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Die Musikindustrie steckt in einer dramatischen Umbruchphase. Großfusionen, Online-Piraten und kreative Krisen haben die Strukturen ins Wanken gebracht. Eine ganze Branche muss sich neu erfinden – nur dann wird sie die Internet-Ära überleben. Tim Renner war siebzehneinhalb Jahre lang integraler Bestandteil dieses Systems. Vom Talentscout für progressive Sounds zum Labelmanager, Geschäftführer und Konzernboss. Eine einzigartige Karriere, geprägt vom schillernden Wechselspiel zwischen Popkultur und Kapitalinteressen. Sein Abgang als CEO von Universal Music Germany im Februar 2004 markierte eine…mehr

Produktbeschreibung
Die Musikindustrie steckt in einer dramatischen Umbruchphase.
Großfusionen, Online-Piraten und kreative Krisen haben die Strukturen ins Wanken gebracht. Eine ganze Branche muss sich neu erfinden – nur dann wird sie die Internet-Ära überleben. Tim Renner war siebzehneinhalb Jahre lang integraler Bestandteil dieses Systems. Vom Talentscout für progressive Sounds zum Labelmanager, Geschäftführer und Konzernboss. Eine einzigartige Karriere, geprägt vom schillernden Wechselspiel zwischen Popkultur und Kapitalinteressen. Sein Abgang als CEO von Universal Music Germany im Februar 2004 markierte eine Cäsur. Eine Phase der Besinnung, die einen Blick zurück nach vorn ermöglicht.
In Kinder, der Tod... verknüpft Renner seine Biografie mit einer analytischen Innenansicht der Musik- und Medienszene. Anfang der Achtziger stößt er als junger Journalist und Radiomacher in Hamburg auf die unabhängige Avantgarde-Szene. Dort verinnerlicht er den Veränderungswillen der Punk- und New-Wave-Ära und tritt an zum großen Selbstversuch: 1986 nimmt er – einfach so zu Recherchezwecken – einen Job als Junior-A&R-Manager beim Majorlabel Polydor an. Eine lange Reise durch alle Ebenen der Unterhaltungsindustrie beginnt. Der Beobachter wird zum Manager und wieder zurück.
Sein Weg führt von Kreuzberger Hinterhöfen in die abgedunkelten Konferenzräume von Midtown Manhattan.. Ausführlich dokumentiert Tim Renner die technologischen, ökonomischen und inhaltlichen Prozesse, welche die Branche und somit sein eigenes Leben vorantreiben. Den Abschied von der Vinylschallplatte erlebt er als engagierter Entdecker von progressiver Musik. Während des CD-Booms entwickelt er das Musiklabel Motor zur Marke. Der Börsengang der ehemaligen PolyGram endet in den großen Fusionswellen der Neunziger. Längst muss sich Renner mit Quartalsbilanzierung und Sparkonzepten der Unternehmensberater herumschlagen. Und spätestens mit mp3 und den download-Tauschbörsen kommt es zum digitalen Beben.
Kinder, der Tod... ist jedoch mehr als eine anschauliche Chronik des aktuellen Pop-Geschäfts. „Es wird höchste Zeit, das Musikgeschäft neu zu denken“, schreibt Renner und schaut über den Tellerrand seiner Zunft. In einem Ausblick betrachtet er dynamische Tendenzen in verschiedenen Medienbereichen außerhalb der Musik und liefert auf diese Weise ein Szenario mit zahlreichen Anstößen für kommende Entwicklungen. Eine digitale Zukunft, die den gesamten Medienbereich erfassen wird.
Autorenporträt
Tim Renner, Jahrgang 1964, war Musikjournalist und nahm 1986 bei der Plattenfirma Polydor einen Job an, um bei dem "bösen" Major-Label eine Undercover-Geschichte à la Wallraff zu schreiben. Bald entdeckte er, dass die Industrie ihm Möglichkeiten bot, Künstler aus der Nische in den Mainstream zu tragen. Nach einer Kontroverse mit dem internationalen Top-Management seiner Plattenfirma über deren zukünftige Ausrichtung verließ Renner Anfang 2004 das Unternehmen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.09.2004

Ohne Chimären
Auswege aus der Zukunftskrise der Musik- und Medienindustrie

Tim Renner: Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm! Über die Zukunft der Musik- und Medienindustrie. Campus-Verlag, Frankfurt 2004, 303 Seiten, 19,90 Euro.

Das Timing stimmt. Am Mittwoch beginnt in Berlin die Musikmesse Popkomm. Pünktlich zum alljährlichen Elefantentreffen der deutschen Plattenindustrie erscheint Tim Renners Generalabrechnung mit den großen Musikkonzernen. Das Buch des früheren Deutschland-Chefs von Universal Music wird auf der Popkomm für Gesprächsstoff sorgen. Renners Urteil über das System, dem er selber 16 Jahre gedient hat, ist schonungslos. Wenig tröstlich ist bereits der bizarre Buchtitel "Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm", der ein Lied der Neue-Deutsche-Welle-Band Palais Schaumburg zitiert. "Große Plattenfirmen sind überflüssig, wenn sie ihr Geschäftsmodell nicht grundlegend ändern", lautet das Fazit des Musikmanagers.

Einen guten Teil seiner Spannung bezieht das Buch durch seinen prominenten Autor. Bevor Renner den damals weltgrößten Musikkonzern Universal zu Jahresanfang überraschend und im Streit verließ, war er der wohl profilierteste deutsche Musikmanager. Als "Wunderkind" wurde das inzwischen 40 Jahre alte Medientalent gar bisweilen bezeichnet. Renner informiert also aus erster Hand. Die Schilderung setzt Mitte der achtziger Jahre ein, als der Autor bei der damaligen Polygram anfing und die deutsche Musikindustrie nach dem Ende der Neuen Deutschen Welle (NDW) im musikalischen Niemandsland dahindümpelte. Damit spinnt der Autor in seinem Buch in gewisser Weise den Faden der brillanten Dokumentation "Verschwende deine Jugend" von Jürgen Teipel weiter, welche die Punk- und NDW-Zeit beleuchtet.

Die Stärke von "Verschwende deine Jugend" ist, daß sich das Buch - eine Collage von Interviews - ganz auf die Kraft der Anekdoten verläßt, die ein viel plastischeres Bild vermitteln als eine abstrakte Schilderung. Renner hat auch viele solcher Szenen zu erzählen, beispielsweise wenn er berichtet, wie der amerikanische Wissenschaftler Nicholas Negroponte schon 1994 die Polygram-Plattenbosse auf einem Management-Treffen warnte, das Internet werde ihnen ihr profitables CD-Geschäft rauben. Hinterher habe sich der Polygram-Chef bei seinen Mitarbeitern für die vermeintlich abseitigen Prognosen Negropontes entschuldigt.

Doch Renner kann sich offenbar nicht entscheiden. Will er seine Erinnerungen aus anderthalb Jahrzehnten Popindustrie aufschreiben oder eine Analyse ihrer Probleme und Lösungsvorschläge entwickeln? Der Autor hat zu beidem Interessantes zu sagen - aber da er beides zusammen versucht, kommen beide Seiten knapper weg als notwendig. So suggeriert der Untertitel "Über die Zukunft der Musik- und Medienindustrie", daß es um die Analyse geht, doch dieses Versprechen hält der Autor nur bedingt. Das Buch hat fast 300 Seiten. Nur auf 40 von ihnen geht es um Auswege aus der Zukunftskrise der Branche. Unnötig ist zudem der oberflächliche Exkurs zum Fernsehgeschäft.

Die Thesen, die Renner zur Krise der Popbranche parat hat, sind für einen Musikmanager recht ungewöhnlich: Kopierschutz für CDs und im Online-Vertrieb seien Chimären, da sie nur die Kunden verärgerten, aber die Hersteller nicht schützten, schreibt er. Das Geschäft mit "der veralteten CD" lasse sich nur noch durch radikale Preissenkungen von mindestens einem Drittel stabilisieren. Und in keiner der Funktionen, die große Musikkonzerne heute im Markt übernähmen, seien sie noch unersetzlich. Kurz: Wer sich für das deutsche Musikgeschäft interessiert, dem bietet das Buch trotz seiner konzeptionellen Schwächen spannenden Lesestoff.

MARCUS THEURER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Buch "Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm" über die Musik- und Medienindustrie verbreitet weder, wie der Titel vermuten lassen könnte, fröhliche Untergangsstimmung", noch ist es wegen seiner Kapitelüberschriften, die sich an der Bibel orientieren, "unseriös", betont "Edo Reents. Im Gegenteil, er lobt Tim Renners Analyse vom "Tod der Musikindustrie" als "kühl analysiert" und zudem "gut erzählt", wobei ihm positiv aufgefallen ist, dass der Autor, der zuletzt Deutschlandchef des Universal-Konzerns war, kaum in "rechthaberische Eitelkeit" verfällt und das Buch auch nicht benutzt, um mit seinem ehemaligen Arbeitgeber abzurechnen. Die Porträts der Labelgründer der Anfangszeit, die Renner "voller Bewunderung" zeichnet, übersehen, dass sich so eine Firmenpolitik aus ökonomischen Gründen heute keiner mehr "leisten" kann, gibt Reents zu bedenken. Kritik meldet er auch an, wenn sich der Autor in Details über die Branche ergeht, denen "nur der Fachmann folgen" kann. Die eigentliche "Stärke" des Buches sieht der Rezensent dagegen im "anekdotischen Erzählen", mit dem Renner aus dem Herzen der Musikindustrie berichtet. Allerdings fehlt dem Autor offenkundig jegliches Bewusstsein dafür, dass auch er an der "Misere" der Musikindustrie zumindest mitgewirkt hat, stellt Reents fest. Denn was die "eigenen Fehler" angeht, so gibt sch der Autor wesentlich "diskreter", so der Reents, der diese Analyse der Musikindustrie nichts desto trotz als "erstaunliches Buch" würdigt.

© Perlentaucher Medien GmbH
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