Bereits in der 35. Auflage mit über 220.000 Exemplaren verbreitet, bietet das "Kleine Konzilskompendium" alle Konstitutionen, Dekrete und Erklärungen, die unter Mitarbeit der Verfasser im Auftrag der deutschen Bischöfe übersetzt wurden. Eine hinführende allgemeine Einleitung sowie 16 spezielle Einführungen aus der Feder Karl Rahners und Herbert Vorgrimlers erschließen die Texte und bieten eine zuverlässige, sachliche und präzise Kurzkommentierung. Das sorgfältig erarbeitete, ausführliche Sachregister führt zu allen wichtigen Details in den Originaltexten und trägt zum Verständnis von Sinn und Gehalt der Konzilstexte bei.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.03.2009Der Anfang eines Anfangs
Schlangenlinien: Die Akten des Zweiten Vatikanischen Konzils
Der Stein des Anstoßes wiegt 885 Gramm und umfasst 776 Seiten. Er besteht aus sechzehn verschiedenen Texten, aus drei Erklärungen, vier Konstitutionen und neun Dekreten. Seit der Wiederannäherung der Priesterbruderschaft St. Pius X. an die katholische Kirche streitet man mit kulturkämpferischer Verbissenheit um besagtes Konvolut. Die sechzehn Texte sind der Ertrag des Zweiten Vatikanischen Konzils. Ob man nun die Kirche stärker zur Welt hin öffnen oder sie klarer ihr gegenüberstellen möchte: Stets heißt es, das Konzil gebiete es gerade so. Welche Strategien aber verfolgen die sechzehn Texte? Kann man sie heute anders denn historisch lesen?
Eine doppelte Disparatheit durchzieht das gesamte Korpus. Die sechzehn Texte sind sowohl untereinander als auch in sich von sehr gemischter Güte. Prägnante Formulierungen stehen neben ermüdender Fachterminologie, forsche Zukunftsfreude trifft auf düstere Ahnungen. Das „Konzil in Freiheit und echtem Dialog” mag tatsächlich, wie es Karl Rahner formuliert, den Mut bewiesen haben, „Weisungen zu geben im Blick auf eine konkrete Situation.” Es mag tatsächlich „der Anfang eines Anfangs” gewesen sein, dessen Beginnen noch anhält. Nur eben stellt sich die konkrete Situation heute ganz anders dar als zwischen 1962 und 1965. Hinter den zeitbedingten Zutaten, den Flapsigkeiten, Kühnheiten und Engführungen, muss das Bleibende offenlegen, wer die Texte beleben will. Diese scheiden selbst zwischen dem, was „der Mensch immer versucht hat”, und dem „heute jedoch” Üblichen.
Unentwirrbar ist dieses Knäuel aus Zufall und Notwendigkeit im mit 93 Paragraphen längsten und geschwätzigsten Dokument, der „pastoralen Konstitution über die Kirche in der Welt von heute”, im lateinischen Original nach den Anfangsworten „Gaudium et spes” betitelt. „Heute jedoch”, heißt es, habe der Mensch „vor allem mit den Mitteln der Wissenschaft und der Technik seine Herrschaft über beinahe die gesamte Natur ausgebreitet und breitet sie beständig weiter aus. Vor allem dank der zwischen den Völkern zunehmenden Beziehungen der mannigfaltigsten Art erfährt und gestaltet sich die Menschheitsfamilie allmählich als eine die ganze Welt umfassende Gemeinschaft.” Der redundante Stil, die adverbiale Häufung und das stete Pochen auf dem einmal Erkannten erwecken den Eindruck: Hier kneift sich ein Autorenkollektiv beständig in den eigenen Arm. Ja, das alles ist wahr gewesen.
Es gab einmal, wie es „Gaudium et Spes” konstatiert, eine „Wachstumskrise” und in deren Gefolge „dramatische” Veränderungen, „Widersprüche und Störungen des Gleichgewichts”, einen „tiefen und raschen Wandel der Verhältnisse”. Man konnte einmal recht ungetrübt von den „Siegen der Menschheit” reden, namentlich vom „unerhörten Wachstum der Natur- und Geisteswissenschaften, auch der Gesellschaftswissenschaften, der Ausweitung der Technik sowie dem Fortschritt im Ausbau und in der guten Organisation der Kommunikationsmittel.” Im Taumel über so viele „positive Werte”, die von spezialisierten „Teams” solidarisch vorangetrieben werden, über den grenzenlosen, erstaunlichen, unwiderstehlichen „kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt” verblasst die Richtung des Unterfangens. Schließlich sollten keine Thesenpapiere zukunftstrunkener Diskussionszirkel erarbeitet werden, sondern „Weisungen” eines sich selbst als heilig bezeichnenden Konzils an alle Katholiken.
Der Philosoph Robert Spaemann urteilte jüngst, „Gaudium et Spes” atme den Geist einer vergangenen Epoche. Verdienstvoll und einschneidend bleibt die Entschlossenheit, mit der sich die Texte in der damaligen Gegenwart verorten. Kein Frömmlertum spricht aus ihnen, wohl aber eine zupackende Neugier auf alles Irdische. Ihr Bezugspunkt ist der Mensch, ihr Rahmen die Welt. Beides wird natürlich durch die Brille des Glaubens gesehen, sodass der erste Satz des ersten Dokuments, der Konstitution über die Liturgie, auch für „Gaudium et Spes” gilt: Ziel des Konzils sei es, „das christliche Leben unter den Gläubigen zu vertiefen” und die „dem Wechsel unterworfenen Einrichtungen den Notwendigkeiten unseres Zeitalters besser anzupassen”. Beides ist bekanntlich misslungen. Waren die Mittel falsch, oder hat man die richtigen Mittel falsch, halbherzig, mutlos angewandt?
Erstaunlicherweise spricht aus den Texten zur Liturgie und zur Kirche keineswegs jene bilderstürmende Haltung, die zu erwarten wäre, sähe man die innerkirchliche Lage ebenso zukunftsfroh wie die außerkirchliche Welt. Hier, im Kernbereich des Glaubens, argumentieren die Texte kühler, abwägender – gewiss auch deshalb, weil der freudige Blick auf die Realitäten jenseits der Bischofssitze ungewohnt und darum in ein heute trüb gewordenes mildes Licht getaucht war.
Die liturgischen Riten will man den „Erfordernissen unserer Zeit anpassen”. Kürzer sollen sie werden, eingängiger, „frei von unnötigen Wiederholungen”, solchermaßen die „volle, bewusste und tätige Teilnahme” der Gläubigen erleichternd. Eine radikale Neuerfindung findet nicht statt. Die jeweilige Landessprache darf „einen weiteren Raum” als bisher einnehmen, Latein bleibt jedoch die Sprache der Liturgie. Vom gregorianischen Choral heißt es, er solle im Gottesdienst „den ersten Platz einnehmen.” Insofern müsste, wer heute die uneingeschränkte Anerkennung des Konzils fordert, Gitarre und Keyboard aus dem Gottesdienst verbannen und die wesentlichen Gebete auf Latein sprechen.
Die katholische Kirche stellt von sich selbst fest, im dritten Text, nachdem zuvor die „gute Presse” und „gute Rundfunk- und Fernsehsendungen” gewürdigt worden sind: Sie allein besitze die volle religiöse Wahrheit, „vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit” gebe es indes auch „außerhalb ihres Gefüges”. Dialektisch geschult, versuchen sich die Autoren der „dogmatischen Konstitution über die Kirche” an einem Sowohl-als-auch. Wer die katholische Kirche kennt, in sie aber nicht eintritt, der könne „nicht gerettet werden”. Gleichwohl würdigen die Bischöfe an anderer Stelle „das Band besonderer Verwandtschaft” zwischen ihnen und den nichtkatholischen Christen. Auch für Hinduisten, Buddhisten, Moslems und Juden findet man freundliche, friedliche Worte. Der Antisemitismus wird beklagt, jeglicher Rassismus verworfen: Dieser Meilenstein bleibt das mit Abstand größte Verdienst des Konzils.
Ansonsten hinterlassen die sechzehn Texte ein zwiespältiges Bild. Die Autoren, die Bischöfe samt Mitarbeitern, greifen im Bestreben, die ganze Wirklichkeit von damals zu umfassen, nach mancher Narretei. Muss ein „heiliges Konzil” sich Gedanken machen über Freizeit und Urlaub, über Verkehrsregeln und Währungen und Landwirtschaft? Soll es wirklich en detail die Gefährdungen seiner Gegenwart auflisten, vom Wettrüsten über die Armut in den Entwicklungsländern hin zum Atheismus? Heute sind die meisten Texte nur archäologisch von Belang – ebenso wie die Texte des Ersten Vatikanums oder des Konzils von Trient.
Anders verhält es sich, deutet man sie als Gedächtnisspeicher. Eine unschätzbare Quelle des religiösen Bewusstseinswandels tut sich da auf. Vermutlich konnte nur in der Mitte der Nachkriegsära, auf halber Strecke zwischen Kriegsende und Mauerfall, eine solch unwahrscheinliche Mischung aus Optimismus und Tradition, aus kindlicher Freude an der Moderne und Modernitätskritik entstehen. Die heutige Gegenwart aber lässt sich mit den Begriffen von damals nicht aufschließen. Das ist das Schicksal jeder Haltung, die auf der Höhe ihrer jeweiligen Zeit argumentiert. Die sechzehn Texte, wie nun von traditionalistischer und progressistischer Seite gefordert, schlicht zu studieren, wird zu keinem befriedenden Ergebnis führen. Schlangenlinien werden auch im Rückspiegel nicht gerade. ALEXANDER KISSLER
KARL RAHNER, HERBERT VORGRIMLER (Hrsg.): Kleines Konzilskompendium. Sämtliche Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils. Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2008. 776 Seiten, 22 Euro.
Wer die Kirche kennt, aber nicht eintritt, kann nicht gerettet werden
Hier mischen sich Freude an der Moderne und Kritik an ihr
Eröffnungssitzung des Konzils im Petersdom, 1962 Foto: UPI
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Schlangenlinien: Die Akten des Zweiten Vatikanischen Konzils
Der Stein des Anstoßes wiegt 885 Gramm und umfasst 776 Seiten. Er besteht aus sechzehn verschiedenen Texten, aus drei Erklärungen, vier Konstitutionen und neun Dekreten. Seit der Wiederannäherung der Priesterbruderschaft St. Pius X. an die katholische Kirche streitet man mit kulturkämpferischer Verbissenheit um besagtes Konvolut. Die sechzehn Texte sind der Ertrag des Zweiten Vatikanischen Konzils. Ob man nun die Kirche stärker zur Welt hin öffnen oder sie klarer ihr gegenüberstellen möchte: Stets heißt es, das Konzil gebiete es gerade so. Welche Strategien aber verfolgen die sechzehn Texte? Kann man sie heute anders denn historisch lesen?
Eine doppelte Disparatheit durchzieht das gesamte Korpus. Die sechzehn Texte sind sowohl untereinander als auch in sich von sehr gemischter Güte. Prägnante Formulierungen stehen neben ermüdender Fachterminologie, forsche Zukunftsfreude trifft auf düstere Ahnungen. Das „Konzil in Freiheit und echtem Dialog” mag tatsächlich, wie es Karl Rahner formuliert, den Mut bewiesen haben, „Weisungen zu geben im Blick auf eine konkrete Situation.” Es mag tatsächlich „der Anfang eines Anfangs” gewesen sein, dessen Beginnen noch anhält. Nur eben stellt sich die konkrete Situation heute ganz anders dar als zwischen 1962 und 1965. Hinter den zeitbedingten Zutaten, den Flapsigkeiten, Kühnheiten und Engführungen, muss das Bleibende offenlegen, wer die Texte beleben will. Diese scheiden selbst zwischen dem, was „der Mensch immer versucht hat”, und dem „heute jedoch” Üblichen.
Unentwirrbar ist dieses Knäuel aus Zufall und Notwendigkeit im mit 93 Paragraphen längsten und geschwätzigsten Dokument, der „pastoralen Konstitution über die Kirche in der Welt von heute”, im lateinischen Original nach den Anfangsworten „Gaudium et spes” betitelt. „Heute jedoch”, heißt es, habe der Mensch „vor allem mit den Mitteln der Wissenschaft und der Technik seine Herrschaft über beinahe die gesamte Natur ausgebreitet und breitet sie beständig weiter aus. Vor allem dank der zwischen den Völkern zunehmenden Beziehungen der mannigfaltigsten Art erfährt und gestaltet sich die Menschheitsfamilie allmählich als eine die ganze Welt umfassende Gemeinschaft.” Der redundante Stil, die adverbiale Häufung und das stete Pochen auf dem einmal Erkannten erwecken den Eindruck: Hier kneift sich ein Autorenkollektiv beständig in den eigenen Arm. Ja, das alles ist wahr gewesen.
Es gab einmal, wie es „Gaudium et Spes” konstatiert, eine „Wachstumskrise” und in deren Gefolge „dramatische” Veränderungen, „Widersprüche und Störungen des Gleichgewichts”, einen „tiefen und raschen Wandel der Verhältnisse”. Man konnte einmal recht ungetrübt von den „Siegen der Menschheit” reden, namentlich vom „unerhörten Wachstum der Natur- und Geisteswissenschaften, auch der Gesellschaftswissenschaften, der Ausweitung der Technik sowie dem Fortschritt im Ausbau und in der guten Organisation der Kommunikationsmittel.” Im Taumel über so viele „positive Werte”, die von spezialisierten „Teams” solidarisch vorangetrieben werden, über den grenzenlosen, erstaunlichen, unwiderstehlichen „kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt” verblasst die Richtung des Unterfangens. Schließlich sollten keine Thesenpapiere zukunftstrunkener Diskussionszirkel erarbeitet werden, sondern „Weisungen” eines sich selbst als heilig bezeichnenden Konzils an alle Katholiken.
Der Philosoph Robert Spaemann urteilte jüngst, „Gaudium et Spes” atme den Geist einer vergangenen Epoche. Verdienstvoll und einschneidend bleibt die Entschlossenheit, mit der sich die Texte in der damaligen Gegenwart verorten. Kein Frömmlertum spricht aus ihnen, wohl aber eine zupackende Neugier auf alles Irdische. Ihr Bezugspunkt ist der Mensch, ihr Rahmen die Welt. Beides wird natürlich durch die Brille des Glaubens gesehen, sodass der erste Satz des ersten Dokuments, der Konstitution über die Liturgie, auch für „Gaudium et Spes” gilt: Ziel des Konzils sei es, „das christliche Leben unter den Gläubigen zu vertiefen” und die „dem Wechsel unterworfenen Einrichtungen den Notwendigkeiten unseres Zeitalters besser anzupassen”. Beides ist bekanntlich misslungen. Waren die Mittel falsch, oder hat man die richtigen Mittel falsch, halbherzig, mutlos angewandt?
Erstaunlicherweise spricht aus den Texten zur Liturgie und zur Kirche keineswegs jene bilderstürmende Haltung, die zu erwarten wäre, sähe man die innerkirchliche Lage ebenso zukunftsfroh wie die außerkirchliche Welt. Hier, im Kernbereich des Glaubens, argumentieren die Texte kühler, abwägender – gewiss auch deshalb, weil der freudige Blick auf die Realitäten jenseits der Bischofssitze ungewohnt und darum in ein heute trüb gewordenes mildes Licht getaucht war.
Die liturgischen Riten will man den „Erfordernissen unserer Zeit anpassen”. Kürzer sollen sie werden, eingängiger, „frei von unnötigen Wiederholungen”, solchermaßen die „volle, bewusste und tätige Teilnahme” der Gläubigen erleichternd. Eine radikale Neuerfindung findet nicht statt. Die jeweilige Landessprache darf „einen weiteren Raum” als bisher einnehmen, Latein bleibt jedoch die Sprache der Liturgie. Vom gregorianischen Choral heißt es, er solle im Gottesdienst „den ersten Platz einnehmen.” Insofern müsste, wer heute die uneingeschränkte Anerkennung des Konzils fordert, Gitarre und Keyboard aus dem Gottesdienst verbannen und die wesentlichen Gebete auf Latein sprechen.
Die katholische Kirche stellt von sich selbst fest, im dritten Text, nachdem zuvor die „gute Presse” und „gute Rundfunk- und Fernsehsendungen” gewürdigt worden sind: Sie allein besitze die volle religiöse Wahrheit, „vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit” gebe es indes auch „außerhalb ihres Gefüges”. Dialektisch geschult, versuchen sich die Autoren der „dogmatischen Konstitution über die Kirche” an einem Sowohl-als-auch. Wer die katholische Kirche kennt, in sie aber nicht eintritt, der könne „nicht gerettet werden”. Gleichwohl würdigen die Bischöfe an anderer Stelle „das Band besonderer Verwandtschaft” zwischen ihnen und den nichtkatholischen Christen. Auch für Hinduisten, Buddhisten, Moslems und Juden findet man freundliche, friedliche Worte. Der Antisemitismus wird beklagt, jeglicher Rassismus verworfen: Dieser Meilenstein bleibt das mit Abstand größte Verdienst des Konzils.
Ansonsten hinterlassen die sechzehn Texte ein zwiespältiges Bild. Die Autoren, die Bischöfe samt Mitarbeitern, greifen im Bestreben, die ganze Wirklichkeit von damals zu umfassen, nach mancher Narretei. Muss ein „heiliges Konzil” sich Gedanken machen über Freizeit und Urlaub, über Verkehrsregeln und Währungen und Landwirtschaft? Soll es wirklich en detail die Gefährdungen seiner Gegenwart auflisten, vom Wettrüsten über die Armut in den Entwicklungsländern hin zum Atheismus? Heute sind die meisten Texte nur archäologisch von Belang – ebenso wie die Texte des Ersten Vatikanums oder des Konzils von Trient.
Anders verhält es sich, deutet man sie als Gedächtnisspeicher. Eine unschätzbare Quelle des religiösen Bewusstseinswandels tut sich da auf. Vermutlich konnte nur in der Mitte der Nachkriegsära, auf halber Strecke zwischen Kriegsende und Mauerfall, eine solch unwahrscheinliche Mischung aus Optimismus und Tradition, aus kindlicher Freude an der Moderne und Modernitätskritik entstehen. Die heutige Gegenwart aber lässt sich mit den Begriffen von damals nicht aufschließen. Das ist das Schicksal jeder Haltung, die auf der Höhe ihrer jeweiligen Zeit argumentiert. Die sechzehn Texte, wie nun von traditionalistischer und progressistischer Seite gefordert, schlicht zu studieren, wird zu keinem befriedenden Ergebnis führen. Schlangenlinien werden auch im Rückspiegel nicht gerade. ALEXANDER KISSLER
KARL RAHNER, HERBERT VORGRIMLER (Hrsg.): Kleines Konzilskompendium. Sämtliche Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils. Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 2008. 776 Seiten, 22 Euro.
Wer die Kirche kennt, aber nicht eintritt, kann nicht gerettet werden
Hier mischen sich Freude an der Moderne und Kritik an ihr
Eröffnungssitzung des Konzils im Petersdom, 1962 Foto: UPI
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Einen ambivalenten Eindruck hat dieser von Karl Rahner und Herbert Vorgrimler herausgegebene Band mit den Akten des Zweiten Vatikanischen Konzils bei Alexander Kissler hinterlassen. Die sechzehn Texte, Ergebnisse des zwischen 1962 und 1965 abgehaltenen Konzils, erscheinen ihm untereinander wie auch in sich sehr durchwachsen. Karl Rahners Einschätzung, dieses Konzil habe den Mut gehabt, "Weisungen zu geben im Blick auf eine konkrete Situation?, es sei der "der Anfang eines Anfangs? gewesen, will er gar nicht widersprechen. Aber er sieht doch einen klaren Unterschied zwischen der konkreten Situation damals und heute. In seinen Augen sind die Texte vor allem von historischem Interesse. So gesehen bezeugen sie für ihn durchaus einen "religiösen Bewusstseinswandel?.
© Perlentaucher Medien GmbH
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