Nirgends zu Hause -- und auf dem längsten Trail der Welt
Eine junge Wissenschaftlerin, ein angeblicher Halbindianer und ein Drogensüchtiger -für sie alle ist der Appalachian Trail die letzte Chance. Simone muss ihren verweichlichten Freund abschütteln und ihr Bedürfnis, Menschen aus großer Höhe hinabzustoßen. Richard kämpft gegen seine Alkoholsucht. Taz wurde vor kurzem aus dem Gefängnis entlassen. Die drei durchstreifen einzigartige Landschaften, erleben Freundschaft und Liebe, aber auch Neid, Hass und Tod. Und immer wieder stellt sich ihnen die große Frage: Kann der Mensch sich ändern?
"Fern von der Zivilisation zu sein, ist eine spirituelle Erfahrung." T. J. Forrester
"Manchmal lässt T. J. Forrester 'Die Straße' von Cormac McCarthys wie halluzinogene Zuckerwatte erscheinen." A. M. Homes
Eine junge Wissenschaftlerin, ein angeblicher Halbindianer und ein Drogensüchtiger -für sie alle ist der Appalachian Trail die letzte Chance. Simone muss ihren verweichlichten Freund abschütteln und ihr Bedürfnis, Menschen aus großer Höhe hinabzustoßen. Richard kämpft gegen seine Alkoholsucht. Taz wurde vor kurzem aus dem Gefängnis entlassen. Die drei durchstreifen einzigartige Landschaften, erleben Freundschaft und Liebe, aber auch Neid, Hass und Tod. Und immer wieder stellt sich ihnen die große Frage: Kann der Mensch sich ändern?
"Fern von der Zivilisation zu sein, ist eine spirituelle Erfahrung." T. J. Forrester
"Manchmal lässt T. J. Forrester 'Die Straße' von Cormac McCarthys wie halluzinogene Zuckerwatte erscheinen." A. M. Homes
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2014Wandern, um zu morden
T. J. Forrester schickt drei seltsame Gefährten auf den legendären Appalachian Trail
Wer den Appalachian Trail bewältigen will, braucht Zeit, viel Zeit. Während man den klassischen Jakobsweg in etwa vier Wochen bewältigt, braucht man für die legendären dreieinhalbtausend Kilometer durch vierzehn amerikanische Bundesstaaten schon ein halbes Sabbatical. Was läge da näher als die Vorstellung, dass jemand, der im schönsten Indian Summer am Mount Katahdin in Maine ankommt, ein anderer sein wird als der, der im Frühjahr am Springer Mountain in Georgia losmarschiert ist?
Diese Hoffnung trägt zumindest die drei Hauptfiguren in T. J. Forresters Debütroman "Kings of Nowhere". Richard, ein selbsternannter Blackfoot-Indianer inmitten durchweg blonder Verwandtschaft, kämpft nacktwandernd gegen seinen Alkoholismus und die Erwartung der Familie, dass er einmal den Reifenhandel des Vaters übernehmen werde. Der ehemalige Sträfling Taz, der in einigen Kapiteln als Ich-Erzähler auftritt, will in den Appalachen von seiner Drogensucht loskommen, denn "der Appalachian Trail hat keine Gosse". Das Wandern erlebt Taz als neue Art von Rausch: "Manchmal habe ich das Gefühl, völlig kaputt auf den Trail gekommen zu sein und durch ihn Schritt für Schritt wieder aufgebaut zu werden." Und die arbeitslose Wissenschaftlerin Simone hofft auf einen Wandel, der "wie ein Vulkanausbruch sein wird, dessen Glut ihre Gene so schmelzen lässt, dass sie nach deren Erkalten eine völlig andere Person ist". Simone hätte einen solchen Wandel auch dringend nötig, wird sie doch vom Drang beherrscht, Menschen von Brücken oder anderen Höhen hinabzustoßen.
T. J. Forrester ist selbst ein "Thru-Hiker", also einer, der den ganzen Appalachian Trail gelaufen ist; vor dem Schreiben soll er unter anderem als Fischer und Fensterputzer gejobbt haben. Mit 230 Seiten gleicht sein Debütroman freilich eher einer aufregenden Tagesetappe als einem strapaziösen Fernwanderweg. Für Liebhaber von Naturbeschreibungen bietet "Kings of Nowhere" außer einigen Hemlocktannen und Regenbogenforellen nur wenig; es sind die Figuren, die im Mittelpunkt des philosophisch angehauchten Romans stehen, der denjenigen gewidmet ist, "die glauben, die Kraft zu besitzen, ihr Leben zu ändern".
Dieses Motto muss man nach der Lektüre fast als zynisch bezeichnen: Mit humorvoll-spiritueller Sinnsuche à la Hape Kerkelings "Ich bin dann mal weg" oder Bill Brysons "A Walk in the Woods" hat Forresters Roman nur wenig zu tun. Wer auf Forresters Appalachian Trail stets den weißen Markierungen folgt, läuft nicht weniger Gefahr, sein Leben zu verlieren, als jene, die lieber Nebenpfade gehen. Anders als Taz und Richard weiß der Leser früh, dass sich zu den üblichen Gefahren des Trails wie Bären, Schlangen oder tückischem Wurzelwerk in dieser Saison noch ein weiblicher Serienkiller gesellt hat. Bald teilt Taz mit Simone, die sich hier "Never Lost" nennt, sogar das Zelt - und muss sich von ihr weissagen lassen, dass er nach dem Trail doch wieder rückfällig werde. Und wirklich wartet auf Forresters weltlichen Pilger Taz auf dem Mount Katahdin kein Wandel und schon gar kein Sündenablass. Wohl aber die Einsicht in die moralische Formlosigkeit des Menschen, seine Fähigkeit zum Guten wie zum Bösen.
OLIVER PFOHLMANN
T. J. Forrester: "Kings of Nowhere". Roman.
Aus dem Amerikanischen von Teja Schwaner. Blumenbar, Berlin 2013. 236 S., geb., 16,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
T. J. Forrester schickt drei seltsame Gefährten auf den legendären Appalachian Trail
Wer den Appalachian Trail bewältigen will, braucht Zeit, viel Zeit. Während man den klassischen Jakobsweg in etwa vier Wochen bewältigt, braucht man für die legendären dreieinhalbtausend Kilometer durch vierzehn amerikanische Bundesstaaten schon ein halbes Sabbatical. Was läge da näher als die Vorstellung, dass jemand, der im schönsten Indian Summer am Mount Katahdin in Maine ankommt, ein anderer sein wird als der, der im Frühjahr am Springer Mountain in Georgia losmarschiert ist?
Diese Hoffnung trägt zumindest die drei Hauptfiguren in T. J. Forresters Debütroman "Kings of Nowhere". Richard, ein selbsternannter Blackfoot-Indianer inmitten durchweg blonder Verwandtschaft, kämpft nacktwandernd gegen seinen Alkoholismus und die Erwartung der Familie, dass er einmal den Reifenhandel des Vaters übernehmen werde. Der ehemalige Sträfling Taz, der in einigen Kapiteln als Ich-Erzähler auftritt, will in den Appalachen von seiner Drogensucht loskommen, denn "der Appalachian Trail hat keine Gosse". Das Wandern erlebt Taz als neue Art von Rausch: "Manchmal habe ich das Gefühl, völlig kaputt auf den Trail gekommen zu sein und durch ihn Schritt für Schritt wieder aufgebaut zu werden." Und die arbeitslose Wissenschaftlerin Simone hofft auf einen Wandel, der "wie ein Vulkanausbruch sein wird, dessen Glut ihre Gene so schmelzen lässt, dass sie nach deren Erkalten eine völlig andere Person ist". Simone hätte einen solchen Wandel auch dringend nötig, wird sie doch vom Drang beherrscht, Menschen von Brücken oder anderen Höhen hinabzustoßen.
T. J. Forrester ist selbst ein "Thru-Hiker", also einer, der den ganzen Appalachian Trail gelaufen ist; vor dem Schreiben soll er unter anderem als Fischer und Fensterputzer gejobbt haben. Mit 230 Seiten gleicht sein Debütroman freilich eher einer aufregenden Tagesetappe als einem strapaziösen Fernwanderweg. Für Liebhaber von Naturbeschreibungen bietet "Kings of Nowhere" außer einigen Hemlocktannen und Regenbogenforellen nur wenig; es sind die Figuren, die im Mittelpunkt des philosophisch angehauchten Romans stehen, der denjenigen gewidmet ist, "die glauben, die Kraft zu besitzen, ihr Leben zu ändern".
Dieses Motto muss man nach der Lektüre fast als zynisch bezeichnen: Mit humorvoll-spiritueller Sinnsuche à la Hape Kerkelings "Ich bin dann mal weg" oder Bill Brysons "A Walk in the Woods" hat Forresters Roman nur wenig zu tun. Wer auf Forresters Appalachian Trail stets den weißen Markierungen folgt, läuft nicht weniger Gefahr, sein Leben zu verlieren, als jene, die lieber Nebenpfade gehen. Anders als Taz und Richard weiß der Leser früh, dass sich zu den üblichen Gefahren des Trails wie Bären, Schlangen oder tückischem Wurzelwerk in dieser Saison noch ein weiblicher Serienkiller gesellt hat. Bald teilt Taz mit Simone, die sich hier "Never Lost" nennt, sogar das Zelt - und muss sich von ihr weissagen lassen, dass er nach dem Trail doch wieder rückfällig werde. Und wirklich wartet auf Forresters weltlichen Pilger Taz auf dem Mount Katahdin kein Wandel und schon gar kein Sündenablass. Wohl aber die Einsicht in die moralische Formlosigkeit des Menschen, seine Fähigkeit zum Guten wie zum Bösen.
OLIVER PFOHLMANN
T. J. Forrester: "Kings of Nowhere". Roman.
Aus dem Amerikanischen von Teja Schwaner. Blumenbar, Berlin 2013. 236 S., geb., 16,99 [Euro].
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" [U]nterhaltsam wie nachdenklich " Andreas Sommer Andreas Sommer Heilbronner Stimme 20140610
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ernüchtert kehrt Oliver Pfohlmann zurück von dieser Tour auf dem Appalachian Trail. Was der Autor hier in seinem Debütroman recht knapp verhandelt, ist für Pfohlmann zwar nicht weniger, als der Versuch einer Läuterung von Sünde und Verbrechen, erzählerisch jedoch geht der Text wohl eher in Kinderschuhen. Außer ein paar wenigen Naturbeschreibungen kann der Rezensent nicht viel entdecken. Der Autor, mutmaßt er, setzt auf die Figuren als Träger philosophischer Gewissheiten, etwa derjenigen, dass der Mensch moralisch indifferent sei und zum Guten wie zum Bösen fähig.
© Perlentaucher Medien GmbH
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