Täglich Lügen. Ein Lehrbuch des Jourmalismus
Kisch, der sprichwörtliche rasende Reporter, ist eine Ikone des Journalismus. In dieser Anthologie hat er Glanzstücke des Journalismus zusammengetragen, übersetzt und kommentiert. Durchaus mit pädagogischem Anspruch, der über die Zunft der Schreiber
hinausreicht: Nichts weniger als ein Lehrbuch der Nation will Kisch beibringen.
Wie in einer…mehrTäglich Lügen. Ein Lehrbuch des Jourmalismus
Kisch, der sprichwörtliche rasende Reporter, ist eine Ikone des Journalismus. In dieser Anthologie hat er Glanzstücke des Journalismus zusammengetragen, übersetzt und kommentiert. Durchaus mit pädagogischem Anspruch, der über die Zunft der Schreiber hinausreicht: Nichts weniger als ein Lehrbuch der Nation will Kisch beibringen.
Wie in einer Zeitung das Geschehen eines Tages, sind in diesem Buch Jahrhunderte europäischer Geschichte in einem Panorama journalistischer Texte verdichtet. Es finden sich darin Leitartikel, Beiträge in eigener Sache, Tagesnachrichten und Berichte auswärtiger Korrespondenten, sowie ein Feuilleton und Berichte zu Kunst, Kultur und Literatur.
Stimmen aus allen Ecken des Kontinents kommen zu Wort: Von Irland (Swift) bis Russland (Dostojewski), von Norwegen (Ibsen) bis Italien (Mazzini); natürlich aus Frankreich (Voltaire, Napoleon, Zola), England (Dickens, Defoe) oder Deutschland (Luther, Marx, Bismarck, Wagner); auch jüdische (Herzl) oder Vertreter aus der tschechischen Heimat (Havlicek-Borovsky, Neruda) und aus der neuen Welt (Franklin). Leider, das soll nicht verschwiegen sein, findet sich keine einzige Frau darunter.
Mit jedem der Texte werden zugleich Facetten dessen ins Licht gerückt, was guten und erfolgreichen Journalismus auszeichnet: Souveräne Beherrschung der Sprache. Nähe zum Menschen. rücksichtslose Hingabe an den Stoff. Ein innerer Kompass. Und Wahrhaftigkeit.
Am unmittelbarsten kommt dies dort zum Ausdruck, wo das journalistische Handwerk und das Pressewesen selbst Gegenstand der Stücke sind. Etwa wenn der Sozialdemokrat Lasalle 1863 die liberale Presse in ihren Abhängigkeiten als "Hauptfeind der gesunden Entwicklung" geißelt: "Täglich Lügen, Lügen in reinen puren Tatsachen, Tatsachen erfunden, Tatsachen in ihr Gegenteil entstellt." Oder Heinrich von Kleist in seinem "Lehrbuch der französischen Journalistik" 1810 die obersten Grundsätze obrigkeitsgefälliger Berichterstattung sarkastisch auf den Punkt bringt: "Was das Volk nicht weiß, macht das Volk nicht heiß. Was man dem Volk dreimal sagt, hält das Volk für wahr."
Das Bekenntnis (1900), wie sich der Times-Journalist und "König der Reporter" Henri Stephan Opper de Blowitz im Jahr 1878 den deutsch-französischen Vertrag verschaffte, sollte jeder Regierungsbeamte kennen, der mit Medienvertretern zu vertraulichen Themen arbeitet.
Und Ferdinand Kürnbergers Plädoyer von 1866 zu "Sprache und Zeitungen" sollten sich alle zu Herzen nehmen, die mit ihrem Schreiben neue Ideen verbreiten wollen: "Verleidet dem Sohn des Jahrhunderts den Genuß eurer neuen Ideen nicht durch eure neuen Barbarismen. Bedenkt, daß das Neue schon an sich genug der Widersacher hat, wollt ihr auch noch jene Gemüter zurückschrecken, welche eure Neuerungen aus bloßer - Reinlichkeitsliebe zurückweisen?"
Eine absolute Leseempfehlung in Zeiten, in denen sinkende Auflagen die ökonomischen Spielräume unabhängiger Berichterstattung beschneiden, "Sprachinnovationen" die Gemüter mehr erhitzen als wirkliche Veränderungen, und erfundene Fakten das Vertrauen in etablierte Medien erodieren lassen.