'Riveting ... this will be his masterpiece' - Andrew Roberts, The New York Times
'For big, bold and compelling, it is impossible to ignore Kissinger' - John Bew, New Statesman, Books of the Year
'This is a superb history of the modern world as well as a biography of Kissinger ... a tour de force' William Shawcross, The Times
No American statesman has been as revered and as reviled as Henry Kissinger. Hailed by some as the "indispensable man", whose advice has been sought by every president from John F. Kennedy to George W. Bush, Kissinger has also attracted immense hostility from critics who have cast him as an amoral Machiavellian - the ultimate cold-blooded "realist".
In this remarkable new book, the first of two volumes, Niall Ferguson has created an extraordinary panorama of Kissinger's world, and a paradigm-shifting reappraisal of the man. Only through knowledge of Kissinger's early life (as a Jew in Hitler's Germany, a poor immigrant in New York, a GI at the Battle of the Bulge, an interrogator of Nazis, and a student of history at Harvard) can we understand his debt to the philosophy of idealism.
And only by tracing his rise, fall and revival as an adviser to Kennedy, Nelson Rockefeller and, finally, Richard Nixon can we appreciate the magnitude of his contribution to the theory of diplomacy, grand strategy and nuclear deterrence.
Drawing not only on Kissinger's hitherto closed private papers but also on documents from more than a hundred archives around the world, this biography is Niall Ferguson's masterpiece. Like his classic two-volume history of the House of Rothschild, Kissinger sheds dazzling new light on an entire era.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
'For big, bold and compelling, it is impossible to ignore Kissinger' - John Bew, New Statesman, Books of the Year
'This is a superb history of the modern world as well as a biography of Kissinger ... a tour de force' William Shawcross, The Times
No American statesman has been as revered and as reviled as Henry Kissinger. Hailed by some as the "indispensable man", whose advice has been sought by every president from John F. Kennedy to George W. Bush, Kissinger has also attracted immense hostility from critics who have cast him as an amoral Machiavellian - the ultimate cold-blooded "realist".
In this remarkable new book, the first of two volumes, Niall Ferguson has created an extraordinary panorama of Kissinger's world, and a paradigm-shifting reappraisal of the man. Only through knowledge of Kissinger's early life (as a Jew in Hitler's Germany, a poor immigrant in New York, a GI at the Battle of the Bulge, an interrogator of Nazis, and a student of history at Harvard) can we understand his debt to the philosophy of idealism.
And only by tracing his rise, fall and revival as an adviser to Kennedy, Nelson Rockefeller and, finally, Richard Nixon can we appreciate the magnitude of his contribution to the theory of diplomacy, grand strategy and nuclear deterrence.
Drawing not only on Kissinger's hitherto closed private papers but also on documents from more than a hundred archives around the world, this biography is Niall Ferguson's masterpiece. Like his classic two-volume history of the House of Rothschild, Kissinger sheds dazzling new light on an entire era.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.04.2016Das letzte Gefecht
Niall Ferguson schreitet zur Verteidigung Henry Kissingers. In dessen Archiv fand er reichlich Munition für seine Thesen
Zweifellos herrscht kein Mangel an Büchern von und über Henry Kissinger. Die Auswahl ist so überwältigend, dass sie zwangsläufig in einer Verwirrung enden muss: Was genau also sollte man lesen, um diesen Mann zu verstehen und fair beurteilen zu können? Zur schieren Masse kommt die nicht nachlassende Polarisierung im politischen Urteil. Henry Kissinger scheint immer noch alles gleichzeitig zu sein: Faust und Mephistopheles, Machiavelli und Kant, Metternich und Wilson. Kissinger hat wahrlich eine beeindruckende Bandbreite zu bieten, die vom vermeintlichen Kriegsverbrecher bis zum Friedensnobelpreisträger reicht. Von dieser Art Mensch gibt es nicht viele auf der Welt.
Nun kommt also im 93. Lebensjahr dieser Über-Figur eine Biografie auf den Markt, die erstens den Stempel „offiziell“ trägt und zweitens mit mehr als eintausend Seiten auch haptisch einen monumentalen Anspruch erhebt. Dabei endet sie im 45. Lebensjahr Kissingers, mit dem Antritt seines ersten Regierungsamtes. Die Knüller-Jahre stehen also noch aus – und werden in einem zweiten Band bearbeitet. Über dessen Umfang will man gar nicht nachdenken.
Der Biograf, der illustre britische Historiker Niall Ferguson, wurde von Kissinger selbst gebeten, dessen Lebenswerk aufzuschreiben. Als Anreiz wurde ihm Zugang zu vielen neuen Dokumenten geboten, vor allem aus der privaten Sammlung Kissingers, also Tagebuchaufzeichnungen, Briefe, Redemanuskripte, nicht veröffentlichte Aufsätze, Buchfragmente. Ferguson, einem großen Wurf und der Nähe zu großen Namen niemals abgeneigt, hat außerdem mit einem Mitarbeiterstab in einhundert Archiven weltweit eine beeindruckende elektronische Datei rund um die Person Kissinger und dessen Zeit aufgebaut. An historischer Feuerkraft fehlte es also nicht, an Nähe auch nicht und offensichtlich vor allem nicht am Willen, ein für allemal Klarheit zu schaffen über den wahren Doktor Kissinger. Der müsste ohne sein robustes Selbstbewusstsein schon längst an einer Persönlichkeitsspaltung leiden, nähme er sich die Deutungskakofonie zu Herzen.
Ferguson treibt den Kissinger-Wahnsinn freilich noch ein paar Umdrehungen weiter, indem er seinem Buch den Untertitel „Der Idealist“ gibt und damit das Leitmotiv benennt, das seine Arbeit durchzieht: Nein, Kissinger sei eben nicht der eiskalte Realist, der Macht über alles stellt und gewissenlos handelt. Vielmehr handele es sich bei ihm um einen Idealisten im Sinne Kants, einen von der Geschichtsphilosophie des deutschen Denkers durchdrungenen Akteur, der all sein Handeln den großen Sehnsüchten des Menschen unterordnet: Freiheit und Gerechtigkeit, dem Drang zum ewigen Frieden.
Wer jetzt lächelt, kennt seinen Kissinger nicht, denn in der Tat war der junge Wissenschaftler und Harvard-Professor einer der eminenten Denker seiner Zeit, ein Mann, der politische Philosophie und Geschichtsphilosophie mit großen Löffeln verschlang und zur Grundlage seiner Arbeit machte. Kissinger beweist in seinen Texten, auch den späten Büchern, dass sein Antrieb stets aus der Spannung seiner idealistischen Ziele und dem pragmatischen, sehr kühl abwägenden Realismus seiner politischen To-do-Liste herrührt.
Ferguson trägt deshalb dick auf, wenn er immer wieder die Spuren des Idealisten freilegt und mithilfe seiner unendlichen Zitatesammlung die These untermauert. Das hat prompt die großen Namen der politischen Theorie auf den Plan gebracht, die dem Historiker eine Lektion in Realismus- und Idealismus-Forschung verpassen wollen. Der Streit ist wissenschaftlich unterhaltsam, legt aber auch die zentrale Schwäche Fergusons offen. In seinem Wunsch, ein für allemal die Schlangengrube um Kissinger zu deckeln, wuchtet Ferguson eine gewaltige Grabplatte in die Höhe. Er ist so sehr verliebt in seine These, dass er gar nicht merkt, wie er selbst taumelt und in die Grube zu stürzen droht. Ob er dort auch wirklich endet, kann der Leser erst nach Band zwei wissen, der allerdings ohne eine Beschreibung des Realisten Kissinger sehr schmal ausfallen dürfte.
Tatsächlich ist Kissinger beides: Realist und Idealist. Er baut seine sehr kühle und kalkulierende Außenpolitik auf ein beeindruckendes gedankliches und geschichtsphilosophisches Fundament. Es ist Fergusons Verdienst, diese prägende Lebensphase in der Wissenschaft aus allen Perspektiven durchdrungen zu haben. Davor schildert er ausführlich die Kindheit Kissingers in Fürth, die Flucht der Familie in die USA, die emotionsarme Entkopplung des jüdischen Emigranten von seiner einstigen Heimat, die er dann als Soldat in ebenso kühler Distanz (aber mit klarem Blick) bald wiedersehen sollte.
Hier liegen die Stärken des Buches, weil der Mensch Kissinger noch zu sehen ist, der später immer mehr hinter Texten, Briefen, Dossiers, strategischen Analysen und taktischen Spielchen verschwindet. Kissinger, der Großmeister der Vieldeutigkeit, immer wieder neu zu interpretieren, immer mysteriös aber auch spannend, reift heran. Sichtbar wird aber auch eine Zeit, in der die Beziehung zwischen Staaten von Mittels- und Gewährsmännern, Strippenziehern, Telegrammschreibern und spekulierenden Diplomaten gestrickt wurde. Eine Zeit, die Kissinger mit erfunden hat.
Kissinger, das wird schnell klar, beherrschte das Spiel in den Hinterzimmern der Macht. Seine eigene Macht steigerte er, indem er die politische Unterwerfung verweigert und so mühelos zwischen den Lagern oszilliert. Vielleicht war er deshalb auch so überrascht, als ihm Präsident Richard Nixon 1968 den Posten des Nationalen Sicherheitsberaters anbot.
Vorausgegangen war allerdings eine Episode, die außer der Idealisten-Kontroverse den zweiten Streit um dieses Buchs auslösen wird. Kissinger wird beschuldigt, im aufgeregten Revolutionsjahr 1968 die in Paris laufenden Friedensgespräche zwischen den vietnamesischen Kriegsparteien für ein mieses wahltaktisches Manöver genutzt zu haben. Er soll Details der Gespräche an Nixons Lager weitergereicht haben, das dann seinerseits Einfluss auf die südvietnamesischen Verhandler nahm. Der Deal: Wenn die Südvietnamesen zögern, bekommen sie nach der Präsidentschaftswahl von Nixon bessere Konditionen.
Die These gehört zur Anklageschrift der Kissinger-Gegner, und Ferguson spart nicht an Papier, sie zu widerlegen. In geradezu epischer Breite schildert er die Rolle Kissingers bei den Pariser Gesprächen 1968 (unbedeutend) und seine Naivität im Umgang mit den vietnamesischen Verhandlern in den Jahren zuvor. Er beschreibt überzeugend die logischen Brüche in der Anklage gegen Kissinger und trommelt geradezu an die Richterbank mit dem Begehr nach einem Freispruch. Besonders überzeugend ist seine Analyse der Motive der Vietnamesen selbst.
Den Freispruch wird es freilich so schnell nicht geben. Ferguson ist Anwalt und Kronzeuge in einer Person, seine Beweisführung – nicht nur in Sachen Vietnam – ist erschlagend und detailreich. Aber er überfordert seine Leser. Besessen hetzt er von Zitat zu Zitat, von Namen zu Namen – und unterschätzt dabei das Bedürfnis, auch einmal die Sache aus sicherer Distanz betrachten zu wollen. So gerät das Buch zu einer Munitionskammer für alle, die sich auf die letzte Deutungsschlacht um die Person Henry Kissinger einstellen. Sie werden Ferguson lesen müssen. Wer ein faires Urteil in Kurzform erwartet, muss sich noch gedulden.
STEFAN KORNELIUS
Der Autor trommelt geradezu
an die Richterbank mit dem
Begehr nach einem Freispruch
Niall Ferguson:
Kissinger. Der Idealist 1923–1968. Aus dem
Englischen von Werner Roller und Michael Bayer.
Propyläen-Verlag, Berlin 2016, 1120 Seiten. 49 Euro.
Selbstbespiegelung: Ein Idealist? Ein Realist? Ein Kriegstreiber? Henry Kissinger im Jahr 1973 in Paris.
Foto: Keystone/Getty Images
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Niall Ferguson schreitet zur Verteidigung Henry Kissingers. In dessen Archiv fand er reichlich Munition für seine Thesen
Zweifellos herrscht kein Mangel an Büchern von und über Henry Kissinger. Die Auswahl ist so überwältigend, dass sie zwangsläufig in einer Verwirrung enden muss: Was genau also sollte man lesen, um diesen Mann zu verstehen und fair beurteilen zu können? Zur schieren Masse kommt die nicht nachlassende Polarisierung im politischen Urteil. Henry Kissinger scheint immer noch alles gleichzeitig zu sein: Faust und Mephistopheles, Machiavelli und Kant, Metternich und Wilson. Kissinger hat wahrlich eine beeindruckende Bandbreite zu bieten, die vom vermeintlichen Kriegsverbrecher bis zum Friedensnobelpreisträger reicht. Von dieser Art Mensch gibt es nicht viele auf der Welt.
Nun kommt also im 93. Lebensjahr dieser Über-Figur eine Biografie auf den Markt, die erstens den Stempel „offiziell“ trägt und zweitens mit mehr als eintausend Seiten auch haptisch einen monumentalen Anspruch erhebt. Dabei endet sie im 45. Lebensjahr Kissingers, mit dem Antritt seines ersten Regierungsamtes. Die Knüller-Jahre stehen also noch aus – und werden in einem zweiten Band bearbeitet. Über dessen Umfang will man gar nicht nachdenken.
Der Biograf, der illustre britische Historiker Niall Ferguson, wurde von Kissinger selbst gebeten, dessen Lebenswerk aufzuschreiben. Als Anreiz wurde ihm Zugang zu vielen neuen Dokumenten geboten, vor allem aus der privaten Sammlung Kissingers, also Tagebuchaufzeichnungen, Briefe, Redemanuskripte, nicht veröffentlichte Aufsätze, Buchfragmente. Ferguson, einem großen Wurf und der Nähe zu großen Namen niemals abgeneigt, hat außerdem mit einem Mitarbeiterstab in einhundert Archiven weltweit eine beeindruckende elektronische Datei rund um die Person Kissinger und dessen Zeit aufgebaut. An historischer Feuerkraft fehlte es also nicht, an Nähe auch nicht und offensichtlich vor allem nicht am Willen, ein für allemal Klarheit zu schaffen über den wahren Doktor Kissinger. Der müsste ohne sein robustes Selbstbewusstsein schon längst an einer Persönlichkeitsspaltung leiden, nähme er sich die Deutungskakofonie zu Herzen.
Ferguson treibt den Kissinger-Wahnsinn freilich noch ein paar Umdrehungen weiter, indem er seinem Buch den Untertitel „Der Idealist“ gibt und damit das Leitmotiv benennt, das seine Arbeit durchzieht: Nein, Kissinger sei eben nicht der eiskalte Realist, der Macht über alles stellt und gewissenlos handelt. Vielmehr handele es sich bei ihm um einen Idealisten im Sinne Kants, einen von der Geschichtsphilosophie des deutschen Denkers durchdrungenen Akteur, der all sein Handeln den großen Sehnsüchten des Menschen unterordnet: Freiheit und Gerechtigkeit, dem Drang zum ewigen Frieden.
Wer jetzt lächelt, kennt seinen Kissinger nicht, denn in der Tat war der junge Wissenschaftler und Harvard-Professor einer der eminenten Denker seiner Zeit, ein Mann, der politische Philosophie und Geschichtsphilosophie mit großen Löffeln verschlang und zur Grundlage seiner Arbeit machte. Kissinger beweist in seinen Texten, auch den späten Büchern, dass sein Antrieb stets aus der Spannung seiner idealistischen Ziele und dem pragmatischen, sehr kühl abwägenden Realismus seiner politischen To-do-Liste herrührt.
Ferguson trägt deshalb dick auf, wenn er immer wieder die Spuren des Idealisten freilegt und mithilfe seiner unendlichen Zitatesammlung die These untermauert. Das hat prompt die großen Namen der politischen Theorie auf den Plan gebracht, die dem Historiker eine Lektion in Realismus- und Idealismus-Forschung verpassen wollen. Der Streit ist wissenschaftlich unterhaltsam, legt aber auch die zentrale Schwäche Fergusons offen. In seinem Wunsch, ein für allemal die Schlangengrube um Kissinger zu deckeln, wuchtet Ferguson eine gewaltige Grabplatte in die Höhe. Er ist so sehr verliebt in seine These, dass er gar nicht merkt, wie er selbst taumelt und in die Grube zu stürzen droht. Ob er dort auch wirklich endet, kann der Leser erst nach Band zwei wissen, der allerdings ohne eine Beschreibung des Realisten Kissinger sehr schmal ausfallen dürfte.
Tatsächlich ist Kissinger beides: Realist und Idealist. Er baut seine sehr kühle und kalkulierende Außenpolitik auf ein beeindruckendes gedankliches und geschichtsphilosophisches Fundament. Es ist Fergusons Verdienst, diese prägende Lebensphase in der Wissenschaft aus allen Perspektiven durchdrungen zu haben. Davor schildert er ausführlich die Kindheit Kissingers in Fürth, die Flucht der Familie in die USA, die emotionsarme Entkopplung des jüdischen Emigranten von seiner einstigen Heimat, die er dann als Soldat in ebenso kühler Distanz (aber mit klarem Blick) bald wiedersehen sollte.
Hier liegen die Stärken des Buches, weil der Mensch Kissinger noch zu sehen ist, der später immer mehr hinter Texten, Briefen, Dossiers, strategischen Analysen und taktischen Spielchen verschwindet. Kissinger, der Großmeister der Vieldeutigkeit, immer wieder neu zu interpretieren, immer mysteriös aber auch spannend, reift heran. Sichtbar wird aber auch eine Zeit, in der die Beziehung zwischen Staaten von Mittels- und Gewährsmännern, Strippenziehern, Telegrammschreibern und spekulierenden Diplomaten gestrickt wurde. Eine Zeit, die Kissinger mit erfunden hat.
Kissinger, das wird schnell klar, beherrschte das Spiel in den Hinterzimmern der Macht. Seine eigene Macht steigerte er, indem er die politische Unterwerfung verweigert und so mühelos zwischen den Lagern oszilliert. Vielleicht war er deshalb auch so überrascht, als ihm Präsident Richard Nixon 1968 den Posten des Nationalen Sicherheitsberaters anbot.
Vorausgegangen war allerdings eine Episode, die außer der Idealisten-Kontroverse den zweiten Streit um dieses Buchs auslösen wird. Kissinger wird beschuldigt, im aufgeregten Revolutionsjahr 1968 die in Paris laufenden Friedensgespräche zwischen den vietnamesischen Kriegsparteien für ein mieses wahltaktisches Manöver genutzt zu haben. Er soll Details der Gespräche an Nixons Lager weitergereicht haben, das dann seinerseits Einfluss auf die südvietnamesischen Verhandler nahm. Der Deal: Wenn die Südvietnamesen zögern, bekommen sie nach der Präsidentschaftswahl von Nixon bessere Konditionen.
Die These gehört zur Anklageschrift der Kissinger-Gegner, und Ferguson spart nicht an Papier, sie zu widerlegen. In geradezu epischer Breite schildert er die Rolle Kissingers bei den Pariser Gesprächen 1968 (unbedeutend) und seine Naivität im Umgang mit den vietnamesischen Verhandlern in den Jahren zuvor. Er beschreibt überzeugend die logischen Brüche in der Anklage gegen Kissinger und trommelt geradezu an die Richterbank mit dem Begehr nach einem Freispruch. Besonders überzeugend ist seine Analyse der Motive der Vietnamesen selbst.
Den Freispruch wird es freilich so schnell nicht geben. Ferguson ist Anwalt und Kronzeuge in einer Person, seine Beweisführung – nicht nur in Sachen Vietnam – ist erschlagend und detailreich. Aber er überfordert seine Leser. Besessen hetzt er von Zitat zu Zitat, von Namen zu Namen – und unterschätzt dabei das Bedürfnis, auch einmal die Sache aus sicherer Distanz betrachten zu wollen. So gerät das Buch zu einer Munitionskammer für alle, die sich auf die letzte Deutungsschlacht um die Person Henry Kissinger einstellen. Sie werden Ferguson lesen müssen. Wer ein faires Urteil in Kurzform erwartet, muss sich noch gedulden.
STEFAN KORNELIUS
Der Autor trommelt geradezu
an die Richterbank mit dem
Begehr nach einem Freispruch
Niall Ferguson:
Kissinger. Der Idealist 1923–1968. Aus dem
Englischen von Werner Roller und Michael Bayer.
Propyläen-Verlag, Berlin 2016, 1120 Seiten. 49 Euro.
Selbstbespiegelung: Ein Idealist? Ein Realist? Ein Kriegstreiber? Henry Kissinger im Jahr 1973 in Paris.
Foto: Keystone/Getty Images
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.05.2016Was Macht ausmacht . . .
Henry Kissinger lässt sich von Niall Ferguson biographisch würdigen: Teil I bis 1968
Der Mann polarisiert. Kaum ein zweiter Gelehrter und Publizist, Politiker und Diplomat hat während seiner aktiven Zeit so für oder gegen sich eingenommen wie Henry Kissinger. Auf die eine oder andere Art und Weise war er immer präsent. Wer da mit einer gleich zweibändigen Biographie und dem Anspruch antritt, das definitive Porträt vorzulegen, muss schon schweres Geschütz auffahren.
Niall Ferguson, der an der Harvard University Neuere Geschichte lehrt, fährt es auf. Mehr als zehn Jahre hat er an dem Buch gearbeitet, und es war der Protagonist selbst, der ihm den Auftrag erteilte. Kissinger war durch eine originelle Darstellung des Ersten Weltkrieges auf den damals in Oxford lehrenden Ferguson aufmerksam geworden und bot ihm das Vorhaben an, nachdem ein britischer Kollege kalte Füße bekommen und den bereits angenommenen Auftrag zurückgegeben hatte. Auch Ferguson lehnte zunächst ab, besann sich dann aber eines anderen, als Kissinger ihm schrieb, dass soeben 165 verloren geglaubte Kisten mit seinen Akten - Schriften, Briefe, Tagebücher - wiederaufgetaucht seien. Was für ein Fundament. Ergänzend haben der Autor und sein Forschungsassistent "Material aus 111 Archiven in aller Welt" gesichtet, und natürlich hat Ferguson etliche Gespräche mit Zeitzeugen, allen voran mit Kissinger selbst, geführt.
Weil er davon ausgeht, dass "feindselige Kritiker" ihm eine mehr oder weniger direkte Einflussnahme durch seinen Auftraggeber vorhalten werden, hat sich Ferguson entschlossen, die einschlägigen Partien der "rechtlichen Übereinkunft" zwischen ihnen zu zitieren. Danach ist der Übereigner, also Kissinger, nicht berechtigt, "das abgeschlossene Werk zu prüfen, zu bearbeiten, zu ergänzen oder seine Veröffentlichung zu verhindern". Das zeugt von einem hohen gegenseitigen Vertrauen und vom souveränen Selbstbewusstsein eines Mannes, der nichts oder nichts mehr zu verbergen hat. Tatsächlich ist ja auch schon fast alles bekannt, weil nicht nur vieles in veröffentlichten Quellen aller Art nachzulesen ist und sich etliche Historiker mit dieser schillernden Figur befasst haben, sondern weil sich Henry Kissinger auch selbst immer wieder autobiographisch geäußert und allein zwei voluminöse Bände mit Erinnerungen an seine Zeit als amerikanischer Sicherheitsberater und Außenminister gefüllt hat.
Wer mithin von Ferguson Spektakuläres erwartet, wird zwangsläufig enttäuscht. Jedenfalls im ersten Band. Wer Freude an originellen und erhellenden Facetten und Nuancen und an einem satten Bild des Mannes und seiner Zeit hat, wird vorzüglich bedient. Schon weil er seinen Helden immer auch durch die Brille seiner Zeitgenossen sieht, weil er nicht nur den Karrieristen, sondern auch den Ehemann, Vater oder Freund im Blick hat, zeichnet Ferguson ein dichtes und lebhaftes, authentisches und durchaus kritisches Porträt des ungewöhnlich vielseitigen und umtriebigen Menschen.
Seine Entscheidung, den ersten Band auf die Zeit bis zur Ernennung Kissingers zum Nationalen Sicherheitsberater von Präsident Richard Nixon zu begrenzen, ist in der Sache gut begründet. Denn bis 1969 war er nach Einschätzung seines Biographen nicht zuletzt "einer der wichtigsten Theoretiker der Außenpolitik, die die Vereinigten Staaten von Amerika jemals hervorgebracht haben". So gesehen, wäre das Buch "auch dann noch der Mühe wert gewesen, wenn Kissinger niemals ein Regierungsamt angetreten hätte".
Ende Mai 1923 in Fürth geboren und im jüdischen Milieu der fränkischen Provinz aufgewachsen, ändern sich die Lebensumstände des Zehnjährigen schlagartig, als der Vater wenige Monate nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten als Lehrer zwangsbeurlaubt wird. Doch erst in letzter Minute treten er, seine Frau und die beiden Söhne im August 1938 die wohl lebensrettende Reise ins amerikanische Exil an. Welche Wege Henry Kissinger unter anderen Umständen in Deutschland eingeschlagen hätte, weiß man nicht. Aber sein Biograph zeigt, dass er in den Vereinigten Staaten seine Chancen nutzt, wo und sobald sie sich bieten. Er ist, so gesehen, der klassische Aufsteiger. Im Herbst 1944 kommt der Einundzwanzigjährige als Angehöriger der amerikanischen Streitkräfte zurück nach Deutschland, ist dort in verschiedenen Funktionen, zuletzt bei der Gegenspionage, tätig - und lernt in seiner Einheit Fritz Gustav Anton Kraemer kennen. Der gleichfalls in Deutschland geborene Jurist und Politologe wird zum Förderer - zu seinem ersten, muss man sagen. Denn Ferguson kann zeigen, dass Kissinger auf entscheidenden Etappen seiner frühen Karriere stets einen solchen an der Seite hatte.
Nach dem Geostrategen Fritz Kraemer ist es der Historiker William Yandell Elliott, der ihn nach der Aufnahme des Studiums der Regierungslehre und der Philosophie unter seine Fittiche nimmt, gefolgt vom Politikwissenschaftler und Politikberater McGeorge Bundy, der ihn in den Beraterkreis von Präsident John F. Kennedy bringt, und schließlich Nelson Rockefeller, der als Gouverneur von New York dafür sorgt, dass Kissinger als gutdotierter Berater ein zweites Standbein neben seiner akademischen Karriere hat, und das heißt auch: Der Mann berät Anfang der sechziger Jahre gleichzeitig den demokratischen Präsidenten und "bei Bedarf" auch dessen prospektiven republikanischen Herausforderer.
Das Fundament dieser unglaublichen Karriere legt Kissinger in Harvard. Hier reicht er 1950 unter dem ambitionierten Titel "The Meaning of History" seine Bachelorarbeit ein, die mit knapp 400 Seiten "als längste Abschlussarbeit aller Zeiten in die Geschichte Harvards eingegangen" ist, 1954 gefolgt von seiner Dissertation über das europäische Mächtesystem im Umfeld des Wiener Kongresses von 1815. Damit hat der Einunddreißigjährige sein Lebensthema gefunden: Was ist Macht? Wie geht man mit ihr um? Wo liegen ihre Grenzen, und wann weiß man, dass sie überschritten sind?
Inzwischen arbeitet Kissinger an einem beispiellos dichten Netzwerk, bereist regelmäßig Europas Metropolen, gründet seine eigene Zeitschrift, "Confluence", leitet in Harvard die hochkarätig besetzten internationalen Sommerkurse und im New Yorker Council on Foreign Relations die Studiengruppe "Nuclear Weapons and Foreign Policy". 1957 setzt er mit einem gleichnamigen Buch die These vom "begrenzten" und damit führbaren Krieg als "politischem Akt" in die Welt. Jetzt ist Kissinger da, wo er hinwollte: im Zentrum der politischen Debatte und damit auf dem Sprung ins Zentrum der Macht.
Dass er dort über alle möglichen Zwischenstufen, Umwege, auch Rückschläge ausgerechnet mit dem Beginn der Präsidentschaft Richard Nixons ankommt, war so nicht zu erwarten. Denn die beiden Männer waren sich, wie Ferguson plausibel zeigt, "nicht gerade zugetan" und auch "eine unwahrscheinliche Kombination". Ausschlaggebend für die Berufung Kissingers ist, dass er dem gegenüber der amtlichen Außenpolitik zutiefst skeptischen Nixon die "Blaupause" für eine "radikale Überholung des außenpolitischen Planungs- und Entscheidungssystems" lieferte. Endgültig nicht mehr haltbar ist hingegen das hartnäckig kolportierte Gerücht, Kissinger habe Nixon bei der Sabotage der Pariser Friedensgespräche über Vietnam und damit bei der Demontage des demokratischen Gegenkandidaten geholfen.
Mit der Übernahme des Amtes eines Nationalen Sicherheitsberaters schließt Ferguson das erste Kapitel im Leben des Henry Kissinger, dessen "Bildungsroman". Bislang reflektierte er über die Macht, jetzt hat er sie - und zahlt dafür einen Preis. "In Ihrer beängstigend verantwortungsvollen neuen Stellung werden Sie ein einsamer Mann sein", schreibt ihm sein früher Förderer Fritz Kraemer, wie stets auf Deutsch, am 9. Dezember 1968. Man darf gespannt sein, zu welchem Ergebnis sein Biograph kommen wird.
GREGOR SCHÖLLGEN
Niall Ferguson: Kissinger 1923-1968: der Idealist. Ullstein Verlag, Berlin 2016. 1120 S., 49,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Henry Kissinger lässt sich von Niall Ferguson biographisch würdigen: Teil I bis 1968
Der Mann polarisiert. Kaum ein zweiter Gelehrter und Publizist, Politiker und Diplomat hat während seiner aktiven Zeit so für oder gegen sich eingenommen wie Henry Kissinger. Auf die eine oder andere Art und Weise war er immer präsent. Wer da mit einer gleich zweibändigen Biographie und dem Anspruch antritt, das definitive Porträt vorzulegen, muss schon schweres Geschütz auffahren.
Niall Ferguson, der an der Harvard University Neuere Geschichte lehrt, fährt es auf. Mehr als zehn Jahre hat er an dem Buch gearbeitet, und es war der Protagonist selbst, der ihm den Auftrag erteilte. Kissinger war durch eine originelle Darstellung des Ersten Weltkrieges auf den damals in Oxford lehrenden Ferguson aufmerksam geworden und bot ihm das Vorhaben an, nachdem ein britischer Kollege kalte Füße bekommen und den bereits angenommenen Auftrag zurückgegeben hatte. Auch Ferguson lehnte zunächst ab, besann sich dann aber eines anderen, als Kissinger ihm schrieb, dass soeben 165 verloren geglaubte Kisten mit seinen Akten - Schriften, Briefe, Tagebücher - wiederaufgetaucht seien. Was für ein Fundament. Ergänzend haben der Autor und sein Forschungsassistent "Material aus 111 Archiven in aller Welt" gesichtet, und natürlich hat Ferguson etliche Gespräche mit Zeitzeugen, allen voran mit Kissinger selbst, geführt.
Weil er davon ausgeht, dass "feindselige Kritiker" ihm eine mehr oder weniger direkte Einflussnahme durch seinen Auftraggeber vorhalten werden, hat sich Ferguson entschlossen, die einschlägigen Partien der "rechtlichen Übereinkunft" zwischen ihnen zu zitieren. Danach ist der Übereigner, also Kissinger, nicht berechtigt, "das abgeschlossene Werk zu prüfen, zu bearbeiten, zu ergänzen oder seine Veröffentlichung zu verhindern". Das zeugt von einem hohen gegenseitigen Vertrauen und vom souveränen Selbstbewusstsein eines Mannes, der nichts oder nichts mehr zu verbergen hat. Tatsächlich ist ja auch schon fast alles bekannt, weil nicht nur vieles in veröffentlichten Quellen aller Art nachzulesen ist und sich etliche Historiker mit dieser schillernden Figur befasst haben, sondern weil sich Henry Kissinger auch selbst immer wieder autobiographisch geäußert und allein zwei voluminöse Bände mit Erinnerungen an seine Zeit als amerikanischer Sicherheitsberater und Außenminister gefüllt hat.
Wer mithin von Ferguson Spektakuläres erwartet, wird zwangsläufig enttäuscht. Jedenfalls im ersten Band. Wer Freude an originellen und erhellenden Facetten und Nuancen und an einem satten Bild des Mannes und seiner Zeit hat, wird vorzüglich bedient. Schon weil er seinen Helden immer auch durch die Brille seiner Zeitgenossen sieht, weil er nicht nur den Karrieristen, sondern auch den Ehemann, Vater oder Freund im Blick hat, zeichnet Ferguson ein dichtes und lebhaftes, authentisches und durchaus kritisches Porträt des ungewöhnlich vielseitigen und umtriebigen Menschen.
Seine Entscheidung, den ersten Band auf die Zeit bis zur Ernennung Kissingers zum Nationalen Sicherheitsberater von Präsident Richard Nixon zu begrenzen, ist in der Sache gut begründet. Denn bis 1969 war er nach Einschätzung seines Biographen nicht zuletzt "einer der wichtigsten Theoretiker der Außenpolitik, die die Vereinigten Staaten von Amerika jemals hervorgebracht haben". So gesehen, wäre das Buch "auch dann noch der Mühe wert gewesen, wenn Kissinger niemals ein Regierungsamt angetreten hätte".
Ende Mai 1923 in Fürth geboren und im jüdischen Milieu der fränkischen Provinz aufgewachsen, ändern sich die Lebensumstände des Zehnjährigen schlagartig, als der Vater wenige Monate nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten als Lehrer zwangsbeurlaubt wird. Doch erst in letzter Minute treten er, seine Frau und die beiden Söhne im August 1938 die wohl lebensrettende Reise ins amerikanische Exil an. Welche Wege Henry Kissinger unter anderen Umständen in Deutschland eingeschlagen hätte, weiß man nicht. Aber sein Biograph zeigt, dass er in den Vereinigten Staaten seine Chancen nutzt, wo und sobald sie sich bieten. Er ist, so gesehen, der klassische Aufsteiger. Im Herbst 1944 kommt der Einundzwanzigjährige als Angehöriger der amerikanischen Streitkräfte zurück nach Deutschland, ist dort in verschiedenen Funktionen, zuletzt bei der Gegenspionage, tätig - und lernt in seiner Einheit Fritz Gustav Anton Kraemer kennen. Der gleichfalls in Deutschland geborene Jurist und Politologe wird zum Förderer - zu seinem ersten, muss man sagen. Denn Ferguson kann zeigen, dass Kissinger auf entscheidenden Etappen seiner frühen Karriere stets einen solchen an der Seite hatte.
Nach dem Geostrategen Fritz Kraemer ist es der Historiker William Yandell Elliott, der ihn nach der Aufnahme des Studiums der Regierungslehre und der Philosophie unter seine Fittiche nimmt, gefolgt vom Politikwissenschaftler und Politikberater McGeorge Bundy, der ihn in den Beraterkreis von Präsident John F. Kennedy bringt, und schließlich Nelson Rockefeller, der als Gouverneur von New York dafür sorgt, dass Kissinger als gutdotierter Berater ein zweites Standbein neben seiner akademischen Karriere hat, und das heißt auch: Der Mann berät Anfang der sechziger Jahre gleichzeitig den demokratischen Präsidenten und "bei Bedarf" auch dessen prospektiven republikanischen Herausforderer.
Das Fundament dieser unglaublichen Karriere legt Kissinger in Harvard. Hier reicht er 1950 unter dem ambitionierten Titel "The Meaning of History" seine Bachelorarbeit ein, die mit knapp 400 Seiten "als längste Abschlussarbeit aller Zeiten in die Geschichte Harvards eingegangen" ist, 1954 gefolgt von seiner Dissertation über das europäische Mächtesystem im Umfeld des Wiener Kongresses von 1815. Damit hat der Einunddreißigjährige sein Lebensthema gefunden: Was ist Macht? Wie geht man mit ihr um? Wo liegen ihre Grenzen, und wann weiß man, dass sie überschritten sind?
Inzwischen arbeitet Kissinger an einem beispiellos dichten Netzwerk, bereist regelmäßig Europas Metropolen, gründet seine eigene Zeitschrift, "Confluence", leitet in Harvard die hochkarätig besetzten internationalen Sommerkurse und im New Yorker Council on Foreign Relations die Studiengruppe "Nuclear Weapons and Foreign Policy". 1957 setzt er mit einem gleichnamigen Buch die These vom "begrenzten" und damit führbaren Krieg als "politischem Akt" in die Welt. Jetzt ist Kissinger da, wo er hinwollte: im Zentrum der politischen Debatte und damit auf dem Sprung ins Zentrum der Macht.
Dass er dort über alle möglichen Zwischenstufen, Umwege, auch Rückschläge ausgerechnet mit dem Beginn der Präsidentschaft Richard Nixons ankommt, war so nicht zu erwarten. Denn die beiden Männer waren sich, wie Ferguson plausibel zeigt, "nicht gerade zugetan" und auch "eine unwahrscheinliche Kombination". Ausschlaggebend für die Berufung Kissingers ist, dass er dem gegenüber der amtlichen Außenpolitik zutiefst skeptischen Nixon die "Blaupause" für eine "radikale Überholung des außenpolitischen Planungs- und Entscheidungssystems" lieferte. Endgültig nicht mehr haltbar ist hingegen das hartnäckig kolportierte Gerücht, Kissinger habe Nixon bei der Sabotage der Pariser Friedensgespräche über Vietnam und damit bei der Demontage des demokratischen Gegenkandidaten geholfen.
Mit der Übernahme des Amtes eines Nationalen Sicherheitsberaters schließt Ferguson das erste Kapitel im Leben des Henry Kissinger, dessen "Bildungsroman". Bislang reflektierte er über die Macht, jetzt hat er sie - und zahlt dafür einen Preis. "In Ihrer beängstigend verantwortungsvollen neuen Stellung werden Sie ein einsamer Mann sein", schreibt ihm sein früher Förderer Fritz Kraemer, wie stets auf Deutsch, am 9. Dezember 1968. Man darf gespannt sein, zu welchem Ergebnis sein Biograph kommen wird.
GREGOR SCHÖLLGEN
Niall Ferguson: Kissinger 1923-1968: der Idealist. Ullstein Verlag, Berlin 2016. 1120 S., 49,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
This will be his masterpiece Andrew Roberts New York Times