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Klaus Mann verkörpert die bewegte erste Hälfte des 20. Jahrhunderts wie kaum ein Zweiter - als schillernder Bohemien, als großer Schriftsteller. Thomas Medicus begleitet Klaus Mann (1906 bis 1949) auf den Stationen seines sehr modernen Lebens - von der behüteten Münchner Kindheit, der Karriere des Dandys in der Weimarer Republik, die der homosexuellen Emanzipation Vorschub leistete, bis zur Emigration in verschiedene europäische Staaten und in die USA. Klaus Mann war ein großer Reisender; irrlichternd zwischen den Kontinenten, publizierte er in ungebremstem Schreibfluss. Ein extremes Leben,…mehr

Produktbeschreibung
Klaus Mann verkörpert die bewegte erste Hälfte des 20. Jahrhunderts wie kaum ein Zweiter - als schillernder Bohemien, als großer Schriftsteller. Thomas Medicus begleitet Klaus Mann (1906 bis 1949) auf den Stationen seines sehr modernen Lebens - von der behüteten Münchner Kindheit, der Karriere des Dandys in der Weimarer Republik, die der homosexuellen Emanzipation Vorschub leistete, bis zur Emigration in verschiedene europäische Staaten und in die USA. Klaus Mann war ein großer Reisender; irrlichternd zwischen den Kontinenten, publizierte er in ungebremstem Schreibfluss. Ein extremes Leben, immer auch überschattet von Drogen und Ausschweifungen, einem Todeswunsch von früh auf. Dann die Rückkehr nach Deutschland 1945 als amerikanischer GI, schließlich die düsteren letzten Jahre bis zu seinem Freitod in Cannes.

In seiner großen Biographie erzählt Thomas Medicus dieses unwahrscheinliche Leben und ergründet dessen Obsessionen und Triebkräfte. Bestimmend waren der Dauerkonflikt mit dem Vater Thomas Mann, die zahlreichen politischen Kämpfe, seine Amouren, das enge Verhältnis zur Schwester Erika. Eine glänzende Neueinschätzung dieses funkelnden Schriftstellers und Deuters seiner Epoche, die hier als eindrucksvolles zeitgeschichtliches Panorama wiederersteht.
Autorenporträt
Thomas Medicus, geboren 1953, schrieb u.a. für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» und war stellvertretender Feuilletonchef der «Frankfurter Rundschau», viele Jahre arbeitete er für das Hamburger Institut für Sozialforschung. Heute lebt Thomas Medicus als freier Publizist in Berlin. 2012 veröffentlichte er die Biographie «Melitta von Stauffenberg», die NZZ dazu: «Was Medicus ausgegraben und recherchiert hat, ist sowohl bemerkenswert als auch bisweilen unglaublich. Gut geschrieben ist es zudem.» 2020 folgte die Doppelbiographie «Heinrich und Götz George», über die der «Deutschlandfunk» meinte: «Aufsehenerregend ... In der Lebensgeschichte bricht sich mehr als ein Jahrhundert deutscher Geschichte.»
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Weitgehend sehr angetan ist Rezensent Hilmar Klute von Thomas Medicus' Klaus-Mann-Biografie, die er für ihre Gründlichkeit und ihr Differenzierungsvermögen lobt. Entlang des besprochenen Buches zeichnet Klute Manns Leben nach, das stets eng verbunden blieb mit dem seines berühmten Vaters Thomas Mann. Klaus Mann war in politischer Hinsicht keineswegs gefestigt, so Klute mit Medicus, vielmehr ein ewig Suchender, die Hinwendung Gottfried Benns zum Nationalsozialismus etwa war für ihn ein tiefer Schlag. Medicus verknüpft das literarische Werk eng mit Manns Biografie, insbesondere mit seiner Homosexualität, eine Ausdeutungspraxis, mit der sich Klute nicht durchweg anfreunden kann. Manchmal geht das Buch bei seinen Spekulationen über Manns Innenleben zu weit, findet Klute, insgesamt jedoch gelingt Medicus das faszinierende Porträt eines Künstlers, dessen innere Zerrissenheit auch unserer Zeit noch etwas zu sagen hat.

© Perlentaucher Medien GmbH
Thomas Medicus gelingt mit dieser Biografie eine auffällig differenzierte Darstellung von Klaus Manns Leben und Schreiben ... ein gründlich ausgeleuchtetes Porträt. Süddeutsche Zeitung

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.05.2024

Ausgezehrter
Götterliebling
Thomas Medicus hat eine vorbildlich gründliche
Biografie von Klaus Mann geschrieben, der in seiner
verwüsteten Epoche nie einen Platz fand.
VON HILMAR KLUTE
Vielleicht gehört es zur Tragik des Schriftstellers Klaus Mann, dass sein Leben beinahe immer als Tragödie erzählt wird. Der Sohn des weltberühmten Thomas Mann, der sich früh aus den ästhetischen Hoheitsgebieten des Vaters entfernen muss und doch immer wieder gefährlich in deren Nähe kommt. Der früh schon durch Drogen, sexuelle Exzesse und politische Radikalisierungen sich auszehrende Götterliebling, der im Exil eine geistige Gegenmacht zum naziverrotteten Deutschland aufstellen möchte und dabei über die Stricke des Stalinismus zumindest ins Straucheln gerät. Ein homosexueller Dandy, der sich in Leben und Schreiben offenbart, rasant und offensiv arbeitet, ein Kind seiner Zeit, wie er eine seiner Autobiografien nennt, ja, dessen gesamtes Werk immer wieder an verschiedenen Orten einen Spiegel aufstellt, in welchem er, Klaus Mann, im eleganten Zweireiher vor den Trümmern dieser seiner Zeit zu sehen ist.
Auch die Biografie, die der Journalist Thomas Medicus geschrieben hat, beginnt mit jenem Ereignis, auf das Klaus Mann beinahe sein ganzes Leben hingewirkt hat, das er zugleich gefürchtet und ersehnt hat, mit seinem Tod nämlich. Den Prolog liest man wie eine Fall-Beschreibung, eine forensische Rekapitulation der letzten Tage eines vom Erfolg verwöhnten, von Niederlagen geschundenen und am Ende vom Teufel der Hoffnungslosigkeit gepackten Schriftstellers.
In der nächsten Blende sieht man schon die Familie Mann in der Bad Tölzer Sommerfrische, wohlsituiert durch die Welterfolge des Vaters, behütet und organisiert von Personal und Kindermädchen, die von der Familie teils dämonisiert, teils verherrlicht werden. Die besondere Ausstrahlung und geradezu legendenhafte Wirkmacht der Haushälterin „Affa“, der Tod eines Handwerkers im nahe gelegenen Teich, später der Selbstmord des Jugendfreundes Ricki Hallgarten – nichts entgeht der Verwandlung zum Motiv, zur allegorischen Mitgift für das rasante Leben Klaus Manns. Thomas Medicus greift diese Motive, die Klaus Mann für sein Schreiben genutzt hat, begierig wie kritisch auf und legt sie seiner biografischen Deutung zugrunde. Macht und Missbrauch, Erotik und das Spiel mit ihr in der Literatur: In der Odenwaldschule stößt Klaus Mann auf ein Internatsklima, das zwischen reformpädagogischer Modernität und pädophiler Übergriffigkeit schon jenes Drama vorwegnahm, mit dem diese Schule als damals „stadtferner und modernekritischer Kosmos“ heute in Verbindung gebracht wird. Der schratbärtige Schulleiter Paul Geheeb kommt in Klaus Manns Novelle „Der Alte“ als grapschender Sugardaddy vor, die Aufregung über die literarische Anverwandlung muss von Thomas Mann diskret abmoderiert werden.
Der Vater ist und bleibt Klaus Manns Referenzgröße von Beginn an. Klaus Manns erster Roman „Der fromme Tanz“, Medicus nennt ihn ein „Abenteuerbuch“, beschreibt die Loslösung eines jungen Mannes von seinem Elternhaus, auch im „Wendepunkt“ wird Klaus Mann immer wieder den Zirkel um seinen Vater ziehen, zugleich beklagt er in „Kind dieser Zeit“, dass man ihn stets als „den Sohn“ wahrnehme.
Medicus zeichnet Klaus Manns Leben und Kämpfe auch als Abwehrbewegungen gegen seinen Vater nach, die sich bei der Konturierung seines literarischen Profils als wirkungsvoll erwiesen sollten. Denn in der moderaten Position, Väter weder als Feinde noch als Vorbilder zu betrachten, bildet sich Manns ästhetische Schriftstellerfigur, der zunächst der revolutionäre Geist fehlt.
Die politische Raumleere, in der sich Klaus Manns Intellektualität während der Weimarer Republik bewegte, arbeitet Medicus gut heraus: Der Absage an Faschismus und Totalitarismus steht nicht unbedingt das Bekenntnis zum „demokratischen Zeitalter“ zur Seite, das Mann vielmehr als „klägliches Zwischenspiel“ zurückweist. Folgerichtig war Klaus Manns Erscheinung in der literarischen Öffentlichkeit dieser Jahre die eines Rebellen, wenngleich im Gewand des Dandys. Fast immer an seiner Seite: Schwester Erika, mit der er um die Welt reist – als queeres Geschwisterpaar vermarkten sie sich in New York als „Mann-Twins“, allerdings eher erfolglos. Freaks gab es dort schon damals zur Genüge.
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten zwingt Klaus Mann im März 1933 zur Flucht nach Paris, nach dem Onkel Heinrich ist Klaus der zweite aus der Mann-Familie, der von den Nazis ausgebürgert wird. Die systematische Installation der Diktatur macht aus dem Romantiker wiederum einen scharfen und im Blick auf das Mitläufertum mancher Weggefährten gnadenlosen Zeitschriftsteller. Abschiede von literarischen Idolen sind scharfe Zäsuren in Manns Leben. Stefan Georges (laut Medicus ein „Influencer in Sachen Literatur und Lebensstil“) indolentes Verhältnis zum NS-Regime trifft ihn weniger hart als die Hinwendung Gottfried Benns zur Kulturmaschine des Dritten Reichs.
Im französischen Exil gibt Mann die Zeitschrift „Die Sammlung“ heraus, ein publizistischer Thinktank mit großen Namen: Johannes R. Becher, Stefan Zweig, Hermann Kesten, Joseph Roth. Selbst alte Feinde wie Brecht und Kisch werden jetzt als Mitkämpfer gegen den Opportunismus der im Reich Gebliebenen betrachtet. Politik und Ideologie bilden für Klaus Manns Schritte weiterhin ein dünnes Eis. Im August 1934 reist er zum Allunionstreffen sowjettreuer Schriftsteller nach Moskau. Der noch junge Sowjetstaat hatte bereits eine große Hypothek an Unrecht und Gewaltexzessen auf dem Fundament. Mann ließ sich trotz leiser Zweifel zumindest anfänglich von der sowjetischen Propaganda blenden, die den Antifaschismus monopolisierte; auch auf dem von der Komintern organisierten und hoch manipulativen Pariser Kongress „Gegen Krieg und Faschismus“ war Klaus Mann zwar kein explizit kritischer Teilnehmer, aber sein eigener „sozialistischer Humanismus“ stand mit der ihm eigenen hedonistisch-religiösen Lebensauffassung dem Parteiapparat direkt entgegen.
Thomas Medicus hat sich – vor allem durch die Lektüre des über Jahrzehnte akribisch geführten Tagebuchs – ein von Empathie getragenes Bild von Klaus Mann erarbeitet. Manns Weltbild konnte schon deshalb nicht in Doktrinen und Betonideologie erstarren, weil es allein durch die Getriebenheit des Schriftstellers beweglich blieb. Die mit sadomasochistischen Praktiken ausgelebte Homosexualität sowie seine Morphiumsucht bildeten für sich einen inneren politischen Kampfplatz. Im Exil schreibt Mann den bizarren Prosatext „Die Mythen der Unterwelt“, in denen er seine eigene sexuelle Orientierung in die Reihe von Schwulen oder drogensüchtigen Männern der NS-Bewegung wie Ernst Röhm und Horst Wessel stellt – ein „sexuelles Pandämonium“, an dessen Spitze der geliebt-verhasste Gustaf Gründgens steht.
Medicus’ Exegese von Manns Zeitroman „Mephisto“ fragt nach der Grauzone, in welcher der reale Gustaf Gründgens seine Theaterarbeit im Dritten Reich organisierte. Allerdings, wendet Medicus ein, verzichte Mann bei der Nachzeichnung Gründgens in der Romanfigur Hendrik Höfken auf diese Uneindeutigkeit zugunsten einer Fundamentalkritik an Gründgens’ Rolle im Kulturbetrieb der Nazis.
Dabei schließt Medicus beinahe jede Roman-immanente Kritik mit Verweisen auf Klaus Manns eigene seelische oder sexuelle Disposition kurz – oft ist das aufschlussreich, gelegentlich wirkt es etwas hyperanalytisch, besonders wenn mit der Deutung eine Art nachträgliche pädagogische Handreichung einhergeht: „Vielleicht wäre es besser gewesen, Klaus nicht noch weiterer Verinnerlichung und Vereinzelung preiszugeben“, schreibt er anlässlich der Schulpolitik der Eltern Katia und Thomas. Medicus richtet sich manchmal allzu häuslich im Gemüt Manns ein, zum Beispiel als er vom angehenden Selbstmörder Klaus Mann mehr Mitgefühl für die Selbstmörderin Nelly Kröger, die von der Familie verachtete Frau seines Onkels Heinrich Mann verlangt.
Davon abgesehen gelingt Thomas Medicus mit dieser Biografie eine auffällig differenzierte Darstellung von Klaus Manns Leben und Schreiben. Die aktuellen Debatten um sexuelle Identitäten nimmt der Biograf dabei beiläufig auf. So konturiert er das Bild eines Schriftstellers, der an politischen wie kulturellen Schnittstellen des 20. Jahrhunderts beteiligt und zugleich von ihnen ausgeschlossen war.
Nach 1945 wird Klaus Mann, der zuvor in der amerikanischen Armee gedient hatte, zum Nachkriegsethnologen. Gemeinsam mit dem ebenfalls in die Vereinigten Staaten emigrierten Publizisten Curt Riess reist er ins zerstörte Deutschland, besichtigt die Reste des von der US-Armee zerstörten Obersalzbergs, in München interviewt er den durch sein Mitläufertum korrumpierten Richard Strauss. Gemeinsam mit anderen Journalisten trifft Klaus Mann im Mai 1945 in Augsburg auf Hermann Göring, der ihm zu seiner Enttäuschung nicht einmal unsympathisch vorkommt.
Klaus Mann bleibt auch nach dem Krieg ein Apologet der Exilliteratur. Die Gruppe 47 nimmt er kaum zur Kenntnis, den emsigen Aufbauwillen der besiegten Deutschen betrachtet er mit Misstrauen und Abscheu. Am Ende sucht er sogar Trost in der Spiritualität, erwägt auch einen Roman über die von angeblichen Stigmata heimgesuchte Therese von Konnersreuth zu schreiben. Mit all seinen Uneindeutigkeiten, dem zugleich qualvollen Ringen um Anerkennung und Identität als selbstbestimmter Schriftsteller ragt Klaus Mann in die Gegenwart hinein. In seiner von ideologischen Grabenkämpfen verwüsteten Epoche fand er keinen Platz. Vielleicht verhilft Thomas Medicus’ gründlich ausgeleuchtetes Porträt dazu, dass Klaus Mann in unserer von ideologischen Stellungskriegen geprägten Ära als faszinierender Autor, vielleicht als Kind auch unserer Zeit, wieder gelesen wird.
Die Diktatur macht aus
ihm einen gnadenlosen
Zeitschriftsteller
Am Ende sucht er
sogar Trost in
der Spiritualität
Klaus Mann um 1932.
Foto: ETH-Bibliothek Zürich / Thomas-Mann-Archiv
Thomas Medicus: Klaus Mann – Ein Leben. Rowohlt, Hamburg 2024. 544 Seiten, 28 Euro.
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