Dresden hat mit seinen einzigartigen Bauten, seinen reichen Sammlungen und als Ort der schönen Künste einen besonderen Beinamen erworben: Elbflorenz. Zugleich ist Dresden zum Symbol für die schlagartige Zerstörung einer Stadt geworden. Olaf B. Rader beschreibt in diesem reich illustrierten Band die Geschichte Dresdens von der ersten Besiedlung des Elbtalkessels über den glänzenden Aufstieg der sächsischen Residenzstadt und die Bombardierung im Zweiten Weltkrieg bis zur Gegenwart.
Kunst und Kultur haben Dresdens Ruf begründet. Daher liegt der Schwerpunkt des Buches auf der Kulturgeschichte der Stadt, die Olaf Rader auf meisterhafte Weise mit anderen Aspekten - Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Religion - in Beziehung setzt. Er erzählt von Kirchen und Kreuzpartikeln, von Herrschern und ihren Prachtbauten, der Semperoper, aber auch der Semperbarrikade, von den Romantikern und ihren Farben und Klängen, von Expressionisten und vom Bomberschlag, aber auch von Filtertüten, Mundwasser und den Konstruktionen eines "Dampfbootprofessors". So reicht das kulturgeschichtliche Panorama vom ersten Brückenbau bis zur jüngsten Bedrohung durch die große Flut. Zur Sprache kommt aber auch der "Erinnerungsort" Dresden: Der Autor beschreibt, wie sich die Vorstellungen von Dresden als dem Elbflorenz überhaupt entwickelt haben, wie Raffaels Sixtinische Madonna zum Kultbild wurde und wie die Zerstörung der Stadt in den Erinnerungen weiterlebt.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Kunst und Kultur haben Dresdens Ruf begründet. Daher liegt der Schwerpunkt des Buches auf der Kulturgeschichte der Stadt, die Olaf Rader auf meisterhafte Weise mit anderen Aspekten - Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Religion - in Beziehung setzt. Er erzählt von Kirchen und Kreuzpartikeln, von Herrschern und ihren Prachtbauten, der Semperoper, aber auch der Semperbarrikade, von den Romantikern und ihren Farben und Klängen, von Expressionisten und vom Bomberschlag, aber auch von Filtertüten, Mundwasser und den Konstruktionen eines "Dampfbootprofessors". So reicht das kulturgeschichtliche Panorama vom ersten Brückenbau bis zur jüngsten Bedrohung durch die große Flut. Zur Sprache kommt aber auch der "Erinnerungsort" Dresden: Der Autor beschreibt, wie sich die Vorstellungen von Dresden als dem Elbflorenz überhaupt entwickelt haben, wie Raffaels Sixtinische Madonna zum Kultbild wurde und wie die Zerstörung der Stadt in den Erinnerungen weiterlebt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.04.2006Schau und lies!
Was nach der TV-Schmonzette "Dresden" noch zu sagen bleibt
Die Steinglocke der Frauenkirche krönt wieder die Stadtsilhouette, die Repliken des Taschenberg- und des Coselpalais verströmen schon seit Jahren ihren Glanz, die Rekonstruktion des Schlosses schreitet voran, und die umliegenden Brachflächen füllen sich in atemraubendem Tempo mit Kopien von barocken Bürgerhausfassaden. Das einstige Elbflorenz, kurz vor Kriegsende in Grund und Boden gebombt und danach in eine austauschbare sozialistische Stadt verwandelt, ist wieder da. So jedenfalls dürften es die meisten Dresdner sehen, und die Touristenströme in der Altstadt geben ihnen recht.
Olaf Raders "Kleine Geschichte Dresdens" läßt sich ebenso gewinnbringend wie unterhaltsam während eines Wochenendausflugs in die Elbestadt lesen. Das Buch hat den Mut zur Lücke und ist einer dezidiert kulturwissenschaftlichen Perspektive verpflichtet. So wird die Kulturgeschichte der sächsischen Landeshauptstadt immer wieder durch punktuelle Vergleiche und instruktive Exkurse in gesamteuropäische Entwicklungen eingebettet, etwa bei den Schilderungen der dynastischen Grablegepraxis der Wettiner, des Aufbaus ihrer höfischen Kunstsammlungen seit der Einrichtung der Kunstkammer im Grünen Gewölbe oder der Wirkungsmacht der Romantik in Dresden. Besondere Aufmerksamkeit schenkt Rader der Rezeptionsgeschichte. Dementsprechend ausführlich widmet er sich beispielsweise dem Wandel der Urteile über Raffaels Sixtinische Madonna, die seit der Romantik für viele Generationen nicht nur zum Kultbild der Dresdner Gemäldesammlungen, sondern schlechthin zum Inbegriff von Hochkunst avancierte.
Der heiter-beschwingte, von zärtlicher Ironie durchsetzte Sprachduktus bricht in den Abschnitten zum Nazi-Terror und zur Bombardierung Dresdens ab. Bei der Schilderung des Infernos vom 13. und 14. Februar 1945 läßt Rader vor allem Zeitzeugen zu Wort kommen. Ihre knappen Berichte sind mitunter erschütternder als die mit höchstem simulationstechnischen Aufwand erzeugten Bilder der Fernsehschmonzette namens "Dresden". Ohne das Ausmaß der Kriegsverwüstung zu relativieren, ruft Rader im nachfolgenden Abschnitt die zweite Zerstörung der Stadt im Zuge des Wiederaufbaus der DDR-Zeit in Erinnerung. Durch die flächendeckende Planierung der Ruinen und die sozialistische Neugestaltung erhielt Dresden ein Aussehen, "als sei es doch auf der grünen Wiese errichtet worden".
Etwas blaß und uninspiriert wirkt einzig das Kapitel zur Nachwendezeit. Das Lob der "innovativen Leistungen" des Hochtechnologie-Standorts Dresden, "wo sich in interdisziplinärer Zusammenarbeit ein breites wissenschaftliches Potential und kreative Industrien verbinden", könnte einer städtischen Werbebroschüre für Investoren entstammen. Die Geschichte des Wiederaufbaus der Frauenkirche indes klingt wie eine Selbstdarstellung seiner Initiatoren. Die heftigen erinnerungspolitischen Kontroversen der letzten anderthalb Jahrzehnte bleiben dagegen ausgeblendet, und mit keinem Wort wird angedeutet, daß die Sehnsucht nach Elbflorenz nicht nur ehrwürdige Rekonstruktionsprojekte, sondern auch Mutationen des Dresdner Barock im Geiste des Gelsenkirchener Barock hervorbringt. Aber darüber kann man sich bei einem Spaziergang durch das heutige Dresden selbst ein Urteil bilden.
ARNOLD BARTETZKY
Olaf B. Rader: "Kleine Geschichte Dresdens". Verlag C. H. Beck, München 2005. 192 S., 64 Abb., 2 Karten, geb., 16,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was nach der TV-Schmonzette "Dresden" noch zu sagen bleibt
Die Steinglocke der Frauenkirche krönt wieder die Stadtsilhouette, die Repliken des Taschenberg- und des Coselpalais verströmen schon seit Jahren ihren Glanz, die Rekonstruktion des Schlosses schreitet voran, und die umliegenden Brachflächen füllen sich in atemraubendem Tempo mit Kopien von barocken Bürgerhausfassaden. Das einstige Elbflorenz, kurz vor Kriegsende in Grund und Boden gebombt und danach in eine austauschbare sozialistische Stadt verwandelt, ist wieder da. So jedenfalls dürften es die meisten Dresdner sehen, und die Touristenströme in der Altstadt geben ihnen recht.
Olaf Raders "Kleine Geschichte Dresdens" läßt sich ebenso gewinnbringend wie unterhaltsam während eines Wochenendausflugs in die Elbestadt lesen. Das Buch hat den Mut zur Lücke und ist einer dezidiert kulturwissenschaftlichen Perspektive verpflichtet. So wird die Kulturgeschichte der sächsischen Landeshauptstadt immer wieder durch punktuelle Vergleiche und instruktive Exkurse in gesamteuropäische Entwicklungen eingebettet, etwa bei den Schilderungen der dynastischen Grablegepraxis der Wettiner, des Aufbaus ihrer höfischen Kunstsammlungen seit der Einrichtung der Kunstkammer im Grünen Gewölbe oder der Wirkungsmacht der Romantik in Dresden. Besondere Aufmerksamkeit schenkt Rader der Rezeptionsgeschichte. Dementsprechend ausführlich widmet er sich beispielsweise dem Wandel der Urteile über Raffaels Sixtinische Madonna, die seit der Romantik für viele Generationen nicht nur zum Kultbild der Dresdner Gemäldesammlungen, sondern schlechthin zum Inbegriff von Hochkunst avancierte.
Der heiter-beschwingte, von zärtlicher Ironie durchsetzte Sprachduktus bricht in den Abschnitten zum Nazi-Terror und zur Bombardierung Dresdens ab. Bei der Schilderung des Infernos vom 13. und 14. Februar 1945 läßt Rader vor allem Zeitzeugen zu Wort kommen. Ihre knappen Berichte sind mitunter erschütternder als die mit höchstem simulationstechnischen Aufwand erzeugten Bilder der Fernsehschmonzette namens "Dresden". Ohne das Ausmaß der Kriegsverwüstung zu relativieren, ruft Rader im nachfolgenden Abschnitt die zweite Zerstörung der Stadt im Zuge des Wiederaufbaus der DDR-Zeit in Erinnerung. Durch die flächendeckende Planierung der Ruinen und die sozialistische Neugestaltung erhielt Dresden ein Aussehen, "als sei es doch auf der grünen Wiese errichtet worden".
Etwas blaß und uninspiriert wirkt einzig das Kapitel zur Nachwendezeit. Das Lob der "innovativen Leistungen" des Hochtechnologie-Standorts Dresden, "wo sich in interdisziplinärer Zusammenarbeit ein breites wissenschaftliches Potential und kreative Industrien verbinden", könnte einer städtischen Werbebroschüre für Investoren entstammen. Die Geschichte des Wiederaufbaus der Frauenkirche indes klingt wie eine Selbstdarstellung seiner Initiatoren. Die heftigen erinnerungspolitischen Kontroversen der letzten anderthalb Jahrzehnte bleiben dagegen ausgeblendet, und mit keinem Wort wird angedeutet, daß die Sehnsucht nach Elbflorenz nicht nur ehrwürdige Rekonstruktionsprojekte, sondern auch Mutationen des Dresdner Barock im Geiste des Gelsenkirchener Barock hervorbringt. Aber darüber kann man sich bei einem Spaziergang durch das heutige Dresden selbst ein Urteil bilden.
ARNOLD BARTETZKY
Olaf B. Rader: "Kleine Geschichte Dresdens". Verlag C. H. Beck, München 2005. 192 S., 64 Abb., 2 Karten, geb., 16,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Für Rezensent Arnold Bartetzky ist die "Kleine Geschichte Dresdens" ein Gewinn. Aus einer "dezidiert kulturwissenschaftlichen Perspektive"spanne Olaf B. Rader den Bogen von der Grablegepraxis der Wettiner über den Aufbau der höfischen Kunstsammlung hin zur Sixtinischen Madonna, der aus rezeptionsgeschichtlicher Sicht besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Raders "heiter-beschwingte, von zärtlicher Ironie durchsetzte Sprachduktus" endet in den Kapiteln zur Bombardierung im Februar 1945 und der nachfolgenden sozialistischen Wiederaufbauzeit, informiert Barteztky weiter, denn hier bekommen Zeitzeugen das Wort, die wesentlich mehr aussagen als die "Fernsehschmonzette namens 'Dresden'". Einzig das Kapitel zur Nachwendezeit kommt laut Bartetzky zu kurz, der das Buch für einen Wochenendausflug nach Dresden empfiehlt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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