Klatschjournalisten gelten als die Stiefkinder des Journalismus und genießen in der Regel einen Außenseiterstatus. Ihre zweifelhafte Reputation beziehen sie aus Vorurteilen, die noch immer durch TV-Serien wie Kir Royal geprägt sind. Ihre Arbeit gilt als pure Unterhaltung, die ihrem Publikum zur Weltflucht dient. Diese Sichtweise lässt jedoch sowohl außer Acht, dass anhand von Klatschgeschichten nicht nur Realitätsbilder vermittelt, Gesprächsgegenstände zur Verfügung gestellt, Diskussionsprozesse und Integrationsvorgänge angeregt sowie Lebenseinstellungen, Werte und Verhaltensmuster vermittelt werden; die begrifflichen Unschärfen verschleiern auch, dass die Selektions- und Recherchemechanismen im Klatsch journalistischer Natur sind. Auch deshalb findet sich in der Journalismusforschung nur wenig zur praktischen Arbeitsweise und gesellschaftlichen Relevanz von Klatsch. Der vorliegende Band ist deshalb auf mehreren Ebenen eine Pionierleistung: Er bietet einen kritischen Überblick über den Forschungsstand zum Klatschjournalismus und beleuchtet das weitgefächerte Spektrum dieses schillernden journalistischen Tätigkeitsfeldes sowohl für Berufseinsteiger, als auch für fortgeschrittene Journalisten, Dozenten und Hochschullehrer, die allesamt einen Einblick in die Materie gewinnen wollen. Neben einem Abriss über Chancen und Stolpersteine gibt der Band greifbare Einblicke in die Praxis, die durch Checklisten, Porträts, Analysen, Kommentare sowie ein Memorandum zur Rechtslage angereichert werden. Dabei schöpft das Autorinnen-Team aus seiner 40-jährigen journalistischen Praxiserfahrung. Als erstes Lehrbuch über Klatschjournalismus stellt der Band längst überfällige Lehrinhalte für ethisch und journalistisch qualifizierte Klatschbeiträge - ob in Print, Fernsehen und Internet - bereit.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.03.2015Prinz zu sein ist schon fein
Der Adel und der Klatsch
Wo fängt das Private an, über das Medien nicht berichten dürfen? Immerhin lebt die ganze Branche davon, was Amts-, Leistungs- und Würdenträger von sich oder über etwas preisgeben - auf Pressekonferenzen, bei Interviews und im Hintergrundgespräch, auch in Dienstvillen oder Privatwohnungen. Ärger gibt es aber, wenn das "Ergebnis" nicht so ausfällt, wie es sich der Befragte oder die Besuchte vorstellt. Seit dem "Caroline-Urteil", bei dem es um Prinzessinnen-Fotos ging, kommt es auf das öffentliche Informationsinteresse an. Das heben Bettina Hennig und Rike Schulz in ihrem lesenswerten und vergnüglichen Bändchen über Klatsch hervor. Einerseits seien die Möglichkeiten der Presse, Details aus dem Prominenten-Privatleben zu berichten, erheblich eingeschränkt worden, andererseits gebe es eine "Qualitätsoffensive", weil sich Klatsch-Redaktionen mit der Relevanz ihrer Berichterstattung auseinandersetzen müssten; "ein kommerzielles Interesse des Verlegers und die Befriedigung eines rein voyeuristischen Interesses" reichen da längst nicht mehr aus.
Beide Autorinnen singen das Hohelied auf den Klatschjournalismus, geben Tipps, die im Unterhaltungsbereich zu beachten seien, stellen "Akteure und Formate, Macher und Märkte" vor und zeigen die Gefahren auf (Anzeigenumfeld, Scheckbuchjournalismus). Schließlich meinen sie, dass das Private im Adel "keine konstitutive Kategorie" gewesen sei: "Erst mit dem Bürgertum entwickelt sich das Private als geschützte Sphäre, wie wir sie heute kennen." In bürgerlichen Gesellschaften werde weiterhin über Privates geredet, "aber es wird gleichzeitig abgewertet", weil es der adeligen Kultur entstamme. Schöner lässt sich Klatschjournalismus, den man "wesentlich schicker" People-Journalismus nennen sollte, jedenfalls nicht adeln! Es bleibt die leidvolle Frage nach dem Niveau.
RAINER BLASIUS
Bettina Hennig/ Rike Schulz: Klatsch. Basiswissen für die Medienpraxis. Herbert von Halem Verlag, Köln 2015. 335 S. 19,50 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Adel und der Klatsch
Wo fängt das Private an, über das Medien nicht berichten dürfen? Immerhin lebt die ganze Branche davon, was Amts-, Leistungs- und Würdenträger von sich oder über etwas preisgeben - auf Pressekonferenzen, bei Interviews und im Hintergrundgespräch, auch in Dienstvillen oder Privatwohnungen. Ärger gibt es aber, wenn das "Ergebnis" nicht so ausfällt, wie es sich der Befragte oder die Besuchte vorstellt. Seit dem "Caroline-Urteil", bei dem es um Prinzessinnen-Fotos ging, kommt es auf das öffentliche Informationsinteresse an. Das heben Bettina Hennig und Rike Schulz in ihrem lesenswerten und vergnüglichen Bändchen über Klatsch hervor. Einerseits seien die Möglichkeiten der Presse, Details aus dem Prominenten-Privatleben zu berichten, erheblich eingeschränkt worden, andererseits gebe es eine "Qualitätsoffensive", weil sich Klatsch-Redaktionen mit der Relevanz ihrer Berichterstattung auseinandersetzen müssten; "ein kommerzielles Interesse des Verlegers und die Befriedigung eines rein voyeuristischen Interesses" reichen da längst nicht mehr aus.
Beide Autorinnen singen das Hohelied auf den Klatschjournalismus, geben Tipps, die im Unterhaltungsbereich zu beachten seien, stellen "Akteure und Formate, Macher und Märkte" vor und zeigen die Gefahren auf (Anzeigenumfeld, Scheckbuchjournalismus). Schließlich meinen sie, dass das Private im Adel "keine konstitutive Kategorie" gewesen sei: "Erst mit dem Bürgertum entwickelt sich das Private als geschützte Sphäre, wie wir sie heute kennen." In bürgerlichen Gesellschaften werde weiterhin über Privates geredet, "aber es wird gleichzeitig abgewertet", weil es der adeligen Kultur entstamme. Schöner lässt sich Klatschjournalismus, den man "wesentlich schicker" People-Journalismus nennen sollte, jedenfalls nicht adeln! Es bleibt die leidvolle Frage nach dem Niveau.
RAINER BLASIUS
Bettina Hennig/ Rike Schulz: Klatsch. Basiswissen für die Medienpraxis. Herbert von Halem Verlag, Köln 2015. 335 S. 19,50 [Euro].
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