Im Raum der Literatur begegnen sich Figuren und Ideen, Texte werden zu Treffpunkten für Bilder und Worte. Nicht immer gelingen diese rencontres imaginaires - oder doch nicht auf den ersten Blick. Aber auch wo scheinbar nur vom Mißlingen, von Versäumnissen und Verfehlungen die Rede ist, wird ein Dialog, wird Erinnerung gestiftet. Knapp vorbei ist nicht immer ganz daneben. Zeit-Raum dieser Essays ist die deutschsprachige Literatur im Schatten von Nationalsozialismus, Exil, Weltkrieg und Holocaust. Die Spur eines jüdischen Kindes verliert sich in der deutschen Geschichte. Noch als verlorene, ja nur als verlorene erzählt sie vom Unbegreiflichen. Von Dante geführt, erreicht Bertolt Brecht die Hütte der vertriebenen Dichter aller Zeiten. Damit schreibt er sich selbstbewußt in die Tradition zweier Jahrtausende ein - und ignoriert den lästigen Konkurrenten Benn mit höchster Aufmerksamkeit (und vice versa). Zwischen Verzweiflung und Größenwahn schwankend, sucht Hans Henny Jahnn seinen Platz unter den Großen der klassischen Moderne. Für Brecht wie für Dante schafft Peter Weiss in seinem größte Erzählwerk ein sprachliches Exil, einen vielstimmigen Geisterraum. Seinen Generations- und Schicksalsgenossen Paul Celan dagegen hat er nie getroffen. Zwischen den Generationen in Nachkriegsdeutschland herrscht Sprachlosigkeit; bestenfalls reden sie aneinander vorbei. Mit den literarischen Vaterfiguren wird auch das Literaturmodell der übermäßig gedehnten Nachkriegszeit verabschiedet. Die aktuelle Literatur in deutscher Sprache sucht andere Wege; aber das letztvergangene Jahrhundert wirft seine Schatten. Auch in diesem Sinn ist es mitsamt seiner Literatur erst knapp vorbei.
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