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Man sollte immer zuerst den Kindern glauben und dann den Erwachsenen! Die symphatische römische Kommissarin ssieht sich hier mit Verbrechen konfrontiert, die sehr viel mehr von ihr verlangen als nur starke Nerven: die Föälle, die sie aufzuklären hat, entstammen der dunkelsten Seite des Menschen. Es sind Kindergeschichten, die zutiefst berühren.

Produktbeschreibung
Man sollte immer zuerst den Kindern glauben und dann den Erwachsenen!
Die symphatische römische Kommissarin ssieht sich hier mit Verbrechen konfrontiert, die sehr viel mehr von ihr verlangen als nur starke Nerven: die Föälle, die sie aufzuklären hat, entstammen der dunkelsten Seite des Menschen. Es sind Kindergeschichten, die zutiefst berühren.
Autorenporträt
Dacia Maraini, geb. 1936 in Florenz und bis 1946 in Japan aufgewachsen, lebte danach erst in Palermo, jetzt in Rom. Nach journalistischen Anfängen erschien 1962 ihr erster Roman, und bereits 1963 'Zeit des Unbehagens' als zweiter. Für ihn erhielt sie den 'Prix Formentor'. Bis heute zieht sich das Thema Emanzipation beinahe leitmotivisch durch ihr Werk.
2015 erhielt Dacia Maraini die Ehrendoktorwürde der John Cabot University.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.12.2000

Grauer Rock und gute Absicht
Grelle Masken: Dacia Marainis "Kinder der Dunkelheit"

Am Schluß die Moral. Einmal sentenzenartig zugespitzt, dann mit geschürzten Lippen als rührender pädagogischer Leitsatz vorgetragen: "Man sollte immer zuerst den Kindern glauben und dann erst den Erwachsenen"; oder: "Es ist keine Verständigung zwischen Peinigern und Opfern möglich, selbst nach fünfzig Jahren nicht." Damit sind Stärken und Schwächen der zwölf Geschichten um Mißhandlung, Ausbeutung und Vergewaltigung der erfolgreichen italienischen Autorin Dacia Maraini bereits angedeutet. In ihrer Heimat wurde die vierundsechzigjährige Schriftstellerin berühmt für ihr soziales Engagement, für die Erzählsammlung "Kinder der Dunkelheit" ("Buio"; 1999) erhielt sie den begehrten Literaturpreis ihres Landes, den Premio Strega.

Alle ihre Texte basieren auf wahren Begebenheiten, welche Maraini Zeitungen und Polizeiberichten entnommen hat. Legitimieren sie sich durch ihre Authentizität aber auch literarisch? Sie rücken das tragische Schicksal eines verwahrlosten Kindes, das seinem Vergewaltiger und Mörder zielsicher in die Arme läuft, ins Blickfeld. Sie reden von einer kleinen Schizophrenen, welche von zwei Pflegern im Spital systematisch mißbraucht wird, bis sie stirbt; sie führen das Drama des elfjährigen Tano und seiner Geschwister vor, die vom eigenen Vater jahrelang vergewaltigt werden; sie sprechen vom agilen Rechtsanwalt, der zwei halbwüchsige Mädchen im Wald dahinmordet, die Schuld aber seinem marokkanischen Schäfer in die Schuhe schieben will. Allesamt gräßliche Begebenheiten aus der Schattenwelt.

Leitmotivisch zusammengeklebt werden einige der Erzählungen durch die Figur der Kommissarin Adele Sofia, einer mütterlichen Person mit gutem Herzen, gesundem Menschenverstand und einer Leidenschaft für Lakritzschnecken. Kein Riß geht durch diese Unerschrockene, nichts Dunkles ist an ihr, nichts oszilliert, nichts schwankt, sie ist von einer geradezu peinvollen Klarheit; einzig das Schlecken schneckenförmiger Süßigkeiten läßt auf eine verkappte, aber doch wieder machtvoll unterdrückte orale Obsession schließen. Ihre Kleidung ist symptomatisch für das Klischee, das sie verkörpert. Sie trägt flache Schuhe (maskulin unerotisch) und eine weiße Bluse (Reinheit), dazu einen "grauen Rock, der sich unterhalb des Knies weitet": das etwas umständliche Kostüm reiner Sachlichkeit.

In jeder dieser Geschichten entlarvt Dacia Maraini das Monströse hinter den Fassaden der Spießbürger. Sie demonstriert, wohin feiges Schweigen und Wegsehen führen können. Sie zwingt den Leser, sich über die Abgründe gesellschaftlich tabuisierter Gewalt zu beugen und den greulichen Grimassen des sexuellen Mißbrauchs ins Gesicht zu blicken. So weit der emanzipatorische, der denunziatorische Charakter ihrer Geschichten, den man durchaus anerkennen muß. Nun ist Literatur aber nicht dazu da, theoretische Einsichten zu Soziologie und Psychologie unserer Gesellschaft durch Übersetzung in griffige Geschichten zu demonstrieren. Sobald ein Autor seinen Figuren kluge Maximen aufs Banner schreibt und sie damit ins Rennen schickt, anstatt sie auf dem Spielbrett so sinnlich agieren zu lassen, daß dem Leser die Schlußfolgerungen von selbst zufallen, wird seine Literatur verdächtig. Über Dacia Marainis Erzählungen weht ein Lüftchen von politischer Korrektheit, das ihre literarische Qualität untergräbt. Man spürt die erzieherische Absicht und ist verstimmt.

Die Spannbreite zwischen Höhenflug und Absturz läßt sich an zwei Geschichten exemplarisch belegen. Ganz und gar mißglückt ist die Begegnung einer ehemaligen Lagerinsassin mit ihrem Peiniger, dem SS-Mann Hans Kurtmann ("Eine Nummer auf dem Arm"). Die Autorin weiß einfach zu viel. Sie schwatzt zu viel und drängt ihr Wissen dem Leser so lange penetrant auf, bis er sich bockig abwendet. Die Geschundene faßt ihr Leid beim Anblick des Peinigers aus dem Stand heraus in ein paar knappen Punkten zusammen, der SS-Schlächter ist, kaum entlarvt, auch schon mit einer zweckdienlichen Erklärung in eigener Sache bei der Hand.

Ganz anders der protokollartige Bericht "Tano, elf Jahre". Da zeigt Dacia Maraini, wozu sie imstande wäre: Nach immer neuen Anläufen, aus immer neuen Perspektiven schält sich - quälend, zwiespältig, zerreißend - langsam die Wahrheit aus dem Nebel des Schweigens und bricht laut dröhnend in die Realität ein: daß der Vater, ein brutaler Schänder, auch vor dem Mord am eigenen Kind nicht zurückschreckt.

PIA REINACHER

Dacia Maraini: "Kinder der Dunkelheit". Erzählungen. Aus dem Italienischen übersetzt von Eva-Maria Wagner. Piper Verlag, München und Zürich 2000. 251 S., geb., 38,- DM.

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"Zugegeben: Leicht bekömmlich ist die Lektüre nicht. Wir empfehlen sie dennoch - und zwar nachdrücklich." (Marie Claire)