»Wir müssen offen miteinander reden, sonst spielen wir den Rechten in die Hände.«
Ahmad Mansour
Eine der drängendsten Aufgaben unserer Gesellschaft ist Integration. Doch kein Thema polarisiert stärker. Staat und Gesellschaft stehen dieser Aufgabe bisher planlos gegenüber, es mangelt an konkreten Konzepten, einer unvoreingenommenen, sachlichen Debatte und langfristigen Plänen.
Der Psychologe und Bestsellerautor Ahmad Mansour, selbst muslimischer Immigrant, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Problemen und Chancen von Integration. Er reiste durch ganz Deutschland, besuchte Haftanstalten, Schulen und Flüchtlingsunterkünfte und sprach mit Politikern, Lehrern und Sozialarbeitern. So hat er wie niemand sonst erfahren, wie Zusammenleben funktionieren und woran es scheitern kann. Ohne falsche Rücksichtnahme spricht er offen an, in welchen gesellschaftlichen Bereichen Veränderungen nötig sind, wo die Politik oder jeder Einzelne gefragt ist und welche Werte unverhandelbar sind. Mansour macht unmissverständlich klar, dass wir alle umdenken müssen - ein eindrücklicher Appell.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Ahmad Mansour
Eine der drängendsten Aufgaben unserer Gesellschaft ist Integration. Doch kein Thema polarisiert stärker. Staat und Gesellschaft stehen dieser Aufgabe bisher planlos gegenüber, es mangelt an konkreten Konzepten, einer unvoreingenommenen, sachlichen Debatte und langfristigen Plänen.
Der Psychologe und Bestsellerautor Ahmad Mansour, selbst muslimischer Immigrant, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Problemen und Chancen von Integration. Er reiste durch ganz Deutschland, besuchte Haftanstalten, Schulen und Flüchtlingsunterkünfte und sprach mit Politikern, Lehrern und Sozialarbeitern. So hat er wie niemand sonst erfahren, wie Zusammenleben funktionieren und woran es scheitern kann. Ohne falsche Rücksichtnahme spricht er offen an, in welchen gesellschaftlichen Bereichen Veränderungen nötig sind, wo die Politik oder jeder Einzelne gefragt ist und welche Werte unverhandelbar sind. Mansour macht unmissverständlich klar, dass wir alle umdenken müssen - ein eindrücklicher Appell.
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Selten ist zu diesen Themen ein Buch erschienen, das die Probleme der Integration so gut benennt und auf den Punkt bringt Annemarie Rösch Badische Zeitung 20180828
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.08.2018Zerrieben zwischen zwei Kulturen
Er interessiert sich für all jene, die es nicht schaffen: Ahmad Mansour kennt die Mechanismen, die Migranten in Parallelgesellschaften festhalten. Und die Gefahr, die davon ausgeht.
Der Psychologe Ahmad Mansour ist ein Mann der klaren Worte, ohne Furcht, unter Verdacht zu geraten, er stehe auf der falschen Seite, halte es mit den Spaltern oder - auf der anderen Seite - mit den Relativierern. Ganz im Gegenteil. In seinem Buch "Klartext zur Integration" seziert er schonungslos das Projekt Integration, ein planloses Durchwursteln viel zu oft, das mehr Konflikte schafft, statt die sichtbaren und spürbaren Probleme zu lösen. Seit Jahren geht er in Gefängnisse, diskutiert mit Polizisten, Vollzugsbeamten, Häftlingen, mit Radikalen und ratlosen Liberalen, mit Lehrern und Sozialarbeitern über Blockaden und Hindernisse, die ihre Arbeit erschweren und nicht selten sogar verunmöglichen. Unnachgiebig streitet er für die Freiheitswerte dieser Gesellschaft, die seiner Ansicht nach von zu vielen geringgeschätzt, untergraben oder gar nicht erst begriffen werden.
Immer wieder zitiert er Politiker, die ahnungslos, weil realitätsfern davon reden, wie sich das alles, was jetzt durcheinandergeht, von selbst zurechtrücken wird - weil wir ja die Freiheit hätten und unser großartiges Grundgesetz. Er stellt diesen Worthülsen die Lebensgeschichten seiner Klienten, fast ausschließlich Migranten aus muslimischen Ländern oder deren Kinder und Kindeskinder, gegenüber. Oberflächlich betrachtet, könnten viele als durchaus integriert gelten, haben die Schule geschafft oder eine auskömmliche Existenz aufgebaut, zahlen Steuern. Doch bleiben sie unter ihresgleichen, nicht unbedingt unfreiwillig.
Und hier nehmen Mansours Geschichten Fahrt auf, er zieht den Vorhang weg und schildert den Alltag in patriarchalen Familien, deren Modernität allenfalls äußerlich ist. Er beschreibt einen gefährlichen Mangel an "emotionaler Integration", einen manifesten Dissens mit allem, was uns teuer ist, von der Gleichheit der Geschlechter, von Glaubensfreiheit, einem selbstbestimmten Leben bis zur gewaltfreien Erziehung. Und er beschreibt, wie und warum so viele Einwanderer in ihre parallele Welt gerieten. Das Ergebnis: ein ewiges Zerrissensein zwischen Kulturen, das ein Ankommen verhindert. Auch, weil Helfer und Prediger einer falschen Toleranz die Unterschiede noch zementieren, Opferrollen ausbauen, die ihnen viel Macht verleihen und Migranten in einer Unmündigkeit halten, die es ihnen unmöglich macht, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.
Für viele Kinder, das betont Ahmad Mansour immer wieder, ist das eine Katastrophe, weil sie zerrieben werden zwischen der von ihren Vätern mit harter Hand geführten Familie, den Moscheen und einer liberalen Schule, zwischen Verachtung für alles Deutsche, für die "Ungläubigen" und die selbstbewussten anderen Frauen und den Regeln der Heimat, die nur noch die des Großvaters sein kann. Kinder, die einer brutalen Gehorsamserziehung ausgesetzt sind, die eigentlich Kindesmisshandlung ist, ohne dass Sozialarbeiter oder Lehrer es wagten zu intervenieren, weil man sie "kultursensibel" geschult hat. Mansour nennt das einen Rechtsbruch, schließlich steht das Recht auf körperliche Unversehrtheit im Grundgesetz und gilt auch und vor allem für Kinder. Die aber würden durch diese falsche Toleranz preisgegeben, immer wieder; ihre Chancen, sich hier frei zu entfalten, werden dadurch beschnitten.
Die Vorgesetzten verzweifelter Lehrer oder Jugendamtsmitarbeiter, die sich an Mansour gewandt hatten, sehen das oft anders, ob überlegt oder nur ignorant, ist egal. Doch wenn sie einen Lehrer sanktionieren, weil er einen kleinen Jungen, der fast kollabiert ist - Unterricht im Ramadan - freundlich dazu bringt, doch einen Schluck zu trinken, klingt das wie eine Geschichte aus dem Tollhaus. Sie ist aber leider wahr und kein Einzelfall. Die frommen Eltern hatten sich danach bei der Schulaufsicht beschwert. Fazit: klarer Verstoß gegen die Religionsfreiheit.
Kompatibel mit Demokratie und Grundgesetz sei das nicht, das steht am Ende von Mansours realen Lebensbeweisen. Die helle Begeisterung Zehntausender Migranten für einen Autokraten wie Erdogan sei nur eine von vielen Folgen. Die gekauften Bräute aus der alten Heimat, die fortan, mitten unter uns und doch unbemerkt, ihr Leben in treuer Unterwerfung und ausgeschlossen zu führen haben, eine andere. Es sind keine Einzelbeispiele, die Mansour aufruft, auch wenn es Zehntausende gibt, das betont er, die es geschafft haben wie er.
Mansour interessieren jene, die es nicht schaffen. Wie Abbas, der als Jeside und fern von allem Deutschen aufwuchs. Mansour besuchte ihn im Gefängnis, denn Abbas ist ein Terrorist. Seine Rebellion gegen den extrem strengen Vater, der ihn immer wieder gedemütigt hatte, endete beim IS. Dort fühlte sich der junge Mann endlich auf der Seite der Sieger, der Helden. Die Geschichte dieser "unsichtbaren Familie", die brav lebte, zwar "nicht integriert, aber das merkte niemand", ist exemplarisch für Mansours Integrationskritik. Ihr Schicksal, wie das der anderen, deren Leben Mansour nicht nur berichtet, sondern ihr Scheitern analysiert, will er auch als Warnung verstanden wissen vor einer Spaltung dieser Gesellschaft, gegen die der Autor nicht erst mit diesem Buch anschreibt. Es sind die stärksten Kapitel, die Mansour diesen Geschichten widmet. Sie irritieren auch deshalb, weil es kaum Anstrengungen gibt, dieser gefährlichen Spaltung entgegenzuwirken, die eine Quasi-Zwei-Klassen-Gesellschaft hervorgebracht hat mit jeweils eigenen Regeln.
Mansour schreibt gegen diese Gefahr an, fordert ein grundsätzliches Umdenken, eine "Wir-Wende", um zu einen, was auseinanderdriftet. Die er ansprechen, mobilisieren will, dieses neue Wir, bleibt jedoch seltsam unscharf. Die Ränder des Wir sind klar, die linken Kulturrelativisten mit ihrer verlogenen, falschen Toleranz und die sich radikalisierende Rechte auch. Aber die in der Mitte, von denen erfährt man fast nichts. Wie und vor allem warum sie sich von Mansours Appellen, sich zu engagieren für die Integration, beeinflussen lassen sollen, bleibt unklar.
Er blendet aus oder hält es auch für nebensächlich, dass sich die von ihm beklagte und kritisierte Segregation ja über Jahrzehnte vollzogen hat. Warum verließen so viele, obwohl selbst arm oder nicht unbedingt erfolgreich, zu Zehntausenden diese Viertel? Diese Abstimmung mit den Füßen, deren Motive für die Beurteilung heutiger Konflikte nicht unwichtig sind, ist nicht einmal ein Randthema für Ahmad Mansour. Erstaunlich, zumal er ja sonst die Verhältnisse, die er ändern will, ziemlich genau beschreibt. Hier konzentriert er sich allzu sehr auf die radikalen Ränder, die ja nur das Ergebnis eines schleichenden Prozesses sind, was nicht überzeugt.
Empathie, die er hier einfordert, kann man aber nicht beschließen, nicht anordnen. Und Schulen, die ohnehin am Rande der Belastbarkeit arbeiten, kann man nicht einfach besser durchmischen, wie es nun auch Mansour verlangt, damit für Migrantenkinder alles leichter würde. Darüber wird seit Jahrzehnten geredet - aber wer hat trotz zuweilen überzeugend vorgetragener Vorteile je sein Kind aus einer sozial und leistungsmäßig gut gemischten Schule genommen, um sie in eine der sogenannten Brennpunktschulen zu geben? Mansour mahnt zwar, Lehrer seien ausgebildet worden, um Wissen und Werte zu vermitteln, und nicht als "soziale Feuerwehrleute". Doch Kinder sind das auch nicht.
Nicht alle seiner zehn Forderungen am Schluss klingen so weltfremd. Vor allem "Forderung Nummer 10" wünscht man Erfolg, auch wenn Mansour, der mutige Mahner und Warner, sie nicht zum ersten Mal erhebt: Es solle endlich die innerislamische Debatte ernst genommen und gefördert werden. Auch um zu klären, welcher Islam mit unseren Freiheitswerten vereinbar ist, und vor allem, wie vielfältig und anders er ist, als es reaktionäre Islamverbände behaupten. Nur dürfen die, obwohl eine kleine und nicht ungefährliche Minderheit, unbehelligt ihr spaltendes Gift in der Gesellschaft verbreiten, während liberale Muslime nicht mal an den Katzentisch geladen werden, wenn staatliche Subventionen verteilt werden und eigentlich über die Grenzen behaupteter Religionsfreiheiten verhandelt werden müsste.
REGINA MÖNCH
Ahmad Mansour: "Klartext zur Integration". Gegen falsche Toleranz und Panikmache.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2018. 304 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Er interessiert sich für all jene, die es nicht schaffen: Ahmad Mansour kennt die Mechanismen, die Migranten in Parallelgesellschaften festhalten. Und die Gefahr, die davon ausgeht.
Der Psychologe Ahmad Mansour ist ein Mann der klaren Worte, ohne Furcht, unter Verdacht zu geraten, er stehe auf der falschen Seite, halte es mit den Spaltern oder - auf der anderen Seite - mit den Relativierern. Ganz im Gegenteil. In seinem Buch "Klartext zur Integration" seziert er schonungslos das Projekt Integration, ein planloses Durchwursteln viel zu oft, das mehr Konflikte schafft, statt die sichtbaren und spürbaren Probleme zu lösen. Seit Jahren geht er in Gefängnisse, diskutiert mit Polizisten, Vollzugsbeamten, Häftlingen, mit Radikalen und ratlosen Liberalen, mit Lehrern und Sozialarbeitern über Blockaden und Hindernisse, die ihre Arbeit erschweren und nicht selten sogar verunmöglichen. Unnachgiebig streitet er für die Freiheitswerte dieser Gesellschaft, die seiner Ansicht nach von zu vielen geringgeschätzt, untergraben oder gar nicht erst begriffen werden.
Immer wieder zitiert er Politiker, die ahnungslos, weil realitätsfern davon reden, wie sich das alles, was jetzt durcheinandergeht, von selbst zurechtrücken wird - weil wir ja die Freiheit hätten und unser großartiges Grundgesetz. Er stellt diesen Worthülsen die Lebensgeschichten seiner Klienten, fast ausschließlich Migranten aus muslimischen Ländern oder deren Kinder und Kindeskinder, gegenüber. Oberflächlich betrachtet, könnten viele als durchaus integriert gelten, haben die Schule geschafft oder eine auskömmliche Existenz aufgebaut, zahlen Steuern. Doch bleiben sie unter ihresgleichen, nicht unbedingt unfreiwillig.
Und hier nehmen Mansours Geschichten Fahrt auf, er zieht den Vorhang weg und schildert den Alltag in patriarchalen Familien, deren Modernität allenfalls äußerlich ist. Er beschreibt einen gefährlichen Mangel an "emotionaler Integration", einen manifesten Dissens mit allem, was uns teuer ist, von der Gleichheit der Geschlechter, von Glaubensfreiheit, einem selbstbestimmten Leben bis zur gewaltfreien Erziehung. Und er beschreibt, wie und warum so viele Einwanderer in ihre parallele Welt gerieten. Das Ergebnis: ein ewiges Zerrissensein zwischen Kulturen, das ein Ankommen verhindert. Auch, weil Helfer und Prediger einer falschen Toleranz die Unterschiede noch zementieren, Opferrollen ausbauen, die ihnen viel Macht verleihen und Migranten in einer Unmündigkeit halten, die es ihnen unmöglich macht, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen.
Für viele Kinder, das betont Ahmad Mansour immer wieder, ist das eine Katastrophe, weil sie zerrieben werden zwischen der von ihren Vätern mit harter Hand geführten Familie, den Moscheen und einer liberalen Schule, zwischen Verachtung für alles Deutsche, für die "Ungläubigen" und die selbstbewussten anderen Frauen und den Regeln der Heimat, die nur noch die des Großvaters sein kann. Kinder, die einer brutalen Gehorsamserziehung ausgesetzt sind, die eigentlich Kindesmisshandlung ist, ohne dass Sozialarbeiter oder Lehrer es wagten zu intervenieren, weil man sie "kultursensibel" geschult hat. Mansour nennt das einen Rechtsbruch, schließlich steht das Recht auf körperliche Unversehrtheit im Grundgesetz und gilt auch und vor allem für Kinder. Die aber würden durch diese falsche Toleranz preisgegeben, immer wieder; ihre Chancen, sich hier frei zu entfalten, werden dadurch beschnitten.
Die Vorgesetzten verzweifelter Lehrer oder Jugendamtsmitarbeiter, die sich an Mansour gewandt hatten, sehen das oft anders, ob überlegt oder nur ignorant, ist egal. Doch wenn sie einen Lehrer sanktionieren, weil er einen kleinen Jungen, der fast kollabiert ist - Unterricht im Ramadan - freundlich dazu bringt, doch einen Schluck zu trinken, klingt das wie eine Geschichte aus dem Tollhaus. Sie ist aber leider wahr und kein Einzelfall. Die frommen Eltern hatten sich danach bei der Schulaufsicht beschwert. Fazit: klarer Verstoß gegen die Religionsfreiheit.
Kompatibel mit Demokratie und Grundgesetz sei das nicht, das steht am Ende von Mansours realen Lebensbeweisen. Die helle Begeisterung Zehntausender Migranten für einen Autokraten wie Erdogan sei nur eine von vielen Folgen. Die gekauften Bräute aus der alten Heimat, die fortan, mitten unter uns und doch unbemerkt, ihr Leben in treuer Unterwerfung und ausgeschlossen zu führen haben, eine andere. Es sind keine Einzelbeispiele, die Mansour aufruft, auch wenn es Zehntausende gibt, das betont er, die es geschafft haben wie er.
Mansour interessieren jene, die es nicht schaffen. Wie Abbas, der als Jeside und fern von allem Deutschen aufwuchs. Mansour besuchte ihn im Gefängnis, denn Abbas ist ein Terrorist. Seine Rebellion gegen den extrem strengen Vater, der ihn immer wieder gedemütigt hatte, endete beim IS. Dort fühlte sich der junge Mann endlich auf der Seite der Sieger, der Helden. Die Geschichte dieser "unsichtbaren Familie", die brav lebte, zwar "nicht integriert, aber das merkte niemand", ist exemplarisch für Mansours Integrationskritik. Ihr Schicksal, wie das der anderen, deren Leben Mansour nicht nur berichtet, sondern ihr Scheitern analysiert, will er auch als Warnung verstanden wissen vor einer Spaltung dieser Gesellschaft, gegen die der Autor nicht erst mit diesem Buch anschreibt. Es sind die stärksten Kapitel, die Mansour diesen Geschichten widmet. Sie irritieren auch deshalb, weil es kaum Anstrengungen gibt, dieser gefährlichen Spaltung entgegenzuwirken, die eine Quasi-Zwei-Klassen-Gesellschaft hervorgebracht hat mit jeweils eigenen Regeln.
Mansour schreibt gegen diese Gefahr an, fordert ein grundsätzliches Umdenken, eine "Wir-Wende", um zu einen, was auseinanderdriftet. Die er ansprechen, mobilisieren will, dieses neue Wir, bleibt jedoch seltsam unscharf. Die Ränder des Wir sind klar, die linken Kulturrelativisten mit ihrer verlogenen, falschen Toleranz und die sich radikalisierende Rechte auch. Aber die in der Mitte, von denen erfährt man fast nichts. Wie und vor allem warum sie sich von Mansours Appellen, sich zu engagieren für die Integration, beeinflussen lassen sollen, bleibt unklar.
Er blendet aus oder hält es auch für nebensächlich, dass sich die von ihm beklagte und kritisierte Segregation ja über Jahrzehnte vollzogen hat. Warum verließen so viele, obwohl selbst arm oder nicht unbedingt erfolgreich, zu Zehntausenden diese Viertel? Diese Abstimmung mit den Füßen, deren Motive für die Beurteilung heutiger Konflikte nicht unwichtig sind, ist nicht einmal ein Randthema für Ahmad Mansour. Erstaunlich, zumal er ja sonst die Verhältnisse, die er ändern will, ziemlich genau beschreibt. Hier konzentriert er sich allzu sehr auf die radikalen Ränder, die ja nur das Ergebnis eines schleichenden Prozesses sind, was nicht überzeugt.
Empathie, die er hier einfordert, kann man aber nicht beschließen, nicht anordnen. Und Schulen, die ohnehin am Rande der Belastbarkeit arbeiten, kann man nicht einfach besser durchmischen, wie es nun auch Mansour verlangt, damit für Migrantenkinder alles leichter würde. Darüber wird seit Jahrzehnten geredet - aber wer hat trotz zuweilen überzeugend vorgetragener Vorteile je sein Kind aus einer sozial und leistungsmäßig gut gemischten Schule genommen, um sie in eine der sogenannten Brennpunktschulen zu geben? Mansour mahnt zwar, Lehrer seien ausgebildet worden, um Wissen und Werte zu vermitteln, und nicht als "soziale Feuerwehrleute". Doch Kinder sind das auch nicht.
Nicht alle seiner zehn Forderungen am Schluss klingen so weltfremd. Vor allem "Forderung Nummer 10" wünscht man Erfolg, auch wenn Mansour, der mutige Mahner und Warner, sie nicht zum ersten Mal erhebt: Es solle endlich die innerislamische Debatte ernst genommen und gefördert werden. Auch um zu klären, welcher Islam mit unseren Freiheitswerten vereinbar ist, und vor allem, wie vielfältig und anders er ist, als es reaktionäre Islamverbände behaupten. Nur dürfen die, obwohl eine kleine und nicht ungefährliche Minderheit, unbehelligt ihr spaltendes Gift in der Gesellschaft verbreiten, während liberale Muslime nicht mal an den Katzentisch geladen werden, wenn staatliche Subventionen verteilt werden und eigentlich über die Grenzen behaupteter Religionsfreiheiten verhandelt werden müsste.
REGINA MÖNCH
Ahmad Mansour: "Klartext zur Integration". Gegen falsche Toleranz und Panikmache.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2018. 304 S., geb., 20,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Claus Leggewie sieht in Ahmad Mansour einen Vertreter der integrierenden Vernunft, der - wie auch Aladin El-Mafaalani - aus persönlicher Erfahrung auf den Islam in Deutschland blickt. Und so schlecht sieht es laut Mansour gar nicht aus, erklärt Leggewie, wenn man die große Zahl der Muslime betrachtet. Aber klar: Der islamische Fundamentalismus habe sehr wohl etwas mit dem Islam zu tun, paraphrasiert Legggewie den Autor, man dürfe ihm aber nicht das Deutungsmonopol zusprechen.
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