft Jesu, jenem geschäftstüchtigen Teil des Klerus, dessen zwillingstürmige Kirche in Killoyle den Heiligen "Peter & Laurence O'Toole" geweiht ist. Die Machenschaften, mit denen Maher versucht, den integren Doyle am Konkurrenzkirchlein Sankt Oinsias einzuschüchtern und sich Spudorgan Hall unter den Nagel zu reißen, fallen in die vernachlässigenswerte Kategorie, die man "Handlung" nennt. Und sonst? Der Sektierer Grey dreht durch, Pater Doyle erhält ein Kündigungsschreiben vom Papst, Direktor Power wandert nach Italien aus, und Kellner Milo wird nicht nur zum Einkaufsleiter befördert, sondern auch von seiner Angebeteten erhört, der Frauenmagazin-Kolumnistin Kathy Hickman, die früher als "Hochglanz-Klappi" für Herrenblätter posierte. Was die beiden miteinander treiben, wird nicht erzählt, aber vermutlich tun sie es auf jene Weise, die der Fußnotenmann als die "irische" beschreibt, "halb nackt, nach schnellem Fummeln, mit dem leisen Pochedipoch des Regens auf dem Dach und dem leichten Aroma von Speck in der Luft".
Jeder, der zu Irland ein libidinöses Verhältnis hat, wird Roger Boylans Typen-Panoptikum goutieren, wird sich beglückt durch das Dickicht literarischer, historischer und mentalitätskundlicher Verweise kämpfen, wird Zoten und Anekdoten, deftige Ausfälle und feinsinnige Anspielungen zu schätzen wissen. "Publisher's Weekly" entdeckte im Debüt des Auswanderers den Geist von Joyce, Beckett und Flann O'Brien, und naturgemäß ist es vor allem der letztere, von Harry Rowohlt hochverehrte, der durch die deutsche Fassung geistert. Irlandmuffel, andererseits, brauchen Geduld und Ausdauer, um Boylans geballte Liebes- und Hasserklärung an die grüne Heimat gebührend zu würdigen. Vielleicht hilft ihnen der Hinweis des Anmerkers, Bücher würden extra deshalb "tragbar hergestellt, damit man sie im Bus oder am Imbisstresen oder in der Badewanne lesen kann".
KRISTINA MAIDT-ZINKE
Roger Boylan: "Killoyle". Eine irische Farce. Aus dem Englischen übersetzt von Harry Rowohlt. Verlag Rogner & Bernhard, Hamburg 1999. 318 S., geb., 27,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nichts für Irlandmuffel: Roger Boylans Farce "Killoyle"
Wer den Rang und den Promillegehalt dieses Werkes ermessen will, muss wissen, dass Harry "Pooh" Rowohlt eigens seinen Jahresarbeitsplan gekippt hat, um die deutsche Version von "Killoyle" mit dem Jubiläumsetikett "Meine hundertste Buchübersetzung" adeln zu können. Auf eine Affinität zwischen dem sprachmächtigen Gesinnungs-Iren aus Hamburg und dem Amerikan Roger Boylan, der debütierend zu seinen irischen Wurzeln zurückgekehrt ist, lassen schon die Fotos im Verlagsprospekt schließen: Beide Herren sind gleich haarig und bebrillt und schauen so bierernst aus ihrem Bartgestrüpp, als könnten sie kein Guinness trüben. Rowohlts Nachdichtung dessen, was der Untertitel als "irische Farce" ankündigt, offenbart eine tiefere Wahlverwandtschaft: Hier haben sich zwei gefunden in der Überzeugung, dass erstens, wie der Übersetzer erläutert, bei guten Büchern die Handlung "sowieso ziemlich Wurscht" sei und dass zweitens ein Buch, in dem "Sex, Gott, Alkohol und Irland" vorkämen, auf weitere handlungsstiftende Zutaten getrost verzichten könne.
Dem mag man beipflichten oder auch nicht; jedenfalls bleibt das erste der vier Themen etwas unterbelichtet, vielleicht deshalb, weil Trinkgewohnheiten sich langfristig dämpfend auf das Sexualleben auswirken. Gott und der Alkohol indes sind hinreichend vertreten, und die Kleinstadt Killoyle, "die man sich, wenn man will, als etwas zwischen Wexford und Waterford vorstellen kann" (Rowohlt), ist sozusagen Irland in einer Nussschale. Grelle Gewitterblitze beleuchten eingangs die Farcen-Kulisse Spudorgan Hall, ein maßvoll vornehmes Country-Hotel, das "wie Schloss Dracula oder die Villa Bates" über einem Steilhang thront und der feinen Gesellschaft von Killoyle als Treffpunkt dient. Hier versieht Milo Rogers, Junggeselle, Gelegenheitsdichter und "aficionado der gestaltenden Künste", die Stelle des Oberkellners, während sein Saufkumpan Peter X. Murphy den Chef-Barmann gibt. Hier treibt ferner der Lebensmittel-Einkaufsleiter Wolfetone Grey sein Unwesen, der sich im Auftrag des russischen Religionsgründers Leonid Glossowitsch dazu berufen fühlt, mit anonymen Telefonaten, Verheißungen oder Drohungen all jene zu missionieren, die ein "G" am Namensanfang tragen.
Vergleichsweise harmlos wirkt Emmet Power, Geschäftsführer des Etablissements, Bewunderer wohlgeformter Fußknöchel und "Absolvent keiner Hochschule außer der des Lebens". Pater Philip Doyle hingegen, Seelenhirte der Gemeinde Killoyle Nord, hat zeitweilig an der Gregorianischen Universität in Rom studiert und trägt seitdem Italiensehnsucht mit sich herum. Wer könnte es ihm verdenken in einem Land, in dem der Regen so natürlich vom Himmel tröpfelt "wie der morgendliche Stuhl"? Diese Beobachtung stammt von dem Fußnotenverfasser, der auf fast jeder Buchseite Spuren seiner Logorrhöe in Gestalt oft übellauniger Anmerkungen hinterlassen hat und irgendwo verrät, dass er seit 1934 regelmäßig zur Beichte geht, mithin der Vater des Autors sein könnte. Aber zurück zu Pater Doyle: Vom Leben abgeschnitten, "wie eine unbenutzte Lokomotive auf einem überwachsenen Abstellgleis", fühlt sich der grüblerische Gottesmann, und da Pavarotti-Hören allein seinen Weltschmerz nicht betäubt, muss er mit Spirituosen nachhelfen, was ihn einerseits zu originellen Predigern inspiriert, andererseits zu Missgriffen verleitet, denn nicht immer ist Whiskey drin, wo Whiskey draufsteht.
Auch einen Schurken gibt es im Städtchen, den Immobilienhai und Gaststättenbesitzer Thomas Maher, genannt "der Grieche". Er verübt Gülle-Attacken auf unliebsame Mieter, lässt in seiner Kneipe "Mad Molloy's" achtzigprozentigen Methylalkohol ausschenken und unterhält gute Beziehungen zur Gesellschaft Jesu, jenem geschäftstüchtigen Teil des Klerus, dessen zwillingstürmige Kirche in Killoyle den Heiligen "Peter & Laurence O'Toole" geweiht ist. Die Machenschaften, mit denen Maher versucht, den integren Doyle am Konkurrenzkirchlein Sankt Oinsias einzuschüchtern und sich Spudorgan Hall unter den Nagel zu reißen, fallen in die vernachlässigenswerte Kategorie, die man "Handlung" nennt. Und sonst? Der Sektierer Grey dreht durch, Pater Doyle erhält ein Kündigungsschreiben vom Papst, Direktor Power wandert nach Italien aus, und Kellner Milo wird nicht nur zum Einkaufsleiter befördert, sondern auch von seiner Angebeteten erhört, der Frauenmagazin-Kolumnistin Kathy Hickman, die früher als "Hochglanz-Klappi" für Herrenblätter posierte. Was die beiden miteinander treiben, wird nicht erzählt, aber vermutlich tun sie es auf jene Weise, die der Fußnotenmann als die "irische" beschreibt, "halb nackt, nach schnellem Fummeln, mit dem leisen Pochedipoch des Regens auf dem Dach und dem leichten Aroma von Speck in der Luft".
Jeder, der zu Irland ein libidinöses Verhältnis hat, wird Roger Boylans Typen-Panoptikum goutieren, wird sich beglückt durch das Dickicht literarischer, historischer und mentalitätskundlicher Verweise kämpfen, wird Zoten und Anekdoten, deftige Ausfälle und feinsinnige Anspielungen zu schätzen wissen. "Publisher's Weekly" entdeckte im Debüt des Auswanderers den Geist von Joyce, Beckett und Flann O'Brien, und naturgemäß ist es vor allem der letztere, von Harry Rowohlt hochverehrte, der durch die deutsche Fassung geistert. Irlandmuffel, andererseits, brauchen Geduld und Ausdauer, um Boylans geballte Liebes- und Hasserklärung an die grüne Heimat gebührend zu würdigen. Vielleicht hilft ihnen der Hinweis des Anmerkers, Bücher würden extra deshalb "tragbar hergestellt, damit man sie im Bus oder am Imbisstresen oder in der Badewanne lesen kann".
KRISTINA MAIDT-ZINKE
Roger Boylan: "Killoyle". Eine irische Farce. Aus dem Englischen übersetzt von Harry Rowohlt. Verlag Rogner & Bernhard, Hamburg 1999. 318 S., geb., 27,- DM.
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