Den Charakter der Stadt Wien kann nur begreifen, wer ihre Vergangenheit kennt. Sie ist und war stets eine multikulturelle Stadt, deren Atmosphäre einzigartig ist. Einst als Kaiserstadt berühmt, gelang ihr durch die Ostöffnung der EU der Wiederaufstieg zu europäischer Bedeutung: Wien ist ein internationaler und lebendiger Treffpunkt, eine Stadt voller Tradition, herrlicher Bauten und Museen, die Welthauptstadt der Musik und eine der lebenswertesten Städte der Welt.Augenzwinkernd beschreibt die Autorin, was den "echten Wiener" und den "Wiener Charme" ausmacht: die geringe Gewaltbereitschaft, der Hang zu Gemütlichkeit, Schlemmerei und Musik, die gern geübte ErSetzung des Wortes "nein" durch "vielleicht", aber auch die Neigung zu "Raunzerei" und Intrigen, Titelsucht und Obrigkeitsglauben als Erbteil der noch nicht ganz überwundenen kaiserlichen Vergangenheit und ein merkwürdiges, fast barockes Naheverhältnis zum Tod
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.03.2011Wiener
Allerlei
Wien auf nicht einmal 200 Seiten – geht das überhaupt? Ja, es funktioniert. Die Historikerin Anna Ehrlich demonstriert dies, sie fängt in der Altsteinzeit mit den Rentier-Jägern an und endet mit der „traditionellen Fremdenfeindlichkeit“ der Gegenwart, mit der populistische Wählergruppen den schon lange in der Stadt regierenden Sozialdemokraten den Rang abzulaufen versuchen. Obwohl historische Großereignisse wie die Belagerung der Türken und der Wiener Kongress nur kurz skizziert werden können, vermittelt diese „Kleine Geschichte“ mehr als Zahlen und Fakten. Anna Ehrlich garniert sie mit Schilderungen kurioser Ereignisse und Personen, die das historisch gewachsene Lebensgefühl dieser Stadt prägten. Ein Beispiel: Der Dudelsackpfeifer Augustin schlief seinen Rausch in einem Pest-Massengrab aus, er hielt die Leichen für Trinkgenossen und dudelte los. O, du lieber Augustin!
Rudolf Neumaier
Anna Ehrlich:
Kleine Geschichte Wiens. Verlag Friedrich Pustet,
Regensburg 2011.
190 Seiten, 14,90 Euro.
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Allerlei
Wien auf nicht einmal 200 Seiten – geht das überhaupt? Ja, es funktioniert. Die Historikerin Anna Ehrlich demonstriert dies, sie fängt in der Altsteinzeit mit den Rentier-Jägern an und endet mit der „traditionellen Fremdenfeindlichkeit“ der Gegenwart, mit der populistische Wählergruppen den schon lange in der Stadt regierenden Sozialdemokraten den Rang abzulaufen versuchen. Obwohl historische Großereignisse wie die Belagerung der Türken und der Wiener Kongress nur kurz skizziert werden können, vermittelt diese „Kleine Geschichte“ mehr als Zahlen und Fakten. Anna Ehrlich garniert sie mit Schilderungen kurioser Ereignisse und Personen, die das historisch gewachsene Lebensgefühl dieser Stadt prägten. Ein Beispiel: Der Dudelsackpfeifer Augustin schlief seinen Rausch in einem Pest-Massengrab aus, er hielt die Leichen für Trinkgenossen und dudelte los. O, du lieber Augustin!
Rudolf Neumaier
Anna Ehrlich:
Kleine Geschichte Wiens. Verlag Friedrich Pustet,
Regensburg 2011.
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