Mit „König Lear“, um 1605 entstanden, befindet sich William Shakespeare auf der Höhe seines künstlerischen Schaffens. Das Drama ist eines der Meisterwerke der Weltliteratur. Obwohl ihm Shakespeare noch einige Theaterstücke folgen ließ, wird „König Lear“ als sein dramatisches Alterswerk
angesehen.
Erzählt wird eine große Geschichte über Macht und Verblendung: Der greise Lear, König von…mehrMit „König Lear“, um 1605 entstanden, befindet sich William Shakespeare auf der Höhe seines künstlerischen Schaffens. Das Drama ist eines der Meisterwerke der Weltliteratur. Obwohl ihm Shakespeare noch einige Theaterstücke folgen ließ, wird „König Lear“ als sein dramatisches Alterswerk angesehen.
Erzählt wird eine große Geschichte über Macht und Verblendung: Der greise Lear, König von Britannien, ist des Regierens müde und will sein Reich an seine drei Töchter verteilen. Den größten Teil soll diejenige erhalten, die ihn am meisten liebt. Die beiden älteren Töchter Regan und Goneril heucheln in großen Worten ihre Liebe zum Vater. Seine Jüngste, Lears Lieblingstochter Cordelia, jedoch bleibt stumm, sie kann ihre Gefühle nicht so emphatisch in Worte fassen wie ihre Schwestern.
Lear ist darüber so erbost, dass er in seinem Zorn Cordelia enterbt und verstößt. Eitelkeit und Machtverliebtheit machen Lear blind und so teilt er sein Reich unter den beiden älteren auf und bedingt sich lediglich ein Wohnrecht mit einem Gefolge von hundert Rittern aus. Sein Zorn auf seine jüngste Tochter dagegen ist durch nichts zu besänftigen und er enterbt sie.
Bald jedoch muss Lear erfahren, dass er sich getäuscht hat und er muss das wahre Gesicht von Regan und Goneril erkennen. Von beiden Töchtern auf unwürdige Weise verraten, schlägt sein Zorn in Verzweiflung um. Nur von seinem Narren begleitet, irrt der wahnsinnig gewordene Lear durch das wüste Land, das inzwischen durch Intrigen zerstört ist. Unter der Maske des Scherzes sagt ihm sein Narr bittere Wahrheiten. Und so entdeckt Lear in Sturm und Nacht sein nacktes Ich unter dem Königsmantel, er erkennt den Wahn seines bisherigen Lebens.
Als Cordelia mit dem französischen Heer ihres Gatten nach Britannien kommt, um ihn zu befreien, eskaliert die Katastrophe. Am Ende stirbt der todesmatte Lear über der Leiche seines treuesten Kindes. „König Lear“ ist wohl die gewaltigste und zugleich dunkelste Tragödie von William Shakespeare. Besonders in den letzten Jahrzehnten hat das Stück an Popularität gewonnen und ist zu einem festen Bestandteil der Theaterbühnen geworden.
Christoph Martin Wieland hat das Drama 1762 erstmals ins Deutsche übersetzt. Die bekannteste Übertragung stammt von Wolf Graf Baudissin (1832). In der 21-bändigen und zweisprachigen Shakespeare-Reihe des Deutschen Taschenbuch Verlages liegt nun eine moderne Neuübersetzung durch Frank Günther vor. Ihm ist gelungen, dieses ungestüme und rätselhafte Stück (u.a. auch die schwierigen Originaldialoge) mit einer schwungvollen Sprache für die heutige Lesergeneration lebendig zu machen. Von diesem Arbeitsprozess zeugen u.a. die vielen Anmerkungen zum Text.
Auch in seiner Rubrik „Aus der Übersetzerwerkstatt“ berichtet Günther ausführlich von den Übersetzerschwierigkeiten des mitunter sperrigen und schwer zugänglichen Textes. Komplettiert wird die Taschenbuchausgabe durch zahlreiche Literaturhinweise und den Essay „Good Girls - Bad Girls? King Lear und seine Töchter“ von Sabine Schülting. Darin beleuchtet die Professorin für Englische Philologie die Lear-Interpretation im Wandel der Zeit. Wurden früher die beiden ältesten Töchter als gefühllose Frauen und Cordelia als Inbegriff idealer Weiblichkeit interpretiert, hat sich bei Neuinszenierungen diese Geschlechterrolle der Lear-Töchter gewandelt. Die Unterteilung „Good girls - bad girls“ erweist sich oft als falsch und verhängnisvoll.