Kinder sind (immer schon) auf dem Weg zur politischen Kultur. Beobachtungen aus dem Grundschulalltag deuten darauf hin, dass die jungen Heranwachsenden bereits politisch relevante Bewusstseinsmerkmale und Handlungskompetenzen entwickeln bzw. ausbilden. Dabei ist weitgehend ungeklärt, wie sich politisch- gesellschaftliche Lernprozesse von Kindern auf dem Hintergrund ihrer aktuellen Lebensbedingungen und im Zusammenwirken verschiedener sozialisationsrelevanter Instanzen und Kontexte vollziehen. Das Buch leistet einen theoretisch wie auch empirisch gehaltvollen Beitrag zum in Deutschland vernachlässigten Problemfeld der politischen Sozialisation von Kindern im Grundschulalter. In einem theoretischen Teil werden zunächst die relevanten Fachdisziplinen nach ihren strukturierten Zugängen zum Forschungsfeld befragt. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Unterscheidung zwischen Politik im engeren und im weiteren Sinne sowie analog zwischen politischer und politisch relevanter Sozialisation. Die Perspektiven der Politikdidaktik, der sozialwissenschaftlichen Kindheitsforschung, der politischen Kultur- sowie der allgemeinen und politischen Sozialisationsforschung münden in einen interdisziplinär- integrativen Ansatz zur empirischen Überprüfung der oben angeführten Hypothese im Sinne eines Forschungsprogramms. Auf dem Hintergrund feinstrukturierter Dimensionen und Variablen aus dem sozialisationstheoretischen Gesamtkomplex befasst sich der empirische Teil der Arbeit mit der Institutionalisierung einer demokratischen Streitkultur in der Grundschule. Im Rahmen seiner eigenen schulpraktischen Tätigkeit greift der Verfasser dabei sowohl unterrichts- als auch forschungsmethodisch auf die so genannte Klassenkonferenz zurück. Diese wird hier verstanden als eine Zusammenkunft der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrkraft einer Klasse, die gemeinsam in Form einer Konferenz über ihre klassenbezogenen Anliegen, Probleme und Vorhaben beraten und entscheiden. Die qualitative Studie entfaltet sich fallstudienartig in Form von zehn ausgewählten Klassenkonferenzen, die auf der Basis von auditiven Aufnahmen (in zwei Fällen auch von vollständigen Transkriptionen) jeweils rekonstruiert und interpretiert werden. Dabei wird vor allem deutlich, wie vielfältig und facettenreich politisch-soziale Lernprozesse sind, je mehr sich die Klassenkonferenz als demokratisches Verhandlungsverfahren etabliert. Ohne belehrt zu werden, erwerben die Grundschüler/innen soziale, politisch relevante Kompetenzen, die für eine zivilgesellschaftlich ausgerichtete, politische Demokratie von Bedeutung sind. Im Hinblick auf eine sozialisationstheoretisch fundiertere politische Bildung ermittelt die Arbeit umfangreiche Perspektiven zur Aufklärung über grundschulkindliche Schritte auf dem Weg zu einer demokratischen politischen Kultur. Das Buch richtet sich in erster Linie an den mit politischer Bildung in der Grundschule befassten Personenkreis, ist jedoch darüber hinaus auch für Didaktiker, Lehrer/innen und Lehramtsstudierende jeglicher Fachrichtung wie auch Schulstufen interessant, denen eine demokratische Lern- und Schulkultur am Herzen liegt.