Als die Autos noch langsamer fuhren und 80 km/h als eine hohe Geschwindigkeit angesehen wurde, da strampelte ich als Radfahrer über die Chausseen. Zur rechten Seite gaben Steine die gefahrenen Kilometer an. Zu Ostern 1935 kauften die Eltern mir ein Fahrrad. Seit zwei Jahren fahre ich nun jedes Wochenende von der Stadt mit dem Gymnasium in den kleineren Heimatort und wieder zurück. Kilometersteine? Ich kannte meine Strecke, zweimal dreiunddreißig Kilometer. Heute rasen wir an Plastikpfählen vorbei, sehen vielleicht mal auf den Tacho; das war's dann. Dabei finden wir Kilometersteine auch auf unserem Lebensweg, die uns an wahre Erlebnisse erinnern. Wir finden Begegnungen mit Feinden des Krieges wie mit Verfolgten von gestern. Und gerade diese Menschen sollten in unserem Denken einen vorderen Platz einnehmen. Sie helfen uns, das Gestern nicht nur vergehen zu lassen, sondern bewusst zu verarbeiten, um jede Art der Wiederholung auszuschließen. Das Nichtsgewusst erbringt neue Erreger. Was könnte den Kindern widerfahren, wenn wir's nicht wahrhaben wollen? Hätten wir es doch nicht so eilig. Der errungene Wohlstand entbehrt einer rechten Würdigung, durch eine im Leid unerfahren gebliebene, sich der Geschichtslosigkeit zuwendenden Generation.
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