Vor mehr als 250 Jahren wurde das Reich errichtet, in dem King Cotton herrscht. Krieg, Sklaverei und Ausbeutung standen an seiner Wiege. Während fremde Kulturen rücksichtslos zerschlagen wurden, häuften Händler im Zusammenspiel mit der Staatsgewalt enorme Vermögen an. Ein neues ökonomisches Prinzip begann seinen Siegeszug. Sven Beckert schildert die Geschichte des Kapitalismus im Spiegel eines Produktes, das heute jeder von uns am Leibe trägt - der Baumwolle.Die Geschichte des Kapitalismus gehört zu den spannendsten Themen der aktuellen Geschichtswissenschaft. Fast immer aber geht es dabei um einzelne Epochen oder Regionen. Sven Beckert wagt in seinem brillanten Buch erstmals eine übergreifende Darstellung, die anhand einer einzigen Ware höchst anschaulich zeigt, wie der Kapitalismus entsteht, sich gleichsam einübt und nach und nach die Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen, ja das Schicksal der Menschen überall auf der Welt seinen Bewegungsgesetzen unterwirft. Das Resultat ist ein ebenso verstörendes wie erhellendes Buch darüber, wie unsere globale Welt von heute entstanden ist.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2014So formte das Kapital sich seine Welt mit Gewalt
Der Rohstoff der Industrialisierung: Sven Beckert erzählt die Geschichte der Baumwollwirtschaft als Genese des globalen Kapitalismus.
Von Kim Christian Priemel
Der englischsprachigen Geschichtsschreibung sagt man hierzulande oft nach, sie ziehe die Erzählung der Analyse vor, die große These der empirischen Kärrnerarbeit und verspreche mit leichtfüßigen Titeln weltumspannende Erklärungen. Für Sven Beckerts "King Cotton. Eine Geschichte des globalen Kapitalismus" wird man das kaum sagen können, und dies nicht allein deswegen, weil mehr als hundert Seiten Anmerkungen von der Belegdichte zeugen. Erst die deutsche Ausgabe - von Annabel Zettel und Martin Richter umsichtig besorgt - macht aus der globalen Geschichte der Baumwollwirtschaft eine Geschichte des globalen Kapitalismus, und besser noch: der solchermaßen veränderte Titel trügt nicht.
Denn der Verfasser beschreibt in der Tat die Genese jener Wirtschaftsordnung, die wir gerne als globalisiert apostrophieren. Baumwolle gilt ihm dabei nicht als bloßes Beispiel, sondern als der Rohstoff der Industrialisierung schlechthin. Wer das jahrhundertealte "Baumwollimperium" nicht verstehe, dem blieben auch die kapitalistische Logik und ihre geopolitische Dynamik verschlossen.
Auf rund vierhundert Seiten wird die Geschichte der Baumwollerzeugung und -verarbeitung von der Antike bis zur Gegenwart entfaltet. Der Schwerpunkt liegt auf dem achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert und ihren prägenden ökonomischen Regimen, dem "Kriegskapitalismus" und seinem Thronfolger - halb Zwilling, halb Nachkomme -, dem Industriekapitalismus. Ist letztere Kategorie bekannt, so ist erstere für Beckerts Arbeit zentral, wenngleich die assoziative Nähe zur "Kriegswirtschaft" hinderlich und "Kolonialkapitalismus" die eingängigere Option sein mag.
Krieg und Kapitalismus zu verbinden hat für Beckerts Analyse jedoch den unschätzbaren Vorteil, das zutiefst gewalttätige Element seines Gegenstandes auf den Begriff zu bringen. Denn am Anfang steht die Frage, wie ausgerechnet jener europäische Subkontinent, der bis weit in die Neuzeit überwiegend mit Textilien ausgekommen war, die "streng rochen und kratzten", die globale Baumwollwirtschaft aufbauen und beherrschen konnte. Die Antwort: mit Schiffen und Kanonen. Die gewaltige Landnahme in Amerika, Asien und Afrika und der Umbau dort vorgefundener Handelsnetze beschreibt der Verfasser als (leider nicht weiter ausgeleuchteten) Lerneffekt europäischer Händler und Produzenten mit ihrer internationalen Konkurrenzunfähigkeit. Am Markt wenig erfolgreich, vertrauten sie auf den Staat.
Hierin bestand also der europäische Wettbewerbsvorteil: die vergleichsweise stabile staatliche Verfasstheit, die rechtliche und soziale Infrastruktur, überlegene militärische Mittel. Zu den drei klassischen Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital gesellte sich der staatliche Durchsetzungs- und Zwangsapparat.
Dass dieser erst den Grundstein für den Baumwollkapitalismus legte, dann in seiner nationalstaatlichen Ausprägung das Kapital lange Zeit einhegte, ehe dieses im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert erneut nationale Grenzen transzendierte und staatliche Ressourcen so beliebig verschob wie zuvor Menschen und Fabriken, zählt zu den ironischen Wendungen des Buches.
Beckert zeigt, wie im Zeitalter der britischen, niederländischen und anderen Kompanien die Grundlage für die weltweite Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von Baumwolle gelegt wurde, wie Industrialisierungsschübe anderer europäischer Branchen folgten und die gigantische Unternehmung, für die das Bild des Imperiums treffend gewählt ist, im Industriekapitalismus institutionalisiert wurde.
Der Kriegskapitalismus war damit keineswegs gänzlich abgelöst, sondern bestand vielerorts weiter, überlappte und verband sich mit seinem Nachfolger, scheiterte aber, wie in Ägypten, wenn der Übergang nicht gelang oder von europäischen Konkurrenten verhindert wurde. Im Amerikanischen Bürgerkrieg fand das Ancien Régime der Sklaverei, auf deren Fundament die europäische Industrialisierung erbaut worden war, auch deshalb ihr blutiges Ende, weil sie unzeitgemäß geworden war. Das hinderte viele europäische Beobachter nicht, Partei für die Konföderierten zu ergreifen: So hoch waren Freiheit und Menschenleben, noch dazu afrikanische, gar nicht anzusetzen, als dass sie den befürchteten Verlust des einträglichen Baumwollgeschäfts aufwogen.
Dieser blieb indes aus, und das Imperium expandierte nach 1865 gleichermaßen gewaltig wie gewaltsam weiter. Auf dem Höhepunkt der imperialen Expansion wurden im Inneren wie im Äußeren kolonisiert und Räume für Ressourcengewinnung gesichert - von der Vertreibung der Kiowa und Komantschen in den Vereinigten Staaten über die russische "Erschließung" Zentralasiens bis zu den deutschen Kolonialträumen in Togo.
Erzeugung und Verbrauch von Baumwolle wuchsen, nein, sie wucherten. Zugleich aber, und hierin liegt eine weitere Ironie von Beckerts Geschichte, ging die hochimperialistische Phase mit der ökonomischen Integration jener Länder einher, die nach dem Ersten Weltkrieg die Führungsposition in Anbau und Verarbeitung übernehmen sollten, erst Japan, dann China und Indien, wo nicht von ungefähr ein Spinnrad zum Symbol der Dekolonisierung wurde. Die eurozentrische Lesart als Deindustrialisierung ersetzt Beckert durch seine These der "größten Industrialisierungswelle aller Zeiten", obgleich Reindustrialisierung hier richtiger scheint, hatten doch erst die Kolonisatoren die existierenden lokalen Baumwollökonomien zu Rohstofflieferanten degradiert.
Es ist keine schöne und vor allem keine Heldengeschichte, die Beckert erzählt. Zwar treten sie auf, die gewieften Entrepreneure wie der Spinnmaschinenpionier Samuel Greg oder die Liverpooler Kaufmannschaft. Aber die Studie lässt keinen Zweifel daran, dass deren Erfolge der "kriegskapitalistischen" Gewaltpolitik geschuldet waren, und konfrontiert sie mit den horrenden Kosten: der Praxis der Sklaverei ebenso wie der charakteristischen Frauen- und Kinderarbeit.
Die zehnjährige Spinnerin Ellen Hootton, die 1833 vor einem britischen Ausschuss über unzumutbare Arbeitsbedingungen und körperliche Misshandlungen aussagte, gerät Beckert zur Kronzeugin einer Politik der Ausbeutung, die von britischen nicht anders als von japanischen Unternehmern willentlich betrieben und staatlich sanktioniert wurde. Dass die Arbeiterbewegungen in Europa, in den Vereinigten Staaten und an anderen Orten beharrlich Verbesserungen durchsetzten, sollte, global betrachtet, wenig ändern. Die Produzenten wanderten in Billiglohnländer ab, an Hoottons Stelle traten die am Ende des Buchs abgebildeten baumwollpflückenden Jungen in Usbekistan.
All das schildert Beckert engagiert und bewundernswert anschaulich. Seinen weltgeschichtlichen Anspruch einlösend, zeichnet er die Waren- und Menschen-, Kapital- und Informationsströme über Jahrhunderte hinweg nach. Große Linien wechseln ab mit zahlreichen Vignetten, während die Lupe buchstäblich über die Weltkarte gleitet, um etwa den Civil War als globales Ereignis in Chemnitz und Bengalen, im Senegal und in Pernambuco zu erfassen. Dabei profitiert Beckert von der gewaltigen Literaturmasse, die er erschlossen und um klug ausgewählte Archivquellen aus verschiedenen Ecken der Erde angereichert und ergänzt hat.
Nicht alle Fragen werden beantwortet - etwa jene nach den Konsumenten oder warum die einen die anderen kolonisierten und nicht umgekehrt -, und nicht alles ist neu. Doch so umfassend und souverän, so stringent argumentierend, hat man die Geschichte des aus Baumwolle gewobenen Kapitalismus noch nicht gelesen. Am Ende bleibt nur unklar, worauf der Autor seine Hoffnung gründet, die menschliche Organisations- und Anpassungsfähigkeit könne das Baumwollimperium, mithin den Kapitalismus, "gerechter" machen. Die von Beckert so großartig studierte historische Praxis gibt dazu wenig Anlass. King Cotton war und ist ein Raubritter.
Sven Beckert: "King Cotton". Eine Geschichte des globalen Kapitalismus.
Aus dem Amerikanischen von Annabel Zettel und Martin Richter. Verlag C. H. Beck, München 2014. 525 S., Abb., geb., 29,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Rohstoff der Industrialisierung: Sven Beckert erzählt die Geschichte der Baumwollwirtschaft als Genese des globalen Kapitalismus.
Von Kim Christian Priemel
Der englischsprachigen Geschichtsschreibung sagt man hierzulande oft nach, sie ziehe die Erzählung der Analyse vor, die große These der empirischen Kärrnerarbeit und verspreche mit leichtfüßigen Titeln weltumspannende Erklärungen. Für Sven Beckerts "King Cotton. Eine Geschichte des globalen Kapitalismus" wird man das kaum sagen können, und dies nicht allein deswegen, weil mehr als hundert Seiten Anmerkungen von der Belegdichte zeugen. Erst die deutsche Ausgabe - von Annabel Zettel und Martin Richter umsichtig besorgt - macht aus der globalen Geschichte der Baumwollwirtschaft eine Geschichte des globalen Kapitalismus, und besser noch: der solchermaßen veränderte Titel trügt nicht.
Denn der Verfasser beschreibt in der Tat die Genese jener Wirtschaftsordnung, die wir gerne als globalisiert apostrophieren. Baumwolle gilt ihm dabei nicht als bloßes Beispiel, sondern als der Rohstoff der Industrialisierung schlechthin. Wer das jahrhundertealte "Baumwollimperium" nicht verstehe, dem blieben auch die kapitalistische Logik und ihre geopolitische Dynamik verschlossen.
Auf rund vierhundert Seiten wird die Geschichte der Baumwollerzeugung und -verarbeitung von der Antike bis zur Gegenwart entfaltet. Der Schwerpunkt liegt auf dem achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert und ihren prägenden ökonomischen Regimen, dem "Kriegskapitalismus" und seinem Thronfolger - halb Zwilling, halb Nachkomme -, dem Industriekapitalismus. Ist letztere Kategorie bekannt, so ist erstere für Beckerts Arbeit zentral, wenngleich die assoziative Nähe zur "Kriegswirtschaft" hinderlich und "Kolonialkapitalismus" die eingängigere Option sein mag.
Krieg und Kapitalismus zu verbinden hat für Beckerts Analyse jedoch den unschätzbaren Vorteil, das zutiefst gewalttätige Element seines Gegenstandes auf den Begriff zu bringen. Denn am Anfang steht die Frage, wie ausgerechnet jener europäische Subkontinent, der bis weit in die Neuzeit überwiegend mit Textilien ausgekommen war, die "streng rochen und kratzten", die globale Baumwollwirtschaft aufbauen und beherrschen konnte. Die Antwort: mit Schiffen und Kanonen. Die gewaltige Landnahme in Amerika, Asien und Afrika und der Umbau dort vorgefundener Handelsnetze beschreibt der Verfasser als (leider nicht weiter ausgeleuchteten) Lerneffekt europäischer Händler und Produzenten mit ihrer internationalen Konkurrenzunfähigkeit. Am Markt wenig erfolgreich, vertrauten sie auf den Staat.
Hierin bestand also der europäische Wettbewerbsvorteil: die vergleichsweise stabile staatliche Verfasstheit, die rechtliche und soziale Infrastruktur, überlegene militärische Mittel. Zu den drei klassischen Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital gesellte sich der staatliche Durchsetzungs- und Zwangsapparat.
Dass dieser erst den Grundstein für den Baumwollkapitalismus legte, dann in seiner nationalstaatlichen Ausprägung das Kapital lange Zeit einhegte, ehe dieses im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert erneut nationale Grenzen transzendierte und staatliche Ressourcen so beliebig verschob wie zuvor Menschen und Fabriken, zählt zu den ironischen Wendungen des Buches.
Beckert zeigt, wie im Zeitalter der britischen, niederländischen und anderen Kompanien die Grundlage für die weltweite Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von Baumwolle gelegt wurde, wie Industrialisierungsschübe anderer europäischer Branchen folgten und die gigantische Unternehmung, für die das Bild des Imperiums treffend gewählt ist, im Industriekapitalismus institutionalisiert wurde.
Der Kriegskapitalismus war damit keineswegs gänzlich abgelöst, sondern bestand vielerorts weiter, überlappte und verband sich mit seinem Nachfolger, scheiterte aber, wie in Ägypten, wenn der Übergang nicht gelang oder von europäischen Konkurrenten verhindert wurde. Im Amerikanischen Bürgerkrieg fand das Ancien Régime der Sklaverei, auf deren Fundament die europäische Industrialisierung erbaut worden war, auch deshalb ihr blutiges Ende, weil sie unzeitgemäß geworden war. Das hinderte viele europäische Beobachter nicht, Partei für die Konföderierten zu ergreifen: So hoch waren Freiheit und Menschenleben, noch dazu afrikanische, gar nicht anzusetzen, als dass sie den befürchteten Verlust des einträglichen Baumwollgeschäfts aufwogen.
Dieser blieb indes aus, und das Imperium expandierte nach 1865 gleichermaßen gewaltig wie gewaltsam weiter. Auf dem Höhepunkt der imperialen Expansion wurden im Inneren wie im Äußeren kolonisiert und Räume für Ressourcengewinnung gesichert - von der Vertreibung der Kiowa und Komantschen in den Vereinigten Staaten über die russische "Erschließung" Zentralasiens bis zu den deutschen Kolonialträumen in Togo.
Erzeugung und Verbrauch von Baumwolle wuchsen, nein, sie wucherten. Zugleich aber, und hierin liegt eine weitere Ironie von Beckerts Geschichte, ging die hochimperialistische Phase mit der ökonomischen Integration jener Länder einher, die nach dem Ersten Weltkrieg die Führungsposition in Anbau und Verarbeitung übernehmen sollten, erst Japan, dann China und Indien, wo nicht von ungefähr ein Spinnrad zum Symbol der Dekolonisierung wurde. Die eurozentrische Lesart als Deindustrialisierung ersetzt Beckert durch seine These der "größten Industrialisierungswelle aller Zeiten", obgleich Reindustrialisierung hier richtiger scheint, hatten doch erst die Kolonisatoren die existierenden lokalen Baumwollökonomien zu Rohstofflieferanten degradiert.
Es ist keine schöne und vor allem keine Heldengeschichte, die Beckert erzählt. Zwar treten sie auf, die gewieften Entrepreneure wie der Spinnmaschinenpionier Samuel Greg oder die Liverpooler Kaufmannschaft. Aber die Studie lässt keinen Zweifel daran, dass deren Erfolge der "kriegskapitalistischen" Gewaltpolitik geschuldet waren, und konfrontiert sie mit den horrenden Kosten: der Praxis der Sklaverei ebenso wie der charakteristischen Frauen- und Kinderarbeit.
Die zehnjährige Spinnerin Ellen Hootton, die 1833 vor einem britischen Ausschuss über unzumutbare Arbeitsbedingungen und körperliche Misshandlungen aussagte, gerät Beckert zur Kronzeugin einer Politik der Ausbeutung, die von britischen nicht anders als von japanischen Unternehmern willentlich betrieben und staatlich sanktioniert wurde. Dass die Arbeiterbewegungen in Europa, in den Vereinigten Staaten und an anderen Orten beharrlich Verbesserungen durchsetzten, sollte, global betrachtet, wenig ändern. Die Produzenten wanderten in Billiglohnländer ab, an Hoottons Stelle traten die am Ende des Buchs abgebildeten baumwollpflückenden Jungen in Usbekistan.
All das schildert Beckert engagiert und bewundernswert anschaulich. Seinen weltgeschichtlichen Anspruch einlösend, zeichnet er die Waren- und Menschen-, Kapital- und Informationsströme über Jahrhunderte hinweg nach. Große Linien wechseln ab mit zahlreichen Vignetten, während die Lupe buchstäblich über die Weltkarte gleitet, um etwa den Civil War als globales Ereignis in Chemnitz und Bengalen, im Senegal und in Pernambuco zu erfassen. Dabei profitiert Beckert von der gewaltigen Literaturmasse, die er erschlossen und um klug ausgewählte Archivquellen aus verschiedenen Ecken der Erde angereichert und ergänzt hat.
Nicht alle Fragen werden beantwortet - etwa jene nach den Konsumenten oder warum die einen die anderen kolonisierten und nicht umgekehrt -, und nicht alles ist neu. Doch so umfassend und souverän, so stringent argumentierend, hat man die Geschichte des aus Baumwolle gewobenen Kapitalismus noch nicht gelesen. Am Ende bleibt nur unklar, worauf der Autor seine Hoffnung gründet, die menschliche Organisations- und Anpassungsfähigkeit könne das Baumwollimperium, mithin den Kapitalismus, "gerechter" machen. Die von Beckert so großartig studierte historische Praxis gibt dazu wenig Anlass. King Cotton war und ist ein Raubritter.
Sven Beckert: "King Cotton". Eine Geschichte des globalen Kapitalismus.
Aus dem Amerikanischen von Annabel Zettel und Martin Richter. Verlag C. H. Beck, München 2014. 525 S., Abb., geb., 29,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Sven Beckert lässt in seiner Globalgeschichte des "King Cotton", der Baumwolle, den Gegensatz zwischen "selbstgefälliger Kapitalismusapologie und anti-kapitalistischer Verdammung" hinter sich, lobt Jürgen Osterhammel. Kleinteilig analysiert Beckert den Zusammenhang zwischen der Industrialisierung und dem Imperialismus, schildert die Arbeitsbedingungen in europäischen Fabriken ebenso wie jene auf den Plantagen in Afrika, Nord- und Südamerika, die Rolle des Handels, der Kriegsführung und der Politik mit ihren vielfältigen Verflechtungen, berücksichtigt technische Entwicklungen ebenso wie ideologische, fasst der Rezensent begeistert zusammen. Beckert hat erkannt, dass die Baumwolle, obwohl sie nie "die kulturelle Prominenz des Schafes" erreicht hat, sich auf faszinierende Weise für eine "Kulturgeschichte weltumspannender Stofflichkeit" als Geschichte des Kapitalismus - und umgekehrt - eignet, so Osterhammel.
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"Ein Meisterstück der neuen Globalgeschichte."
Jürgen Osterhammel, Süddeutsche Zeitung
"So umfassend und souverän, so stringent argumentierend, hat man die Geschichte des aus Baumwolle gewobenen Kapitalismus noch nicht gelesen."
Kim Christian Priemel, Frankfurter Allgemeine Zeitung
"Mit 'King Cotton' ist dem Historiker Sven Beckert ein großer Wurf gelungen."
Andreas Eckert, DIE ZEIT
Jürgen Osterhammel, Süddeutsche Zeitung
"So umfassend und souverän, so stringent argumentierend, hat man die Geschichte des aus Baumwolle gewobenen Kapitalismus noch nicht gelesen."
Kim Christian Priemel, Frankfurter Allgemeine Zeitung
"Mit 'King Cotton' ist dem Historiker Sven Beckert ein großer Wurf gelungen."
Andreas Eckert, DIE ZEIT