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Der Vergleich von drei repräsentativen Studien aus den Jahren 1966, 1981 und 1996 gibt höchst interessante Aufschlüsse darüber, wie sich das sexuelle Verhalten von Studierenden und ihre Einstellungen zu Fragen der Sexualität, Partnerschaft, Liebe, Treue, homo- und bisexuellen Erfahrungen, Verhütung und Schwangerschaft, sexuellen Belästigung und Gewalt, zu HIV, zum Verhältnis der Geschlechter usw. in den letzten mehr als 30 Jahren gewandelt haben. Wie die in ihrer Art einmalige Studie belegt, hat die sexuelle Revolution der 60er Jahre die noch heute vorherrschenden Einstellungen zur Sexualität…mehr

Produktbeschreibung
Der Vergleich von drei repräsentativen Studien aus den Jahren 1966, 1981 und 1996 gibt höchst interessante Aufschlüsse darüber, wie sich das sexuelle Verhalten von Studierenden und ihre Einstellungen zu Fragen der Sexualität, Partnerschaft, Liebe, Treue, homo- und bisexuellen Erfahrungen, Verhütung und Schwangerschaft, sexuellen Belästigung und Gewalt, zu HIV, zum Verhältnis der Geschlechter usw. in den letzten mehr als 30 Jahren gewandelt haben. Wie die in ihrer Art einmalige Studie belegt, hat die sexuelle Revolution der 60er Jahre die noch heute vorherrschenden Einstellungen zur Sexualität nachhaltig geprägt. Neue Trends sehen die Autoren in der höheren Bedeutung der Treue trotz häufigerer Beziehungen und im ambivalenten Verhältnis zur Lebensform des Singles: die 1996er haben die serielle Monogamie perfektioniert: Sie ist nun serieller und monogamer.

"'Sex ist so schön wie Skifahren, und das will was heißen' schreibt ein Student unserer letzten Studie auf die Frage, wasihm Sexualität bedeute. Oberflächlich und entsetzlich banal, könnte man nörgeln. Aber es ist eine Sexualität frei von falschem Tiefsinn, entmystifizierter, entdramatisierter Sex. Und so scheint es, als sei die Sexualität zu Beginn des Jahrhunderts gründlich entrümpelt: vom Katholizismus, vom Patriarchat (fast) und von der Psychoanalyse. Das ist nicht wenig für 50 Jahre, fast schon eine Erfolgsgeschichte."
Gunter Schmidt
Autorenporträt
Gunter Schmidt ist Psychotherapeut und Sozialpsychologe. Bis zu seiner Pensionierung 2003 arbeitete und lehrte er an der Abteilung für Sexualforschung des Uniklinikums Hamburg-Eppendorf. Er war Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS), Präsident der International Academy of Sex Research (IASR) und Mitglied des Bundesvorstands der pro familia. Zusammen mit Martin Dannecker und Volkmar Sigusch war er Herausgeber der Buchreihe "Beiträge zur Sexualforschung", die im Psychosozial-Verlag erscheint.

Er veröffentlichte zuletzt zusammen mit Silja Matthiesen, Karin Block & Svenja Mix die Monografie Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche im Jugendalter (Köln 2009).

Stand: September 2013
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.11.2000

Bloß keine Experimente!

Sollte sich in ferner Zukunft ein Mentalitätshistoriker unserer Epoche zuwenden, würde er beim Studium der überlieferten Fotodokumente, der Fernsehaufzeichnungen, der Bilddateienwracks auf ausrangierten Festplatten ohne Zweifel den Eindruck gewinnen müssen, daß wir in einer Zeit völliger sexueller Libertinage gelebt haben, in der nicht nur alle erdenklichen sexuellen Praktiken und alle denkbaren Konstellationen von Liebespartnern erlaubt waren, sondern auch alltäglich von jedermann und jederfrau ausgeübt wurden. Macht der gewissenhafte Forscher dann die Gegenprobe, etwa anhand der Verkaufsstatistiken von Kondomherstellern, müßte er allerdings bemerken, daß irgend etwas nicht stimmen kann. Über Sex wird heute viel geredet, aber er wird, folgt man neueren empirischen Untersuchungen, selten praktiziert: Immer größere Teile der Bevölkerung sind demnach sexuell inaktiv.

Das größte Stück vom statistischen Kuchen bekommen noch diejenigen ab, die in Zweierbeziehungen leben. Eine neue empirische Untersuchung studentischen Sexualverhaltens kommt zu dem Ergebnis, daß neunzig Prozent aller heterosexuellen Geschlechtsakte von Studentinnen und Studenten in festen Beziehungen stattfinden; temporär oder dauerhaft Alleinlebende haben schlechte Karten: "Singles produzieren mit viel Aufwand wenig Sexualität, die zudem weniger befriedigend ist". (Gunter Schmidt [HRSG.]: Kinder der sexuellen Revolution. Kontinuität und Wandel studentischer Sexualität 1966-1996. Eine empirische Untersuchung. Psychosozial-Verlag, Gießen 2000, 288 S., br., 49,80 DM.) Die auf privaten Fernsehkanälen, in Männermagazinen und Werbespots suggerierte ständige Verfügbarkeit von willigen Sexualpartnern, die nur noch per Terminkalender und mit Unterstützung von Fitneßprogrammen und Viagra zu bewältigen ist, ist demnach der größte Mythos unserer dauererregten Erlebnisgesellschaft.

Die immer weiter auseinandergehende Schere zwischen Fiktion und Realität verliert etwas von ihrer Rätselhaftigkeit, wenn man sie einbettet in die noch zu schreibende Chronik der sexuellen Revolution, zu der die Publizistin und frühere "taz"-Redakteurin Mariam Lau einen ersten Entwurf geliefert hat ("Die neuen Sexfronten". Vom Schicksal einer Revolution. Alexander Fest Verlag, Berlin 2000, 224 S., geb., 39,80 DM). Ihr brillanter Großessay zeichnet das Scheitern einer Bewegung nach, die nichts Geringeres beabsichtigte, als über die Befreiung des Intimlebens von Ängsten und Vorurteilen eine Erneuerung der Gesellschaft herbeizuführen, und liest sich zunächst als bemerkenswerte Erfolgsstory.

Die bekanntesten wissenschaftlichen Publikationen des zwanzigsten Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten dürften die beiden Reporte Alfred Charles Kinseys über das Sexualverhalten bei Männern (1948) und Frauen (1953) sein. Der erste Bericht verkaufte sich in den ersten beiden Monaten nach seinem Erscheinen zweihunderttausendmal. Die Wirkung des Reports, dessen Botschaft "Auch Du bist normal" von Millionen Lesern in aller Welt als Befreiung erfahren wurde, ist kaum zu unterschätzen. Es war der Trick der Kinsey-Reporte, sich als vorurteilsfreie empirische Erhebungen des amerikanischen Sexualverhaltens auszugeben und die Wirklichkeit über ihre angebliche Widerspiegelung zu verändern. Wenn siebzehn Prozent aller befragten Bauernjungen schon einmal Sex mit Tieren gehabt hatten, scheiterte die moralische Verurteilung solcher Praxis an ihrer Häufigkeit; von der schier omnipräsenten Triebbefriedigung durch Oralverkehr, Masturbation oder außerehelichem Geschlechtsverkehr ganz abgesehen. Das Sein bestimmte das Bewußtsein und wies die bis dahin gültigen moralischen Standards als wirklichkeitsfremd zurück.

Der dabei begangene philosophische Fehlschluß bekümmerte allenfalls Moraltheologen, doch gehört es zur Dialektik jeder Sexualaufklärung, daß ihre Wissensvermittlung nie neutral sein kann. Auch wenn ihr Ziel ist, sogenannte "Perversionen" mit dem Unbedenklichkeitssiegel zu versehen, wird doch zugleich eine neue Norm mit ihren eigenen Abweichungen etabliert. In Deutschland besorgten Beate Uhse, "die Gräfin Dönhoff der sexuellen Befreiung" (Lau), die materielle und der unermüdliche Oswalt Kolle die emotionale Basis für die Umbrüche der sechziger Jahre. Lau relativiert die historische Rolle der Studentenbewegung, die nur weit offene Türen eingerannt habe, und legt offen, wie verkrampft ihre Lockerung der Sexualmoral ablief. Sie rechnet gnadenlos mit der Politisierung des Privaten ab, deren absurde Konsequenzen in den Selbsthaß und die Sexfeindlichkeit des radikalen Feminismus geführt hätten.

Laus Umgang mit den Ikonen der sexuellen Revolution von Rainer Langhans bis Judith Butler ist mit dem Begriff "respektlos" noch milde belegt. Statt die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Wortführern der Bewegung zu suchen, setzt sie die Brechstange des Biographischen ein, um Schwachstellen der Theoriegebäude einzureißen: Die porträtierten Sexualwissenschaftler und Psychologen - Kinsey eingeschlossen - hatten durch die Bank einen schweren Zacken, so daß deren Kampf für Liberalisierung und Normalisierung oft nur als eine selbstbezogene Entlastungsstrategie von eigenen Triebkonflikten erscheint.

Mit Freud beharrt Lau darauf, daß das Individuum für seine Triebkonflikte nicht ausschließlich die Gesellschaft verantwortlich machen kann. Das Sexualleben ist nie frei von Spannungen und Konflikten. "Milieus, die die Geborgenheit einer Familie gewähren könnten, ohne deren Zwänge zu reproduzieren, sind die letzte erotische Utopie", schreibt sie und endet trotz allem optimistisch. Ihr Buch wird so zu einer Verteidigung der "klassischen", auf Dauer angelegten Beziehungskiste, zu der bis heute niemand eine haltbare Alternative habe zimmern können.

RICHARD KÄMMERLINGS

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Die Literaturwissenschaftlerin Susanne Lüdemann mit zwei Neuerscheinungen zum Stand des heutigen Sexualverhaltens, das zum Entsetzen der Rezensentin in "serieller Monogamie" seinen gesellschaftlichen Konsens zu finden scheine. Es handelt sich um den von Gunter Schmidt herausgegebenen Band "Kinder der sexuellen Revolution - Kontinuität und Wandel studentischer Sexualität 1966-1996" und um Mariam Laus "Die neuen Sexfronten".
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