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Als die Autos noch langsamer fuhren und 80 km/h als eine hohe Geschwindigkeit angesehen wurde, da strampelte ich als Radfahrer über die Chausseen. Zur rechten Seite gaben Steine die gefahrenen Kilometer an. Zu Ostern 1935 kauften die Eltern mir ein Fahrrad. Seit zwei Jahren fahre ich nun jedes Wochenende von der Stadt mit dem Gymnasium in den kleineren Heimatort und wieder zurück. Kilometersteine? Ich kannte meine Strecke, zweimal dreiunddreißig Kilometer. Heute rasen wir an Plastikpfählen vorbei, sehen vielleicht mal auf den Tacho; das war's dann. Dabei finden wir Kilometersteine auch auf…mehr

Produktbeschreibung
Als die Autos noch langsamer fuhren und 80 km/h als eine hohe Geschwindigkeit angesehen wurde, da strampelte ich als Radfahrer über die Chausseen. Zur rechten Seite gaben Steine die gefahrenen Kilometer an. Zu Ostern 1935 kauften die Eltern mir ein Fahrrad. Seit zwei Jahren fahre ich nun jedes Wochenende von der Stadt mit dem Gymnasium in den kleineren Heimatort und wieder zurück. Kilometersteine? Ich kannte meine Strecke, zweimal dreiunddreißig Kilometer. Heute rasen wir an Plastikpfählen vorbei, sehen vielleicht mal auf den Tacho; das war's dann. Dabei finden wir Kilometersteine auch auf unserem Lebensweg, die uns an wahre Erlebnisse erinnern. Wir finden Begegnungen mit Feinden des Krieges wie mit Verfolgten von gestern. Und gerade diese Menschen sollten in unserem Denken einen vorderen Platz einnehmen. Sie helfen uns, das Gestern nicht nur vergehen zu lassen, sondern bewusst zu verarbeiten, um jede Art der Wiederholung auszuschließen. Das Nichtsgewusst erbringt neue Erreger. Was könnte den Kindern widerfahren, wenn wir's nicht wahrhaben wollen? Hätten wir es doch nicht so eilig. Der errungene Wohlstand entbehrt einer rechten Würdigung, durch eine im Leid unerfahren gebliebene, sich der Geschichtslosigkeit zuwendenden Generation.
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Autorenporträt
Karl-Heinz Lipok wurde 1921 in Rheinsberg/Mark geboren. Er war elf Jahre alt, als Hitler die Macht ergriff. Eine dubiose Berufsberatung steckte ihn 1938, als Sechzehnjährigen, in eine Uniform, die ihn bald erschauern ließ. Er beobachtete die Verbrechen des Anfangs. Nach elf Monaten zog er die Uniform wieder aus, was ihm nur durch den Tod des krebskranken Vaters gelang. Sechs Monate danach brach der Krieg aus. Im vierten Kriegsjahr wurde, durch Arglosigkeit, Dummheit sowie durch eine alte Akte, die Uniform der Wehrmacht gegen die der Waffen-SS ausgetauscht; für die letzten zwei Jahre des unbedingten Gehorsams, des Sterbens und der ungezählten Kilometersteine. Mit 65 Jahren begann er zu schreiben. Auch sein Roman »Es war nur ein Lied ¿ doch es wuchs zum Sturm« ist biogräsch. ISBN 3-922514-12-X. 2003 von der World Writers Ass. London mit dem Europapreis für Literatur, Thema Zeitgeschichte, ausgezeichnet.