Als Kirchenvorführung vielleicht akzeptabel - als Kircheneinführung auf keinen Fall
Rosendorfer ist wohl in der Stadt und den Kirchen gewesen, bevor er darüber schrieb, denn Hinweise auf verborgene Kunstwerke oder Zugänge kann man wohl nur geben, wenn man zuvor dort war. Es kommen mir aber
diesbezüglich auch Zweifel, wenn ich etwa lese, daß vor der Kirche Il Gesu "sich die Straßenschlucht des…mehrAls Kirchenvorführung vielleicht akzeptabel - als Kircheneinführung auf keinen Fall
Rosendorfer ist wohl in der Stadt und den Kirchen gewesen, bevor er darüber schrieb, denn Hinweise auf verborgene Kunstwerke oder Zugänge kann man wohl nur geben, wenn man zuvor dort war. Es kommen mir aber diesbezüglich auch Zweifel, wenn ich etwa lese, daß vor der Kirche Il Gesu "sich die Straßenschlucht des Corso Vittorio Emanuele nach der Piazza Venezia das erste mal zu einem Platz" öffne (S. 86): Der Corso Vittorio Emanuele II. beginnt bzw. endet nicht an der Piazza Venezia, sondern eben genau an der Piazza Il Gesu. Die Straße, die von diesem Platz an der Nordseite der Kirche zur Piazza Venezia führt, heißt Via dei Plebicito.
Es ist aber in jedem Falle verdienstvoll und hilfreich, einen handlichen Führer für die Kirchen der heiligen Stadt zusammengestellt zu haben, hält sich aber offenbar für so allwissend, daß er keinerlei Hinweise auf weiterführende Literatur gibt. Eine Handreichung für Kirchenbesucher ist auf vorhandener Literaturgrundlage leicht zu machen. Die Schwierigkeit besteht allerdings darin, auszuwählen, wegzulassen. Da will ich mit Rosendorfer gar nicht streiten.
Genauere Auskunft hätte ich aber schon, woher er das Wissen hat, daß "nicht einmal der Heilige Geist weiß, wieviele Kirchen es in Rom gibt." (S. 5) Um diese intimen Kenntnisse des Heiligen Geistes werden ihn wohl viele beneiden. Das hat ihn wohl auch veranlaßt, einleitend darauf hinzuweisen, daß "sich dieses Buch seiner Natur nach an den katholischen Rombesucher wendet... für Rombesucher gedacht ist, die aus religiösen Gründen in die Stadt reisen... (und es) wurde versucht, bei der Beschreibung der einzelnen Kirchen einen Mittelweg zwischen reiner Baubeschreibung, historischer Darstellung und Andachtsanleitung zu finden" (S. 5f). Nun gut, Versuche können mißlingen. Diese Behauptungen kann ich nämlich im Text zu den Kirchen nicht bestätigt finden. Der katholische Leser wird eher durch immer wieder eingestreute und völlig überflüssige abfällige Bemerkungen verärgert.
Rosendorfer, der ja weß, was der Heilige Geist weiß, hält jegliche Begründung seiner mitunter opaken Ansichten für überflüssig. Das goutiert sicher auch manch einer nicht, der sich keineswegs für einen rechtgläubigen Christen hält. Zahlreiche seiner Bemerkungen sind auf jeden Fall geschmacklos. Mit nahezu gleichförmig immer wieder eingestreuten abwertenden Attributen zu Heiligen und Päpsten wird gewiß auch niemand überzeugt und wer da Rosendorfeers Meinung ist, liest wohl in den seltensten Fällen einen Kirchenführer. Wer sich aber in der Geschichte des Christentums gut auskennt, bemerkt hier schnell die Unredlichkeit des Autors. So halb entschuldigt sich der auch im Vorwort: "Sollte ein Leser oder eine Leserin über manchen kritischen Ton (namentlich in den Heiligenviten) erstaunt sein, erlaubt sich der Autor darauf hinzuweisen, daß auch Skepsis zum Glauben gehört. Wir brauchen dort noch nicht zu glauben, wo wir noch wissen können." (S. 6) Gewiß! Ein Bemühen, Glauben und Wissen zu versöhnen, ist nicht unbedingt von jedem zu verlangen, unter der Fahne "Wissen" Vorurteile vorzutragen, ist aber doch ein wenig arg.
Rosendorfer hätte, anstatt den Leser mit Meinungsbrocken abzuspeisen, vielleicht besser eine kritische Geschichte der Heiligen, der Päpste, des Christentums schreiben sollen. Solche gibt es aber schon zur Genüge. Ich glaube auch nicht, daß ich ein solches Buch von Rosendorfer lesen würde, denn um damit einen erbaulichen Genuß zu vermitteln, fehlt ihm die heitere Gelassenheit des Katholiken, der sich der Seligkeit gewiß ist.
"Andachtsanleitung" gibt Rosendorfer überhaupt keine. Wie könnte er auch! Hilfsstellung bieten hier ja auch hinreichend Pilgerwerke und andere fromme Einrichtungen. Insofern ist Rosendorfers Buch völlig überflüssig.