Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.09.2016Faustkeil und Papierstapel
Das Geschichtsbuch einer Millionenstadt, das hinausläuft auf den Einsturz ihres Stadtarchivs, lässt ein gesteigertes Methodenbewusstsein erwarten. Das doppelseitige Farbfoto zu dem wenig vorzeigbaren Ereignis von 2009 bestätigt die Erwartung. Leider ist das rassistische Nagelbombenattentat der "NSU" in der "Keupstraße" juristisch noch nicht derart aufgearbeitet, dass es als Probe aufs Exempels dienen könnte. Was aber gehört zur Geschichte, wenn ein Absatz zu genügen hat? Ein etwa hunderttausend Jahre alter Faustkeil beispielsweise, eine der ältesten menschlichen Spuren in Köln; dem aktuell gegenüber: der Beton des Stadtarchivs. Dieses Buch mit dem bürgersinnigen "Stelzmann" in einem Atemzug zu nennen, den es nun nach Jahrzehnten immerhin endgültig ablöst, mag gut gemeint gewesen sein. Es tut dem Neuling aber doch wohl unrecht. Denn es verlangt auch vom gewöhnlichen Leser weit mehr an Arbeit in der Bewältigung der aspektreichen Doppelaufgabe als das "Hausbuch" von einst: die Kategorien des historischen Systems zu erfahren - und die stadtkölnischen Gegebenheiten schlüssig einzupassen. Die beiden Autoren sind gut gewählt: Eine "kleine illustrierte Geschichte" aus der eigenen Feder hat ihnen vor Jahrzehnten das Projekt erschlossen. Und der ehemalige Zeitungsschreiber Dietmar, der regelmäßig mit Nadelstichen gegen die erinnerungsselige stadtkölnische Nostalgie aufwarten konnte, wie der gleichfalls promovierte Direktor des NS-Dokumentationszentrums der Stadt stehen beide für die rechte Würdigung kölnischer Geschichte - nicht nur der "rechten".
mbe
"Köln. Die große Stadtgeschichte" von Carl Dietmar und Werner Jung. Klartext Verlag, Essen 2015. 496 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 24,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Geschichtsbuch einer Millionenstadt, das hinausläuft auf den Einsturz ihres Stadtarchivs, lässt ein gesteigertes Methodenbewusstsein erwarten. Das doppelseitige Farbfoto zu dem wenig vorzeigbaren Ereignis von 2009 bestätigt die Erwartung. Leider ist das rassistische Nagelbombenattentat der "NSU" in der "Keupstraße" juristisch noch nicht derart aufgearbeitet, dass es als Probe aufs Exempels dienen könnte. Was aber gehört zur Geschichte, wenn ein Absatz zu genügen hat? Ein etwa hunderttausend Jahre alter Faustkeil beispielsweise, eine der ältesten menschlichen Spuren in Köln; dem aktuell gegenüber: der Beton des Stadtarchivs. Dieses Buch mit dem bürgersinnigen "Stelzmann" in einem Atemzug zu nennen, den es nun nach Jahrzehnten immerhin endgültig ablöst, mag gut gemeint gewesen sein. Es tut dem Neuling aber doch wohl unrecht. Denn es verlangt auch vom gewöhnlichen Leser weit mehr an Arbeit in der Bewältigung der aspektreichen Doppelaufgabe als das "Hausbuch" von einst: die Kategorien des historischen Systems zu erfahren - und die stadtkölnischen Gegebenheiten schlüssig einzupassen. Die beiden Autoren sind gut gewählt: Eine "kleine illustrierte Geschichte" aus der eigenen Feder hat ihnen vor Jahrzehnten das Projekt erschlossen. Und der ehemalige Zeitungsschreiber Dietmar, der regelmäßig mit Nadelstichen gegen die erinnerungsselige stadtkölnische Nostalgie aufwarten konnte, wie der gleichfalls promovierte Direktor des NS-Dokumentationszentrums der Stadt stehen beide für die rechte Würdigung kölnischer Geschichte - nicht nur der "rechten".
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"Köln. Die große Stadtgeschichte" von Carl Dietmar und Werner Jung. Klartext Verlag, Essen 2015. 496 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Gebunden, 24,95 Euro.
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