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Worum geht es eigentlich in Calderóns La Dama duende ? Wann wurde Don Quijote verfasst? Was ist das Besondere an Corazón tan blanco von Javier Marías? Anschauliche Einführungen fassen die wichtigsten Merkmale zu 25 Hauptwerken der spanischen Literatur zusammen. Neben einer Inhaltsübersicht werden Form, Gestaltung, Entstehungskontext und weitere Hintergründe dargestellt. Interpretationsvorschläge und zahlreiche Beispiele helfen bei der Analyse der Texte. Folgende Texte werden behandelt: Cid; Libro de buen amor; Romancero; La Celestina; Lazarillo; San Juan de la Cruz: Mystische Lyrik; Don…mehr

Produktbeschreibung
Worum geht es eigentlich in Calderóns La Dama duende ? Wann wurde Don Quijote verfasst? Was ist das Besondere an Corazón tan blanco von Javier Marías? Anschauliche Einführungen fassen die wichtigsten Merkmale zu 25 Hauptwerken der spanischen Literatur zusammen. Neben einer Inhaltsübersicht werden Form, Gestaltung, Entstehungskontext und weitere Hintergründe dargestellt. Interpretationsvorschläge und zahlreiche Beispiele helfen bei der Analyse der Texte. Folgende Texte werden behandelt: Cid; Libro de buen amor; Romancero; La Celestina; Lazarillo; San Juan de la Cruz: Mystische Lyrik; Don Quijote; Funeteovejuna; La dama duende; La vida es sueño; El sí de las niñas; Artículos de costumbres; Canciones; Don Juan Tenorio; Tristana; La Regenta; Campos de Castilla; Niebla; Luces de Bohemia; Cal y Canto; Tres sombreros de copa; La casa de Bernarda Alba; La familia des Pascual Duarte; Corazón tan blanco; El hereje.
Autorenporträt
Hans-Jörg Neuschäfer, em. Professor für Romanistik an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2011

Der Enthusiasmus der romantischen Tradition
Vom Stellenwert unserer Klassiker: Der Romanist Hans-Jörg Neuschäfer verblüfft mit Miniaturansichten großer spanischer Texte

Der Begriff "Weltliteratur" und das Interesse an den Stimmungen und Tönen von Kulturen außerhalb der eigenen nationalen Horizonte gehören zu den bedeutsamen Entdeckungen deutscher Autoren aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert. Kein Land hat die Romantiker je mehr fasziniert als Spanien, und ihren Übersetzungen und Interpretationen verdanken wir die Möglichkeit, in Texten wie dem "Don Quijote" von Miguel de Cervantes oder den Dramen von Pedro de Calderón philosophische Komplexität und Tiefe zu finden.

Solcher Enthusiasmus ging der großen akademischen Tradition der deutschen Hispanistik voraus und wurde zugleich ihre historische Grundlage. Im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts vor allem haben dann Literaturwissenschaftler wie Karl Vossler, Leo Spitzer, Ludwig Pfandl oder Werner Krauss mit Inspiration und intellektueller Eleganz dieses Erbe aufgenommen, aktualisiert und entscheidend weiterentwickelt, bevor die engstirnige Kulturpolitik des Nationalsozialismus und später eine politisch bedingte Abwendung von Spanien, das zwischen 1939 und 1975 kulturell unter dem Druck einer Militärdiktatur vegetierte, zu einer deutlichen Dämpfung der hispanistischen Begeisterung geführt haben. Heute kann man aber von einer Renaissance des Faches und der für seine Anfänge tragenden Einstellung reden, obwohl den meisten seiner bemerkenswert kompetenten Fachvertreter mehr an der "Wissenschaftlichkeit" ihrer Arbeit gelegen ist als an romantischem Enthusiasmus.

Dies hat mit solcher Eindeutigkeit allerdings nie für den 1933 geborenen Saarbrücker Emeritus Hans-Jörg Neuschäfer gegolten, der als ein auch in der französischen und italienischen Literaturgeschichte herausragender Romanist vor mehr als fünfzig Jahren mit seinen ersten Veröffentlichungen die Renaissance der Hispanistik eingeleitet, motiviert und bis heute kritisch begleitet hat. Neuschäfer schrieb eine Vielzahl von Büchern und Essays über die klassischen Texte der spanischen Literatur, welche an die ästhetische Inspiration, die intellektuelle Schärfe und die Empathiefähigkeit von Vossler, Spitzer oder Krauss anschließen, ohne je deren Hang zu der einen oder anderen Tonalität akademischen Pomps zu teilen. So bescheiden und stets selbstironisch gibt sich Neuschäfer, dass er ein Meisterwerk aus eigener Feder unterschätzt haben könnte.

Mit wachsender Bewunderung habe ich sein eben erschienenes Buch "Klassische Texte der spanischen Literatur" gelesen, obwohl dessen Präsentation eher literaturpädagogische Magerkost erwarten lässt. Der Cover ist beige und hellbraun; der Inhalt wird zu "einer Hommage an die spanische Literatur und zugleich einer praktischen Handreichung für Studierende, Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen und Hochschulen" normalisiert; die Schreibung der "Real Academía Española", zu der Neuschäfer als korrespondierendes Mitglied gehört, weist einen orthographischen Fehler auf; und kaum eine Seite des Buchs verzichtet auf beflissene Hinweise zu verschiedenen Links, über die man elektronisch zu den Textbeständen einer von Neuschäfer vor Jahren herausgegebenen Geschichte der spanischen Literatur gelangt, deren gelehrte Ungelenkigkeit in eigenartigem Kontrast zu dem neuen Buch steht.

Zunächst wirken auch die fünfundzwanzig "Einführungen" zu spanischen Text-Klassikern durchaus konventionell. Neuschäfer setzt immer wieder mit überraschend detaillierten Autoren-Biographien ein, auf die ebenso ausführliche Inhaltsangaben folgen. Doch gerade in dieser scheinbaren Konventionalität liegt für einen Literaturwissenschaftler seiner Generation ein Tabubruch. Denn nichts war während des vergangenen halben Jahrhunderts verpönter im Fach als biographisches Erzählen oder Paraphrasen. Eher galten - und gelten immer noch - die Entfaltung "theoretischer Paradigmen" und ihre "Anwendung" auf die literarischen Texte als akademischer Goldstandard (so, als hätte literarische Lektüre beständig etwas "zu beweisen"). Aber während im goldenen Zeitalter der Literaturtheorie, das von der Mitte bis zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts reichte und immer noch nicht ganz abgeebbt ist, die literarischen Texte oft unter abstrakten Begriffskaskaden verschwanden, fügen sich Neuschäfers Autorenbiographien zu einer erstrangigen, eminent lesbaren Kulturgeschichte Spaniens zusammen, von der ausgehend seine Inhaltsangaben dann die erstaunlichen Räume vergangener Imagination erforschen. Und sie tun dies mit einer diskursiven Brillanz, die manchmal zur literarischen Qualität der Texte selbst aufschließt.

Seite für Seite spürt man den Enthusiasmus der romantischen Tradition - die sich nun aber gestattet, entspannt zu sein. Genau damit, glaube ich, wird Hans-Jörg Neuschäfers Buch zum Symptom und zum frühen Manifest eines neuen Stellenwerts der literarischen Klassiker, wie er sich in der jüngsten Vergangenheit herausgebildet hat. Da unsere alltägliche Selbstverpflichtung auf permanente Innovation, permanenten Fortschritt und permanente Wachstumsraten deutlich nachgelassen hat, steht die "unmittelbare Sagkraft" klassischer Texte für jede Gegenwart, wie sie Hans-Georg Gadamer einmal beschrieben hat, nicht mehr im Widerspruch zu dem früher dominierenden fortschrittsabhängigen Gefühl, dass wir Vergangenheiten (und ihre Texte) unwiderruflich "hinter uns lassen". Wenn Neuschäfer also etwa das mittelalterliche Cid-Epos ausführlich beschreibt, dann kann er auf eine langatmige Rechtfertigung für diese Auswahl verzichten. Ebenso selbstverständlich verweist er immer wieder auf mögliche Konvergenzen von textimmanenten Szenen und Figurenkonstellationen mit typischen Problemen aus der existentiellen Individualsphäre unserer Gegenwart.

Mehr noch als vor nur wenigen Jahrzehnten können selbst die Texte und Kunstwerke aus fernen Vergangenheiten heute für uns in Simultanität "zuhanden" sein (um es mit Heidegger zu sagen). Wir lesen sie wieder mit einer - plötzlich gar nicht mehr peinlichen - Bereitschaft zur Identifikation auf der Individual-Ebene, welche an die Stelle einer primären Konzentration auf literarische Formen oder historische Kontexte getreten ist. Und schließlich wird unter den literarischen Lesern der Gegenwart ein Bedürfnis nach Konkretheit der textimmanenten Welten spürbar, die alle quasi-cartesianische Konstruiertheit unseres elektronischen Alltagslebens kompensieren kann. Ohne explizites Programm schreibt sich Neuschäfers Buch in dieser neuen immanenten Poetik - und Hermeneutik - der klassischen Texte ein. Eben das entspannter gewordene Verhältnis zu ihnen mag erklären, warum chronologisch entfernten Epochen erstaunlich breiter Raum gegeben wird.

Vier der fünfundzwanzig vorgestellten Klassiker stammen aus dem Mittelalter, sechs aus dem sogenannten "Goldenen Zeitalter" der spanischen Literatur zwischen der Mitte des sechzehnten und dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts, fünf - darin liegt vielleicht die größte Überraschung für den hispanistisch gebildeten Leser - aus dem sonst eher am Rande bleibenden spanischen neunzehnten Jahrhundert. Weil es ihm aber weder um historische Dokumentation geht noch um die Entfaltung einer geschichtsphilosophischen These, erlaubt sich Neuschäfer auch, die zu Recht als epigonal eingeschätzte spanische Aufklärung bloß in einem einzigen Kapitel zu evozieren. All dies wäre allerdings noch plausibler, wenn der Autor erklärte, warum jene nur geographisch marginalen Horizonte der immer noch "spanisch" genannten Literatur - also die katalanische, baskische, galizische Kultur - in seinem Panorama schweigend übergangen werden. Aber vielleicht soll man sich die Freude an einem schönen Buch nicht von einem ebenso berechtigten wie politisch korrekten Vorbehalt verderben lassen.

Innerhalb der getroffenen Auswahl stehen Texte im Vordergrund, deren meist erzählerische Komplexität und Konkretheit (Lyrik kommt erstaunlich selten vor) die Leser unserer Gegenwart in ihren Bann schlagen können. Etwa die 1499 zum ersten Mal gedruckt erschienene Geschichte von den Liebenden Calisto und Melibea mit ihrer Kupplerin "Celestina", welche diesem Text seinen Titel und eine besondere narrative Faszination gibt; der realistische Roman "Tristana" von Benito Pérez Galdós, in dem sich eine schöne junge Frau aus Status- und Überlebensgründen einem abgelebten alten Mann unterwirft, bevor sie nach ihrer Beinamputation sein Leben zu beherrschen beginnt (diese Geschichte wurde durch einen der klassischen Filme von Luis Buñuel bekannt); die konkretistische Heraufbeschwörung der Landschaft und der Milieus in der kastilischen Provinz durch die Gedichte von Antonio Machado; oder die Gewaltsamkeit, welche das sexuelle Leben einer Dorffamilie in einem frühen Roman des Nobelpreisträgers José Camilo Cela durchherrscht.

Jede dieser Miniaturen lässt - vielleicht ja sogar gegen Neuschäfers beflissenere Absicht - den Ton und die Gesten des Didaktischen hinter sich. Es ist die Konvergenz von Neuschäfers Gelehrsamkeit, stilistischer Eleganz und authentischem Enthusiasmus, welche die großen Texte der spanischen Literatur so präsent und vielversprechend wirken lässt. Und diese Wirkung kann sich auch in Fällen durchsetzen, wo man dem Autor nicht zustimmt, etwa wenn er behauptet, es gebe für die ekstatische Intensität des frühneuzeitlich-mystischen Gotteserlebnisses heute keinen Bedarf mehr - ich glaube, es gibt ihn längst wieder! Hans-Jörg Neuschäfers "Klassische Texte der spanischen Literatur" mögen in der Retrospektive einer nicht allzu fernen Zukunft als Vermächtnis eines neuen Höhepunkts in der Geschichte der Hispanistik erscheinen. Als Vermächtnis und als Anweisung auf eine mögliche Zukunft, in der sich Literaturwissenschaft nicht mehr ausschließlich an Fachstudenten wenden wird, sondern an all jene potentiellen Leser, die sich von Texten der Vergangenheit bewegen und bilden lassen wollen.

HANS ULRICH GUMBRECHT

Hans-Jörg Neuschäfer: "Klassische Texte der spanischen Literatur". 25 Einführungen vom Cid bis Corazón tan blanco.

Verlag J. B. Metzler, Stuttgart, Weimar 2011. 238 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Seite für Seite spürt man den Enthusiasmus der romantischen Tradition - die sich nun aber gestattet, entspannt zu sein. Genau damit, glaube ich, wird Hans-Jörg Neuschäfers Buch zum Symptom und zum frühen Manifest eines neuen Stellenwerts der literarischen Klassiker, wie er sich in der jüngsten Vergangenheit herausgebildet hat." -- FAZ, Hans Ulrich Gumbrecht

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Hans Ulrich Gumbrecht hat eine erstaunlich wuchtige Besprechung dieses schmalen und in aller Bescheidenheit auftretenden Bandes geschrieben. Neuschäfer, der große alte Mann der Hispanistik, gibt hier biografische und paraphrasierende Einführungen in die Werke von 25 spanischen Autoren - vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Gumbrecht sieht darin das Manifest einer neuen literaturhistorischen Unmittelbarkeit, die das permanente Beweisenmüssen der literaturtheoretischen Modelle, die die letzten Jahrzehnte beherrschten, hinter sich lässt und in eleganter Gelehrsamkeit das Interesse für die Texte selbst neu aufschließt. Für Gumbrecht manifestiert sich hier ein "neuer Stellenwert der literarischen Klassiker", die neu, und nicht nur von Fachstudenten, rezipiert werden sollten. Neuschäfer stellt sich für ihn damit in die ganz große Tradition der deutschen Romanistik von Leo Spitzer bis Werner Krauss, und dies, "ohne je deren Hang zur einen oder anderen Tonalität akademischen Pomps" zu teilen.

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