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Georgi Gospodinov ist nicht nur Bulgariens interessantester Lyriker, er ist dank seiner zahlreichen Übersetzungen auch die wichtigste literarische Stimme seines Landes. Dieser erste deutsche Auswahlband versammelt ausgewählte Gedichte aus den bisher vorliegenden Lyrikbänden, vom mehrfach mit Preisen bedachten Debütband "Lapidarium" (1992) bis zu seinem jüngsten Zyklus "Die Sonntage der Welt" (2007), ergänzt um bisher unveröffentlichte Texte. Die Leser des "Natürlichen Romans" werden einiges an Themen und Motiven wiedererkennen: da gibt es zahlreiche Fliegen, da gibt es das konfliktreiche Feld…mehr

Produktbeschreibung
Georgi Gospodinov ist nicht nur Bulgariens interessantester Lyriker, er ist dank seiner zahlreichen Übersetzungen auch die wichtigste literarische Stimme seines Landes. Dieser erste deutsche Auswahlband versammelt ausgewählte Gedichte aus den bisher vorliegenden Lyrikbänden, vom mehrfach mit Preisen bedachten Debütband "Lapidarium" (1992) bis zu seinem jüngsten Zyklus "Die Sonntage der Welt" (2007), ergänzt um bisher unveröffentlichte Texte.
Die Leser des "Natürlichen Romans" werden einiges an Themen und Motiven wiedererkennen: da gibt es zahlreiche Fliegen, da gibt es das konfliktreiche Feld der ehelichen Treue, aber vor allem konzentriert sich das lyrische Universum von Georgi Gospodinov auf die Kreatürlichkeit unserer Existenz »Mit dem Körper will ich beginnen / mit der göttlichen Laune unserer Verschiedenheit« und infolgedessen auch auf ihre Hinfälligkeit. Das Fest des Lebens geht unmittelbar in ein Totenfest über, dem dieser »experimentelle Humorist der Verzweiflung«(Jörg Plath) sehr pointierte Beobachtungen abgewinnt.
Zwischen epigrammatischer Kürze und Epistel in Prosa, zwischen Witz und Elegie bewegen sich diese Gedichte, und der Schrecken der Vergänglichkeit, der Geschichte (des Balkans insbesondere) und nicht zuletzt der Liebe wird in ihnen nur mühsam durch eine sehr trockene Komik in Bann gehalten.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Georgi Gospodinov wurde 1968 in Jambol in Bulgarien geboren, studierte Bulgarische Philologie in Sofia, redigiert seit 1993 eine Literaturzeitung, ist Kolumnist der Tageszeitung Dnevnikund arbeitet am Literaturinstitut der Bulgarischen Akademie der Künste. 1992 debütierte Gospodinov mit dem Lyrikband Lapidarium, dem ein weiterer Gedichtband 1996 folgte; einem internationalen Publikum wurde er mit seinem ersten Roman, eben dem "Natürlichen Roman", 1999, bekannt - Übersetzungen in mittlerweile zehn Sprachen folgten. Auch als Bühnen- und Drehbuchautor (der Kurzfilm "The Ritual" war Teil des Eröffnungsprogramms der 55. Internationalen Filmfestspiele Berlin) war Gospodinov erfolgreich.

Uwe Kolbe, geb. 1957 in Ostberlin, übersiedelte 1988 nach Hamburg und lebt heute, nach Jahren in Tübingen, wieder als freier Schriftsteller in Berlin. Seit 2007 mehrfach als poet in residence in den USA. Für seine Arbeit wurde er u.a. mit dem Stipendium der Villa Massimo, dem Preis der Literaturhäuser und zuletzt 2012 dem Heinrich-Mann-Preis und dem Lyrikpreis Meran ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.02.2010

KURZKRITIK
Katze entlaufen
Georgi Gospodinovs Gedichtband „Kleine morgendliche Verbrechen”
Die Gedichte von Georgi Gospodinov haben häufig etwas Haikuhaftes an sich; mitunter setzen sie auf den Überraschungseffekt, auf das kurze Aufblitzen von etwas, das man für eine tiefere Wahrheit zu halten geneigt ist. So etwa in jenem Gedicht, in dem Henne und Ei sich gegenüberstehen „und keiner von beiden / sagt / Mama”.
Ausnahmsweise streift der 1968 im bulgarischen Jambol geborene Gospodinov in diesen Versen die Gefilde nicht nur der Metaphysik, sondern auch der Kalauer. Allein auf die Pointe aber kommt es ihm selten an. Dem Autor des vielgelobten „Natürlichen Romans” (2007) geht es darum, kleine Momente der Erleuchtung festzuhalten, und manchmal braucht er dazu nicht einmal die drei Zeilen eines Haiku: „Eine Biene krabbelt / über den ganzen Himmel”, lautet etwa das Gedicht „Fenster”. Kaum weniger konzentriert heißt es in „Nachmittag. Stunden”: „Es fällt ein Apfel und verfault, / wenn Regen fällt – / Schnaps.”
Aber auch Gospodinovs längere Gedichte wirken kondensiert und schlackenfrei, wie von fester Hand geordnet. Um Tod und Liebe geht es in ihnen, und wie man in dem von Valeria Jäger, Uwe Kolbe und Alexander Sitzmann hervorragend übersetzten Auswahlband nun nachlesen kann, eben immer wieder auch um den alltäglichen Augenblick: „Eines Abends / im Hotelzimmer / im staatlichen Rundfunk/ hören, wie der Nachrichtensprecher / die Hiobsbotschaften mit/ einer einzige Meldung erschöpft: / Schwarze Katze entlaufen / im Stadtzentrum . . . / (Das war es für heute von uns, gute Nacht!)”TOBIAS LEHMKUHL
GEORGI GOSPODINOV: Kleines morgendliches Verbrechen. Aus dem Bulgarischen von Valeria Jäger, Uwe Kolbe und Alexander Sitzmann. Droschl Verlag, Graz und Wien 2010. 120 Seiten, 18 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2010

Thrakischer Beat
Georgi Gospodinovs Poesie des Banalen

Der alte Beatnik Allen Ginsberg ist tot. Irgendwo in einem bulgarischen Nest trauert ein lyrisches Ich neben einer rostigen Sämaschine. Daneben jammert "der verrückte Risto" um seinen Hahn, den ein Lkw überfahren hat. "So saßen wir da / Ich Allen Ginsberg der verrückte Risto / der Hahn und Lev Nikolaevic mit Byron / (der Graf neben dem Lord) und schälten Sonnenblumenkerne." So kommen die Welt und die Weltliteratur nach Bulgarien und Bulgarien in die Welt.

Es ist das Banale, das Einfache, das Absurde, das in den Gedichten Georgi Gospodinovs die Hauptrolle spielt: die Dinge des Alltags, die kleinen Tragödien und die vergessenen Freuden der Kindheit, auch die kleinen und größeren Grausamkeiten, der Tod einer Fliege, das Wiedersehen mit einer Frau, die einen vor sechs Jahren verlassen hat, einfach so, während sie das Abendessen kochte. "Komme gleich wieder und zog nicht einmal die Tür zu." Nach Jahren ist sie beim Wiedersehen erschrocken "wie jemand, der sich erinnert, / das Bügeleisen angelassen zu haben . . .".

In lyrischen Miniaturen wird aus dem gewöhnlichen männlichen Urinieren im Wald ein "Wölkchen aus Dampf", ein beschaulicher ländlicher Nachmittag mutiert zur "Totenmesse der Fliegen" und der morgendliche Gang zur Außentoilette endet im tragischen Austritt: mit einem "kleinen Verbrechen", dem versehentlichen Zertreten einer Schnecke. Das Kreatürliche, das Verletzliche, das Vergängliche sind die beherrschenden Themen dieses schmalen Bändchens, mal verpackt ins Elegische, mal humorig-ironisch, mal in freier Versform, mal als Lyrik in Prosa.

Die Worte bleiben in der Schwebe, für einen Moment wird der Sinn erschüttert, ohne dass die Lücken der Sprache gleich wieder mit Dekor zugestopft werden. Vergnügen bereitet der Überraschungseffekt, jener Genuss, der einen beim Verzehr der einfachen Speisen aus der Kindheit überkommt, eine Poetik des Alltags eben, wie sie in der Ich-reflektierenden Lyrik unserer Zeitzonen selten geworden ist. Es wir gekalauert, kurz und selten scherzlos erhält jedes Wort seine Bedeutung: "Eine Biene krabbelt / über den ganzen Himmel".

Gospodinov, so Uwe Kolbe in seinem Nachwort, tritt zurück und gibt den Blick für den Leser frei. Worauf? Auf das, was wir sonst übersehen und überhören. Geboren wurde der Dichter 1968 im bulgarischen Städtchen Jambol, einem Kleinod antiker und mittelalterlicher Geschichte. Nach dem Studium der Philologie in Sofia in den Jahren des Umbruchs debütierte er 1992 mit dem Gedichtband "Lapidarium". International bekannt wurde Gospodinov mit seinem "Natürlichen Roman" (1999; dt. 2007), der skurrilen Geschichte einer Ehekrise. Alle siebzehn Seiten versucht der Erzähler, neu anzufangen. Interpretiert wurde dies als fulminanter Ausdruck der Leere der postkommunistischen, postmodernen, postideologischen bulgarischen Gesellschaft.

Das nun vorliegende schmale Bändchen liefert eine Auswahl aus Gedichtsammlungen der Jahre 1992 bis heute. Nach dem "Entgräten der Texte" bleiben darin die elementaren Dinge zum Verzehr übrig, jene letzten Dinge, die eben nicht die einfachsten sind. In einem Haiku-Dreizeiler heißt es: "Nacht für Nacht / von der Frau träumen / neben der man liegt".

SABINE BERKING

Georgi Gospodinov: "Kleines morgendliches Verbrechen". Gedichte. Aus dem Bulgarischen von Valeria Jäger, Uwe Kolbe und Alexander Sitzmann. Mit einem Nachwort von Uwe Kolbe. Literaturverlag Droschl, Graz / Wien 2010. 115 S., geb. 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Sabine Berking stellt den Lyrikband des bulgarischen Autors Georgi Gospodinov vor, den sie mit viel Vergnügen an absurd-witzigen, kalauernden und mitunter gar banalen Einfällen genossen hat. Es sind zumeist ganz alltägliche Kleinereignisse, wie der "morgendliche Gang zur Außentoilette", aus dem sich die Tragödien - hier das versehentliche Zertreten einer Schnecke - entwickeln, stellt die Rezensentin fest. So lässt sich Vergänglichkeit auch als eines der zentralen Themen dieses Bändchens mit einer Auswahl von Gedichten, die zwischen 1992 bis heute entstanden sind, festmachen, meint Berking. Sie hat sich besonders an den überraschenden Momenten in den Texten delektiert, in denen, mal in freier Form, mal elegisch aber fast immer humorvoll, ganz alltägliche Dinge und die schönen und schrecklichen Kindheitserlebnisse in schwebende Sprache gefasst werden.

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