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This book analyses the intellectual side of the American war effort against Nazi Germany, showing how conflicting interpretations of 'the German problem' shaped American warfare and postwar planning.

Produktbeschreibung
This book analyses the intellectual side of the American war effort against Nazi Germany, showing how conflicting interpretations of 'the German problem' shaped American warfare and postwar planning.
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Autorenporträt
Michaela Hoenicke Moore is Professor of History at the University of Iowa. She has taught at the Kennedy Institute of the Free University in Berlin, at the University of North Carolina, and at York University in Toronto and worked as a Senior Fellow in US Foreign Policy at the German Council on Foreign Relations in Berlin. She is the co-editor (with Bernard May) of The Uncertain Superpower: Domestic Dimensions of US Foreign Policy after the Cold War, and her articles have appeared in journals including Diplomatic History and Amerikastudien.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.10.2010

Der böse Hitler und der gute Ruf
Die Amerikaner wollten sich die Vernichtungspolitik des "Dritten Reiches" nicht vorstellen

Können Kriege gut sein? Dass der Zweite Weltkrieg in den Vereinigten Staaten als "der gute Krieg" gilt, hat vor allem einen Grund: Adolf Hitler und die Nationalsozialisten galten als der Inbegriff des Bösen - allerdings erst, nachdem sie in die Knie gezwungen worden waren. Erst jetzt wurde den Amerikanern bewusst, wen sie eigentlich bekämpft hatten. Bei den Völkern der Sowjetunion sah das anders aus. Seit dem deutschen Überfall, also seit dem Juni 1941, konnte es keinen Zweifel geben, mit wem man es zu tun hatte. Der Vernichtungsfeldzug ließ keinen Raum für Fragen und Interpretationen. Jenseits des Atlantiks hingegen blieben Zweifel. Selbst seit ihre Soldaten im Juni 1944 dem Feind direkt ins Auge sahen, waren sich die meisten Amerikaner nicht wirklich sicher, "ob nun das Nazi-Regime oder die deutsche Nation insgesamt der Feind war".

Zu diesem Ergebnis kommt die an der Universität von Iowa lehrende Historikerin Michaela Hoenicke Moore. Ihre bemerkenswerte Analyse des amerikanischen Deutschlandbildes während der dreißiger und vierziger Jahre ist aus dem Studium einer beeindruckenden Fülle offizieller und informeller, unveröffentlichter und publizierter, gedruckter oder in anderen Formaten vorliegender Quellen entstanden. Neben den amtlichen Unterlagen von Ministerien und Behörden, wie des Außenministeriums, des 1942 eingerichteten Nachrichtendienstes OSS oder auch des "Office of War Information" (OWI), hat Frau Hoenicke Moore eine Reihe von Nachlässen, allen voran die Papiere Franklin D. Roosevelts, gesichtet und sich durch Berge veröffentlichten Materials gearbeitet, darunter Dutzende von Zeitungen und Zeitschriften, aber auch Dokumentar- und Spielfilme, Hörspiele und Radio-Talkshows, Romane und Erzählungen. Herausgekommen ist eine strengen wissenschaftlichen Maßstäben genügende, nicht immer einfach zu lesende Arbeit, die sich nicht in erster Linie an eine breitere Öffentlichkeit wendet, aber mit Ergebnissen aufwartet, die auch von dieser mit Interesse und Erstaunen zur Kenntnis genommen werden dürften.

Danach hatten viele Amerikaner bis in die Zeit des Zweiten Weltkriegs hinein grundsätzliche Zweifel an der aus dem ersten Krieg stammenden, vom damaligen Präsidenten Woodrow Wilson verfochtenen Überzeugung, dass es eine historische Mission der Vereinigten Staaten gebe, die im Zweifelsfall auch mit Hilfe einer militärischen Intervention in Europa erfüllt werden müsse. Aus der Sicht der dreißiger Jahre galten die deutschfeindliche Propaganda und die antideutsche Hysterie, die im Frühjahr 1917 zum Kriegseintritt des Landes geführt hatten, als übertrieben und diskreditiert.

Kein Wunder also, dass die Amerikaner jetzt zwischen den Nazis und der Mehrheit der Deutschen unterschieden, dass sie im Nationalsozialismus gerade einen Bruch mit den deutschen Traditionslinien, sozusagen eine Krankheit sahen, von der die Deutschen befallen waren. Das führte zwangsläufig zu einer Unterschätzung auch des Nationalsozialismus und hatte handfeste Konsequenzen: Wenn man Fleiß, Effizienz, Klugheit oder auch Sauberkeit als typische deutsche Eigenschaften identifizierte, wenn man im Land der Dichter und Denker auch noch nach 1939 den Inbegriff einer zivilisierten Nation sah, dann konnte man Ideen wie die des amerikanischen Finanzministers nicht gutheißen.

Henry Morgenthau hatte Anfang September 1944 den Plan einer territorialen und industriellen Demontage Deutschlands und dessen Umwandlung in ein Agrarland vorgelegt, um diesem die Grundlagen für einen neuerlichen Angriffskrieg zu entziehen, war damit aber auf den Widerstand einiger Kabinettskollegen gestoßen. Namentlich Henry L. Stimson, der Kriegsminister, hielt dagegen und machte eine überschaubare Gruppe identifizierbarer Nationalsozialisten sowohl für den Angriffskrieg als auch für die Kriegsverbrechen verantwortlich. Dem schloss sich mit Verweis auf die "vielen tüchtigen Männer und Frauen deutscher Herkunft" im eigenen Land auch der Präsident an, der wie kaum ein Zweiter sehr früh überzeugt gewesen war, dass man dem von Hitler geführten Deutschland entschieden entgegentreten müsse - politisch, aber eben auch militärisch. Und wie ließ sich die systematische Ermordung des europäischen Judentums mit dieser Sicht auf Deutschland und auf die Deutschen vereinbaren? Immerhin verfügte die amerikanische Administration seit dem Spätsommer 1942 über "handfeste Informationen", und Morgenthaus Plan war auch eine Reaktion auf die Veröffentlichung entsprechender Berichte. Die Antworten, die Frau Hoenicke Moore gefunden hat, sind ernüchternd. Allen voran das zuständige OWI bezog dezidiert Position gegen die Verbreitung von "Greuelgeschichten". Das lag unter anderem daran, dass sich nach dem Ersten Weltkrieg die meisten dieser Geschichten als schlecht gestrickte Legenden entpuppt hatten und dass viele Amerikaner jetzt die Berichte über das deutsche Vernichtungsprogramm dieser Kategorie zuordneten. Es lag aber auch am heimischen Antisemitismus, "der manchen Amerikaner dazu brachte, die nationalsozialistische Judenverfolgung mit einer gewissen Nachsicht zu betrachten". Und es lag schließlich an der Grundeinstellung der für die Propaganda zuständigen Institutionen, für die der "Holocaust offenbar ein lästiges Ärgernis war":

Die Geschichte der Eroberung und Unterdrückung der vom "Dritten Reich" besetzten Länder, so heißt es in einem OWI-internen Papier, könnte zu falschen Schlussfolgerungen führen, "wenn sie als eine Geschichte erschiene, welche lediglich die Juden betrifft". Sicher spielen hier Vorurteile und Animositäten, Unkenntnis und Ignoranz eine nicht unwesentliche Rolle. Jedenfalls wird man mit Frau Hoenicke Moore bilanzieren müssen, dass die systematische Ermordung des europäischen Judentums und der deutsche Vernichtungsfeldzug im Osten während des Krieges in Amerika "nicht wirklich verstanden oder zur Kenntnis genommen worden sind". Warum das so war, bleibt in der verdienstvollen Untersuchung letztlich offen. Sicher spielte der gute Ruf, der den Deutschen vorauseilte, seine Rolle. Entscheidend war aber wohl, dass an der sogenannten Ostfront keine amerikanischen Einheiten im Einsatz waren, dass man jenseits des Atlantiks keine erlebte Vorstellung davon hatte, was sich hier abspielte. Das unterschied die amerikanische Wahrnehmung von der sowjetischen oder der polnischen. Die Völker, die den Vernichtungskrieg durchlebten, wollten und konnten nicht mehr zwischen Deutschen und Nazis unterscheiden. Sie kannten das Böse, denn sie kannten ihren Feind.

GREGOR SCHÖLLGEN

Michaela Hoenicke Moore: Know Your Enemy. The American Debate on Nazism, 1933-1945. Cambridge University Press, New York 2010. 390 S., 85,- [Euro].

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