Die Folgen des Klimawandels haben tiefgreifende Auswirkungen auf die globalen Lebensbedingungen und Kulturen Überlebensräume schwinden und damit entstehen Gewaltkonflikte, Bürgerkriege, gewaltige Flüchtlingsströme. Bestehende Gerechtigkeitslücken werden tiefer, nicht nur zwischen Nord und Süd, sondern auch zwischen den Generationen, was erheblichen sozialen Sprengstoff birgt.
Der Klimawandel ist nicht nur ein globales Phänomen, sondern auch eines von unabsehbarer Dauer er stellt die menschlichen Gesellschaften und ihre Institutionen vor ganz neue Herausforderungen. Aus den Völkermorden des 20. Jahrhunderts ist bekannt, wie schnell Menschen soziale Fragen mit radikalen und tödlichen Lösungen beantworten.
Harald Welzer beschreibt die Linien der Gewalt im 21. Jahrhundert: Konflikte um Ressourcen, Kriege gegen eigene Bevölkerungen, Wellen von Klimaflüchtlingen und Terrorismus. Er macht klar, dass der Klimawandel die Gesellschaften vor ganz neue Fragen von Sicherheit, Verantwortung und Gerechtigkeit stellt. Und es wird beunruhigend deutlich, was die Dimension der Aufgabe ist und wie wenig zu ihrer Bewältigung geschieht.
Der Klimawandel ist nicht nur ein globales Phänomen, sondern auch eines von unabsehbarer Dauer er stellt die menschlichen Gesellschaften und ihre Institutionen vor ganz neue Herausforderungen. Aus den Völkermorden des 20. Jahrhunderts ist bekannt, wie schnell Menschen soziale Fragen mit radikalen und tödlichen Lösungen beantworten.
Harald Welzer beschreibt die Linien der Gewalt im 21. Jahrhundert: Konflikte um Ressourcen, Kriege gegen eigene Bevölkerungen, Wellen von Klimaflüchtlingen und Terrorismus. Er macht klar, dass der Klimawandel die Gesellschaften vor ganz neue Fragen von Sicherheit, Verantwortung und Gerechtigkeit stellt. Und es wird beunruhigend deutlich, was die Dimension der Aufgabe ist und wie wenig zu ihrer Bewältigung geschieht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.07.2008Schlechte Aussichten
Die "okösoziale Verknüpfung" von Klima und Gewalt
Mitte des 19. Jahrhunderts ging - wie das Kommunistische Manifest eingangs feststellte - ein Gespenst in Europa um: das Gespenst des Kommunismus. Es wurde dann im 20. Jahrhundert sehr real, gewaltträchtig und politikbestimmend in den nationalen und internationalen Beziehungen, bis die kommunistische Gefahr obsolet wurde. Seit einiger Zeit scheint nun das Gespenst der Klimakatastrophen umzugehen - nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt. Und inzwischen gilt in Wissenschaft und Politik der Klimawandel als reales globales Problem ersten Ranges, zu dessen Lösung unzählige nationale und internationale Konferenzen abgehalten und mehr oder weniger verpflichtende Resolutionen und Programme verabschiedet werden - von Kyoto bis Heiligendamm. Sogar der UN-Sicherheitsrat hat sich im vorigen Jahr damit befasst und den Klimawandel als Gefahr für den Weltfrieden identifiziert. Wird also das 21. Jahrhundert das Zeitalter der Klimakatastrophen und der Klimakriege? Der Sozialpsychologe Harald Welzer liegt voll im Trend, indem er die Frage bejaht: "Das 21. Jahrhundert ist in Ermangelung zukunftsfähiger Gesellschaftsmodelle utopiefern und ressourcennah - es wird getötet, weil die Täter jene Ressourcen beanspruchen, die die Opfer haben oder auch nur haben möchten."
Dem Autor geht es im Kern um den Nachweis der "ökosozialen Verknüpfung" zwischen Klimawandel und Gewalt. Ob dabei der schlagwortartige Begriff "Klimakriege" glücklich gewählt und - jenseits seiner Werbewirksamkeit - hilfreich ist, sei dahingestellt. Welzer räumt selbst ein, dass bisher nur der Darfur-Konflikt als Klimakrieg bezeichnet werden kann. Ansonsten ist Klimawandel nach Ausweis der einzelnen Analysekapitel ein Faktor neben anderen, der freilich überall wirksam sei: Klimawandel verschärfe die bestehenden Ungleichheiten auf internationaler und innerstaatlicher Ebene und zwischen entwickelten und weniger entwickelten Regionen, wodurch unter anderem auch der Terrorismus legitimiert und verstärkt werde. Klimawandel schaffe neue Gründe für Gewaltkonflikte. Er vertiefe die Verletzbarkeit fragiler oder scheiternder Staaten und lasse die Flüchtlings- und Migrationsbewegungen anwachsen. Er beschleunige die Veränderungen in der Staatenkonfiguration (die allerdings vom Autor nicht beschrieben werden).
Der Klimawandel erhöhe innerstaatlich die Spannungen und erzeuge infolge der Migrationsbewegungen den Druck in westlichen Staaten, sicherheitspolitische Lösungen anzustreben, die Demokratie und Freiheit gefährden und die Menschen (in Reaktion auf die "gefühlten Probleme" des Klimawandels) zum Töten bereit machen. Der Autor prognostiziert, dass in diesem Sinne die "heißen Raum- und Ressourcenkonflikte" in den nächsten Jahrzehnten fundamentale Auswirkungen auf die Gestalt der westlichen Gesellschaften haben werden. Den analytischen Teil abschließend, heißt es: "Es gibt Klimakriege, es wird getötet, gestorben, geflohen. Empirisch existiert nicht der mindeste Grund, zu glauben, dass die Welt so bleibt, wie wir sie kennen."
Sind das neue Einsichten oder eher Zuspitzungen? Welzer erweist sich in diesem Buch (entgegen der Charakterisierung im Klappentext) nicht als "Querdenker", sondern als Sprachrohr des alarmistischen Zeitgeists. Sein originärer Beitrag ist die sozialpsychologische Interpretation der Gewaltfolgen des Klimawandels - mittels einer Reihe soziologischer Theoreme (Rahmenanalyse/Referenzrahmen, kulturelle Wahrnehmungsformate, Dissonanzreduktion, shifting baselines). Ob diese Interpretation die neue, ja erst im Entstehen begriffene Realität zu erfassen vermag, wird die Zukunft zeigen.
Gibt es eine "rettende Handlungsstrategie", um künftiges Überleben zu ermöglichen? Welzer meint, dass weder durch individuelle Verhaltensänderungen noch durch zwischenstaatliche Vereinbarungen das Problem des Klimawandels lösbar ist. Er lenkt den Blick stattdessen auf die "mittlere Ebene", auf das "kulturelle Handlungsfeld" der eigenen Gesellschaft, die zum Akteur des radikalen Wandels zum Besseren hypostasiert wird. Dieses Konzept der "guten Gesellschaft" favorisiere nicht Verzicht, sondern Teilhabe, Engagement und "empowerment" für ein besseres Klima in der Gesellschaft, wodurch der Klimawandel "ein starting point für einen grundlegenden kulturellen Wandel" wäre, "und zwar einer, in dem die Reduktion von Verschwendung und Gewalt nicht als Verlust gesehen wird, sondern als Gewinn". Welzer nennt das "die dritte Moderne": Die gute Gesellschaft der Zukunft "erzählt eine neue Geschichte über sich selbst". Das ist bestenfalls schöne soziologische Lyrik, ausdrücklich bestimmt für Optimisten, denen mit Heiner Müller ein "Mangel an Information" attestiert wird. Hingegen gesteht der informierte Autor schlussendlich, dass er selbst nicht an den Erfolg der kulturellen Handlungsalternative glaubt; dass sie scheitern wird. Die Sache mit dem Klimawandel werde nicht gut ausgehen.
WERNER LINK
Harald Welzer: Klimakriege. Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008. 335 S., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die "okösoziale Verknüpfung" von Klima und Gewalt
Mitte des 19. Jahrhunderts ging - wie das Kommunistische Manifest eingangs feststellte - ein Gespenst in Europa um: das Gespenst des Kommunismus. Es wurde dann im 20. Jahrhundert sehr real, gewaltträchtig und politikbestimmend in den nationalen und internationalen Beziehungen, bis die kommunistische Gefahr obsolet wurde. Seit einiger Zeit scheint nun das Gespenst der Klimakatastrophen umzugehen - nicht nur in Europa, sondern in der ganzen Welt. Und inzwischen gilt in Wissenschaft und Politik der Klimawandel als reales globales Problem ersten Ranges, zu dessen Lösung unzählige nationale und internationale Konferenzen abgehalten und mehr oder weniger verpflichtende Resolutionen und Programme verabschiedet werden - von Kyoto bis Heiligendamm. Sogar der UN-Sicherheitsrat hat sich im vorigen Jahr damit befasst und den Klimawandel als Gefahr für den Weltfrieden identifiziert. Wird also das 21. Jahrhundert das Zeitalter der Klimakatastrophen und der Klimakriege? Der Sozialpsychologe Harald Welzer liegt voll im Trend, indem er die Frage bejaht: "Das 21. Jahrhundert ist in Ermangelung zukunftsfähiger Gesellschaftsmodelle utopiefern und ressourcennah - es wird getötet, weil die Täter jene Ressourcen beanspruchen, die die Opfer haben oder auch nur haben möchten."
Dem Autor geht es im Kern um den Nachweis der "ökosozialen Verknüpfung" zwischen Klimawandel und Gewalt. Ob dabei der schlagwortartige Begriff "Klimakriege" glücklich gewählt und - jenseits seiner Werbewirksamkeit - hilfreich ist, sei dahingestellt. Welzer räumt selbst ein, dass bisher nur der Darfur-Konflikt als Klimakrieg bezeichnet werden kann. Ansonsten ist Klimawandel nach Ausweis der einzelnen Analysekapitel ein Faktor neben anderen, der freilich überall wirksam sei: Klimawandel verschärfe die bestehenden Ungleichheiten auf internationaler und innerstaatlicher Ebene und zwischen entwickelten und weniger entwickelten Regionen, wodurch unter anderem auch der Terrorismus legitimiert und verstärkt werde. Klimawandel schaffe neue Gründe für Gewaltkonflikte. Er vertiefe die Verletzbarkeit fragiler oder scheiternder Staaten und lasse die Flüchtlings- und Migrationsbewegungen anwachsen. Er beschleunige die Veränderungen in der Staatenkonfiguration (die allerdings vom Autor nicht beschrieben werden).
Der Klimawandel erhöhe innerstaatlich die Spannungen und erzeuge infolge der Migrationsbewegungen den Druck in westlichen Staaten, sicherheitspolitische Lösungen anzustreben, die Demokratie und Freiheit gefährden und die Menschen (in Reaktion auf die "gefühlten Probleme" des Klimawandels) zum Töten bereit machen. Der Autor prognostiziert, dass in diesem Sinne die "heißen Raum- und Ressourcenkonflikte" in den nächsten Jahrzehnten fundamentale Auswirkungen auf die Gestalt der westlichen Gesellschaften haben werden. Den analytischen Teil abschließend, heißt es: "Es gibt Klimakriege, es wird getötet, gestorben, geflohen. Empirisch existiert nicht der mindeste Grund, zu glauben, dass die Welt so bleibt, wie wir sie kennen."
Sind das neue Einsichten oder eher Zuspitzungen? Welzer erweist sich in diesem Buch (entgegen der Charakterisierung im Klappentext) nicht als "Querdenker", sondern als Sprachrohr des alarmistischen Zeitgeists. Sein originärer Beitrag ist die sozialpsychologische Interpretation der Gewaltfolgen des Klimawandels - mittels einer Reihe soziologischer Theoreme (Rahmenanalyse/Referenzrahmen, kulturelle Wahrnehmungsformate, Dissonanzreduktion, shifting baselines). Ob diese Interpretation die neue, ja erst im Entstehen begriffene Realität zu erfassen vermag, wird die Zukunft zeigen.
Gibt es eine "rettende Handlungsstrategie", um künftiges Überleben zu ermöglichen? Welzer meint, dass weder durch individuelle Verhaltensänderungen noch durch zwischenstaatliche Vereinbarungen das Problem des Klimawandels lösbar ist. Er lenkt den Blick stattdessen auf die "mittlere Ebene", auf das "kulturelle Handlungsfeld" der eigenen Gesellschaft, die zum Akteur des radikalen Wandels zum Besseren hypostasiert wird. Dieses Konzept der "guten Gesellschaft" favorisiere nicht Verzicht, sondern Teilhabe, Engagement und "empowerment" für ein besseres Klima in der Gesellschaft, wodurch der Klimawandel "ein starting point für einen grundlegenden kulturellen Wandel" wäre, "und zwar einer, in dem die Reduktion von Verschwendung und Gewalt nicht als Verlust gesehen wird, sondern als Gewinn". Welzer nennt das "die dritte Moderne": Die gute Gesellschaft der Zukunft "erzählt eine neue Geschichte über sich selbst". Das ist bestenfalls schöne soziologische Lyrik, ausdrücklich bestimmt für Optimisten, denen mit Heiner Müller ein "Mangel an Information" attestiert wird. Hingegen gesteht der informierte Autor schlussendlich, dass er selbst nicht an den Erfolg der kulturellen Handlungsalternative glaubt; dass sie scheitern wird. Die Sache mit dem Klimawandel werde nicht gut ausgehen.
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Harald Welzer: Klimakriege. Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008. 335 S., 19,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Dieser "düstere" Essay besticht Rezensentin Christiane Grefe vor allem durch seine genauen Recherchen und die Schonungslosigkeit, mit der Harald Welzer künftige und gegenwärtige Krisen und Kriege ausgemalt hat. Aber auch seine Schilderung der sozialen Bedingungen für die gewalttätigen Konflikte und soziale Katastrophen beeindrucken die Rezensentin durch sozialpsychologische Sachkenntnis. Allerdings vermisst sie schmerzlich Vorschläge, diesen fatalen Entwicklungen entgegensteuern zu können, sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf ökologischer Ebene, und fühlt sich bei der Lektüre von der "Schicksalsergebenheit" des Autors zunehmend gelähmt. Seltsam altbacken wirkt auf sie auch, wie der Autor Kultur und Technik als Widersprüche gegeneinander ausspielt. Besonders, weil ihr in der produktiven Kombination von beidem einiges Konfliktlösungspotenzial zu liegen scheint.
© Perlentaucher Medien GmbH
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