GEGEN DAS VERGESSEN!
In diesem besonderen Buch für Jugendliche und Erwachsene erzählt Peggy Parnass die bewegende Geschichte ihrer Kindheit im Dritten Reich. Die brasilianische Künstlerin Tita do Rêgo Silva hat großartige farbenprächtige Holzschnitte dafür geschaffen.
Die Schauspielerin, Kolumnistin, Gerichtsreporterin und Autorin Peggy Parnass erzählt in diesem bewegenden Memoire ihre Kindheitsgeschichte: 1939 wurde sie mit ihrem vierjährigen Bruder mit einem Kindertransport nach Stockholm geschickt. Ihre Eltern sah sie nie wieder. Sie wurden in Treblinka von den Nazis ermordet.
Die leuchtenden Farbholzschnitte der brasilianischen Künstlerin Tita do Rêgo Silva stehen im Kontrast zum Inhalt und verleihen ihm damit eine noch größere Intensität.
Neuausgabe im kleineren Format - die großformatige Originalausgabe erschien 2012 in limitierter Auflage in einem Hamburger Kunstverlag und wurde von der Stiftung Buchkunst als eines der "schönsten Bücher" 2013 ausgezeichnet.
In diesem besonderen Buch für Jugendliche und Erwachsene erzählt Peggy Parnass die bewegende Geschichte ihrer Kindheit im Dritten Reich. Die brasilianische Künstlerin Tita do Rêgo Silva hat großartige farbenprächtige Holzschnitte dafür geschaffen.
Die Schauspielerin, Kolumnistin, Gerichtsreporterin und Autorin Peggy Parnass erzählt in diesem bewegenden Memoire ihre Kindheitsgeschichte: 1939 wurde sie mit ihrem vierjährigen Bruder mit einem Kindertransport nach Stockholm geschickt. Ihre Eltern sah sie nie wieder. Sie wurden in Treblinka von den Nazis ermordet.
Die leuchtenden Farbholzschnitte der brasilianischen Künstlerin Tita do Rêgo Silva stehen im Kontrast zum Inhalt und verleihen ihm damit eine noch größere Intensität.
Neuausgabe im kleineren Format - die großformatige Originalausgabe erschien 2012 in limitierter Auflage in einem Hamburger Kunstverlag und wurde von der Stiftung Buchkunst als eines der "schönsten Bücher" 2013 ausgezeichnet.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.10.2014Gerettet
Peggy Parnass erzählt von ihrer Kindheit
Es ist üblich geworden, Gedenktage für die Opfer des Nationalsozialismus feierlich zu absolvieren und dabei an KZ, Folter und politischen Mord zu denken, niemand aber gedenkt derer, denen, ohne körperlich gefoltert und verwundet zu werden, doch die ganze Zukunft zerstört worden ist. Nämlich der Emigranten und der Kinder, die noch nicht begreifen konnten, dass sie Opfer wurden, als ihre Eltern ihnen das Schlimmste antaten, was man einem kleinen Kind antun kann. Sich von ihm zu trennen, es unter Tränen in einen Zug zu stecken, der es nach Schweden oder England in Sicherheit bringen sollte. Gerettete Kinder, aber nun schutzlos in einer Fremde, deren Sprache sie nicht verstanden, immer noch als Kind des Feindes betrachtet, misstrauisch beäugt und als Juden- oder „Kraut“-Kind gehänselt und manchmal gequält.
Peggy Parnass nennt ihr Buch Kindheit mit dem Untertitel „Wie uns unsere Mutter vor den Nazis rettete.“ Ihr Bruder Bübchen war vier, sie fünf, als sie mit ihm 1939, in einem Kindertransport nach Stockholm gebracht wurde. Sie erzählt von der Zeit davor und danach, wie man es einem guten Freund erzählt oder sich selbst: sprunghaft, voll Leidenschaft und Witz. Dazu begleiten die Holzschnitte der Künstlerin Tita do Rêgo Silva in leuchtendem Goldgelb, Ocker und Türkis den Text wie Traumbilder. Doch trotz der ungeordneten Abfolge sind die Erinnerungsbilder so genau, so schmerzhaft, so heftig, so prall, dass man vor allem die Mutter nicht wieder vergisst. Eine kleine schöne Frau, weiche duftende Haut, strahlend vor Leben, immer zum Lachen bereit. Dazu der Vater Pudl, ein polnischer Jude, ein Zocker, ein Glücksspieler, der meistens verliert. Die kleine Familie lebt mitten in Hamburg, „Die Nazis waren um uns rum. Ich weiß nicht, wie Kiesinger und andere sie übersehen konnten. Ich sah jeden Tag was, und die Angst saß uns in den Knochen.“ Das kleine Mädchen registriert, wie ein Onkel mit weiß verbundenem Kopf nach einer Verhaftung heimkommt und nichts erzählen darf. Es sieht die Schilder, die den Juden verbieten, sich auf Parkbänke zu setzen und so weiter. Es sieht, wie die Milchfrau die Mutter ohrfeigt und wie der Vater verhaftet und abtransportiert wird. Ja, dieses Kind und sein kleiner Bruder wurden gerettet und haben alles leiblich unversehrt überlebt: in Schweden getrennt voneinander, in zwölf verschiedenen Pflegefamilien oder Waisenhäusern, in London, kurz vor Kriegsende, beim Onkel. Beide Eltern wurden im Vernichtungslager Treblinka ermordet, „unsere Großeltern, Tanten, viele Onkel, Vetter und Cousinen, fast hundert Familienangehörige, sind ja in den verschiedensten KZs ermordet worden“.
Wie erträgt man eine solche Kindheit? Niemand war mehr da, der wie auch immer geholfen hätte. Auch kein Trost, kein Gespräch. Im Gegenteil: „Seitdem ich vierzehn bin, hab ich mich selbst ernährt. Damals zum Teil auch meinen Bruder mit.“ Vergessen aber kann man nichts: „Meine Erinnerungen wechseln von Tag zu Tag, ganz nach Verfassung. Entweder nur eine Aneinanderreihung von Albträumen. Oder so, dass es mir vor Sehnsucht und Verlangen das Herz zerquetscht und mir Tränen in die Augen treibt.“ Wie hat es dieses Kind, wie haben das all die namenlosen unbekannten Kinder ertragen?Danach hat kein Mensch gefragt. Ein Kind? Es ist ja heil – was will es denn?„Ich hab auch reichlich gehasst. Erst die Täter. Dann auch die Opfer, die sich nicht wehrten“, schreibt Peggy Parnass, doch sie hatte das kleine Stückchen Glück: die Erinnerung an die erste Erfahrung ihres Lebens, an diese wenigen Kinderjahre, in denen sie sich eingehüllt fühlen konnte, von der unverbrüchlichen Liebe der Mutter, so geborgen und gegen alles gefeit, dass es später in allen Einsamkeiten half. Das gerettete Kind (gerade feierte Peggy Parnass ihren 80. Geburtstag), wurde Künstlerin und Journalistin, war Gerichtsreporterin, mit einem etwas anderen Empfinden für Recht und Gerechtigkeit. (ab 13 Jahre)
SYBIL GRÄFIN SCHÖNFELDT
Peggy Parnass: Kindheit. Illustrationen von Tita do Rêgo Silva. Fischer KJB 2014. 80 Seiten, 14,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Peggy Parnass erzählt von ihrer Kindheit
Es ist üblich geworden, Gedenktage für die Opfer des Nationalsozialismus feierlich zu absolvieren und dabei an KZ, Folter und politischen Mord zu denken, niemand aber gedenkt derer, denen, ohne körperlich gefoltert und verwundet zu werden, doch die ganze Zukunft zerstört worden ist. Nämlich der Emigranten und der Kinder, die noch nicht begreifen konnten, dass sie Opfer wurden, als ihre Eltern ihnen das Schlimmste antaten, was man einem kleinen Kind antun kann. Sich von ihm zu trennen, es unter Tränen in einen Zug zu stecken, der es nach Schweden oder England in Sicherheit bringen sollte. Gerettete Kinder, aber nun schutzlos in einer Fremde, deren Sprache sie nicht verstanden, immer noch als Kind des Feindes betrachtet, misstrauisch beäugt und als Juden- oder „Kraut“-Kind gehänselt und manchmal gequält.
Peggy Parnass nennt ihr Buch Kindheit mit dem Untertitel „Wie uns unsere Mutter vor den Nazis rettete.“ Ihr Bruder Bübchen war vier, sie fünf, als sie mit ihm 1939, in einem Kindertransport nach Stockholm gebracht wurde. Sie erzählt von der Zeit davor und danach, wie man es einem guten Freund erzählt oder sich selbst: sprunghaft, voll Leidenschaft und Witz. Dazu begleiten die Holzschnitte der Künstlerin Tita do Rêgo Silva in leuchtendem Goldgelb, Ocker und Türkis den Text wie Traumbilder. Doch trotz der ungeordneten Abfolge sind die Erinnerungsbilder so genau, so schmerzhaft, so heftig, so prall, dass man vor allem die Mutter nicht wieder vergisst. Eine kleine schöne Frau, weiche duftende Haut, strahlend vor Leben, immer zum Lachen bereit. Dazu der Vater Pudl, ein polnischer Jude, ein Zocker, ein Glücksspieler, der meistens verliert. Die kleine Familie lebt mitten in Hamburg, „Die Nazis waren um uns rum. Ich weiß nicht, wie Kiesinger und andere sie übersehen konnten. Ich sah jeden Tag was, und die Angst saß uns in den Knochen.“ Das kleine Mädchen registriert, wie ein Onkel mit weiß verbundenem Kopf nach einer Verhaftung heimkommt und nichts erzählen darf. Es sieht die Schilder, die den Juden verbieten, sich auf Parkbänke zu setzen und so weiter. Es sieht, wie die Milchfrau die Mutter ohrfeigt und wie der Vater verhaftet und abtransportiert wird. Ja, dieses Kind und sein kleiner Bruder wurden gerettet und haben alles leiblich unversehrt überlebt: in Schweden getrennt voneinander, in zwölf verschiedenen Pflegefamilien oder Waisenhäusern, in London, kurz vor Kriegsende, beim Onkel. Beide Eltern wurden im Vernichtungslager Treblinka ermordet, „unsere Großeltern, Tanten, viele Onkel, Vetter und Cousinen, fast hundert Familienangehörige, sind ja in den verschiedensten KZs ermordet worden“.
Wie erträgt man eine solche Kindheit? Niemand war mehr da, der wie auch immer geholfen hätte. Auch kein Trost, kein Gespräch. Im Gegenteil: „Seitdem ich vierzehn bin, hab ich mich selbst ernährt. Damals zum Teil auch meinen Bruder mit.“ Vergessen aber kann man nichts: „Meine Erinnerungen wechseln von Tag zu Tag, ganz nach Verfassung. Entweder nur eine Aneinanderreihung von Albträumen. Oder so, dass es mir vor Sehnsucht und Verlangen das Herz zerquetscht und mir Tränen in die Augen treibt.“ Wie hat es dieses Kind, wie haben das all die namenlosen unbekannten Kinder ertragen?Danach hat kein Mensch gefragt. Ein Kind? Es ist ja heil – was will es denn?„Ich hab auch reichlich gehasst. Erst die Täter. Dann auch die Opfer, die sich nicht wehrten“, schreibt Peggy Parnass, doch sie hatte das kleine Stückchen Glück: die Erinnerung an die erste Erfahrung ihres Lebens, an diese wenigen Kinderjahre, in denen sie sich eingehüllt fühlen konnte, von der unverbrüchlichen Liebe der Mutter, so geborgen und gegen alles gefeit, dass es später in allen Einsamkeiten half. Das gerettete Kind (gerade feierte Peggy Parnass ihren 80. Geburtstag), wurde Künstlerin und Journalistin, war Gerichtsreporterin, mit einem etwas anderen Empfinden für Recht und Gerechtigkeit. (ab 13 Jahre)
SYBIL GRÄFIN SCHÖNFELDT
Peggy Parnass: Kindheit. Illustrationen von Tita do Rêgo Silva. Fischer KJB 2014. 80 Seiten, 14,99 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Merklich bewegt berichtet Sybil Gräfin Schönfeldt von ihrer Lektüre der Kindheitserinnerungen von Peggy Parnass. So viel es über die Opfer des Holocaust auch zu lesen, das Schicksal der Kinder, die von ihren verzweifelten Eltern ins Ausland geschickt wurden, wo es hoffentlich eine Zukunft für sie gibt, das hat die Rezensentin noch nicht "so genau, so schmerzhaft, so heftig, so prall" gelesen wie in diesem Buch. Die frühe Kindheit im Hamburg der aufkommenden Nazizeit, dann die Odysse durch Schweden und England und zwölf verschiedene Pflegefamilien und Waisenhäuser - Schönfeldt ist sprachlos ob dieses Schicksals, das angesichts von Parnass' fast hundert ermordeten Verwandten ja noch zu den glücklichen zählt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Ich möchte es jedem empfehlen, der etwas über die vergangene Zeit wissen möchte. Ohne gruselige und traurige Bilder und ohne den erhobenen Zeigefinger!! Shirin Samadi Der Tagesspiegel 20141213