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Die "Wende zur Sprache" in der Philosophie des ausgehenden Jahrhunderts hat zu der Frage geführt, inwieweit Philosophie von Anfang an Sprachphilosophie ist. Ausgewiesene Fachleute zeigen in 24 Beirägen am Beispiel herausragender "Sprachphilosophen" von Platon bis Chomsky, warum den Problemen der Sprache entscheidende Bedeutung in der Philosophie zukommt.

Produktbeschreibung
Die "Wende zur Sprache" in der Philosophie des ausgehenden Jahrhunderts hat zu der Frage geführt, inwieweit Philosophie von Anfang an Sprachphilosophie ist. Ausgewiesene Fachleute zeigen in 24 Beirägen am Beispiel herausragender "Sprachphilosophen" von Platon bis Chomsky, warum den Problemen der Sprache entscheidende Bedeutung in der Philosophie zukommt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.04.1997

Vor den linguistischen Turnvätern
Die Sprachphilosophie gibt sich ein Stelldichein

Bei jeder wissenschaftlichen Disziplin stellen sich Fragen wie: Wo liegen ihre Anfänge? Seit wann war sie fest etabliert? Welche Autoren und Werke dürfen als Klassiker gelten? Eine Geschichte der Sprachphilosophie stößt dabei noch auf besondere Schwierigkeiten. So taucht ein Disziplintitel wie "Philosophie der Sprache", an den sich der Historiker vorläufig halten könnte, erst relativ spät - nämlich wohl erst im achtzehnten Jahrhundert - auf. Überdies muß sich eine Geschichte der Sprachphilosophie von der Historie der Sprachwissenschaften abgrenzen, wie sie Heymann Steinthal im vorigen oder Hans Arens in diesem Jahrhundert geschrieben haben.

Damit sind die Probleme aber nicht zu Ende: Noch überraschender ist, wie lange es dauerte, bis der Begriff der Sprache selbst als philosophischer Terminus etabliert war. Seit der Antike war in zahllosen Schriften zwar von Namen und Wörtern, dann auch von Sätzen und Aussagen die Rede; ein Wort, das als "Sprache" zu übersetzen wäre, stand dabei jedoch zunächst nicht im Mittelpunkt.

In der bewährten Reihe des Beck-Verlages liegt nun der Band "Klassiker der Sprachphilosophie" vor, der sich solchen Schwierigkeiten zu stellen hatte. Dem Muster der anderen "Klassiker"-Bände folgend, werden Schlüsselfiguren aus der Geschichte der Disziplin von Experten vorgestellt. Nach einer kurzen Einleitung des Herausgebers Tilman Borsche, in der die oben angesprochenen Fragen erörtert werden, folgen die Einzel- und Gruppenporträts in chronologischer Reihenfolge. Zu jedem klassischen Autor findet man am Schluß des Bandes eine handliche Bibliographie der Quellentexte und der Forschungsliteratur.

"Aufgabe einer Geschichte der Sprachphilosophie", heißt es in der Einleitung, "wird es (. . . ) sein, die Entwicklung der philosophischen Reflexion des Begriffs der Sprache darzustellen." Da diese Reflexion nicht nur durch Autoren vorangetrieben wurde, die landläufig als Klassiker der Sprachphilosophie gelten, ergibt sich in manchen Punkten "eine Revision geläufig gewordener historischer Ordnungsschemata".

Wer ist nun ein Klassiker der Sprachphilosophie? Der mutigste Akzent besteht in der Entscheidung, Immanuel Kant einen eigenen umfangreichen Beitrag zu widmen, bei dem Hamann und Herder gerade sprachphilosophische Defizite beklagt hatten.

Diese Revision rechtfertigt sich zum einen dadurch, daß wirkmächtige Ansätze wie die von Wilhelm von Humboldt oder auch Charles Sanders Peirce ohne die transzendentalphilosophische Wende nicht denkbar wären. Vor allem aber finden sich bei näherer Betrachtung in Kants Werken weiterführende zeichentheoretische Reflexionen, insbesondere zu den Arten der Bezeichnung und Vorstellung. Überhaupt wären einige der berücksichtigten Autoren - so schon Augustinus, dann aber auch Leibniz, Condillac, Peirce und Cassirer - wohl besser als Klassiker der Zeichenphilosophie zu charakterisieren. Vielleicht hätte man es deshalb wagen sollen, ein mehrbändiges Werk zu konzipieren, das sich dann ausdrücklich den Klassikern der Sprachphilosophie und Zeichenphilosophie gewidmet hätte.

Im großen und ganzen begegnet uns in dem Band freilich der mittlerweile vertraute Kanon. So wird die Sprachphilosophie der Antike in Beiträgen zu Platon, Aristoteles und der Stoa vorgestellt. Das Mittelalter ist durch einen gedrängten Überblick über die Tradition der "Grammatica speculativa" vom zwölften bis zum vierzehnten Jahrhundert vertreten, der von Darstellungen zu Augustinus auf der einen und Nikolaus von Kues auf der anderen Seite eingerahmt wird. Von Cusanus springt der Band zu den Klassikern der Neuzeit, dort zunächst zu Thomas Hobbes, dessen Sprachdenken vor dem Hintergrund seiner politischen Philosophie beleuchtet wird. Daran schließen sich John Locke und Gottfried Wilhelm Leibniz an, wobei der seltene Glücksfall vorliegt, daß Leibniz sich in seinen "Nouveaux essais sur l'entendement humain" direkt mit Lockes Erkenntnistheorie und Sprachphilosophie auseinandersetzt.

Auch sonst lädt der Band zu Vergleichen und Reihenbildungen ein, bei denen sich die Leserschaft durchaus einmal von der Chronologie lösen sollte. So ließe sich von Vicos "Neuer Wissenschaft" nicht nur eine Linie zu Herder und Hegel, sondern auch zu Humboldt und vielleicht sogar zu Peirce ziehen. Nicht weniger reizvoll ist es, Etienne Bonnot de Condillac und Johann Gottfried Herder zusammen zu betrachten. Und schließlich könnte man die Hinwendung zur Sprache bei Hamann, Herder, Humboldt oder Heidegger mit dem "linguistic turn" beziehungsweise dem "semiotic turn" bei Peirce, Cassirer und in der Analytischen Philosophie vergleichen.

Die Autoren der Beiträge, fast ausnahmslos ausgewiesene Experten, waren, weiß Gott, nicht zu beneiden. Ist es schon schwer genug, die Sprachphilosophien etwa von Peirce, Wittgenstein oder Heidegger, auf knapp zwanzig Seiten darzustellen und dabei in das Gesamtwerk des Autors und das Denken seiner Zeit einzuordnen, so standen die Mitarbeiter, die eine gesamte Tradition oder Schule zu porträtieren hatten - sei es nun die Stoa, die "Grammatica speculativa", die Analytische Philosophie oder den Strukturalismus -, vollends vor schweren Aufgaben. Im großen und ganzen darf man mit den Resultaten zufrieden sein; viele Beiträge sind geradezu exzellent.

Natürlich wäre es leicht, an dem einen oder anderen Punkt herumzumäkeln. Was etwa die Auswahl angeht, werden die einen Petrus Abälardus, Johann Heinrich Lambert oder Bernard Bolzano vermissen, andere werden dagegen das Fehlen von Friedrich Schlegel, Walter Benjamin oder Jacques Derrida beklagen. Außer Zweifel sollte jedoch stehen, daß der Band eine wesentliche Bereicherung - gerade auch für die Lehre und das Selbststudium - darstellt.

Zusammen mit dem zweibändigen "Handbuch Sprachphilosophie" (das bei de Gruyter 1992 und 1997 erschienen ist) und der stärker sprachwissenschaftlich ausgerichteten "Geschichte der Sprachtheorie", die im Gunter Narr Verlag erscheint, wird er dazu beitragen, daß sich die in diesem Jahrhundert so produktive Sprachphilosophie ihrer reichen und wechselvollen Geschichte bewußter wird. OLIVER R. SCHOLZ

"Klassiker der Sprachphilosophie". Herausgegeben von Tilman Borsche. Von Platon bis Noam Chomsky. Verlag C. H. Beck, München 1996. 548 S., 24 Abb., geb., 78,- DM.

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