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Das Kind Christine amüsierte sich zuerst mit studieren, dann mit philosophieren, dann mit regieren, dann mit konvertieren, dann mit intrigieren und stets mit einem phantastischen politisieren. Wie alle Kinder spielte sie mit wahrhaft spanischem Ernst und mit niemals erschüttertem Egoismus. Die Spiele des Lebens: Thron, Vaterland, Wissenschaft, Politik, Rom, Europa waren für sie da, die Historie war für sie da, Gustav Adolf starb für ihren Ruhm bei Lützen, das schwedische Reich hatte nichts anderes zu sein als würdige Folie für ihren Thron, nichts anderes später als Geldquelle. Ihre Ichsucht…mehr

Produktbeschreibung
Das Kind Christine amüsierte sich zuerst mit studieren, dann mit philosophieren, dann mit regieren, dann mit konvertieren, dann mit intrigieren und stets mit einem phantastischen politisieren. Wie alle Kinder spielte sie mit wahrhaft spanischem Ernst und mit niemals erschüttertem Egoismus. Die Spiele des Lebens: Thron, Vaterland, Wissenschaft, Politik, Rom, Europa waren für sie da, die Historie war für sie da, Gustav Adolf starb für ihren Ruhm bei Lützen, das schwedische Reich hatte nichts anderes zu sein als würdige Folie für ihren Thron, nichts anderes später als Geldquelle. Ihre Ichsucht hing wie eine barocke Allongeperücke um ihren Geist, der erstaunlich klar, in seiner maliziösen Skepsis fast nüchtern war. Ihr Subjektivismus war selbst für ihr Jahrhundert der Egozentrik maßlos. Das Gefühl der eigenen Königlichkeit brachte sie bis an die pathologische Grenze: bis zu einer Art Selbstanbetung. »Mich angreifen, heißt die Sonne angreifen!« schrieb sie noch in ihren alten Tagen anBourdelot. Dieser manische Hochmut zwang sie von Kindheit an zu pompöser geistiger und körperlicher Haltung. Doch ihr Wille zur Größe war so suggestiv, daß die eigene Zeit sie für groß hielt und sich mit ihr beschäftigte wie mit keiner anderen Frau des Jahrhunderts. Sie gewährte dem Torso die Majestas der Vollendung. Christine fühlte niemals ihr Theaterkönigtum. Sie hat keine Stunde an ihrer Souveränität gezweifelt. Dieser unbeirrbare Glaube an sich war groß. Er war die Größe der Zeit. [Alfred Neumann, Auszug]
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Autorenporträt
Alfred Neumann (1895-1952) wurde als Sohn eines jüdischen Holzindustriellen geboren und verbrachte seine Jugend in Berlin, Rostock und der französischsprachigen Schweiz. Ab 1913 studierte er Kunstgeschichte und promovierte nach dem Ersten Weltkrieg. In München wirkte er zunächst als Verlagslektor, von 1918 bis 1920 als Dramaturg der Kammerspiele und freier Schriftsteller. Neumann emigrierte 1933, lebte bis 1938 in Fiesole, dann in Nizza und ab 1941 in Los Angeles, wo er US-Staatsbürger wurde. 1949 kehrte er nach Europa zurück und ließ sich in Florenz nieder. Er starb 1952 im Alter von 56 Jahren in Lugano. Seine stark dialogisierten Romane sind aus dem Konflikt zwischen tragischem Weltgefühl und optimistischem Lebensgefühl hervorgegangen. Die frühe Novelle »Lehrer Taussig« ist noch dem Expressionismus verpflichtet, aber bald reizte es ihn, stilistisch die bildliche Raumempfindung des Barock ins Sprachkünstlerische umzusetzen. Das historische Thema, dem er sich vorwiegend zuwandte, war ihm stets nur Anlaß, die Tiefen der menschlichen Seele auszuloten. Der Schelmenroman »Narrenspiegel« handelt von dem abenteuerlichen Leben des ewig bankrotten Liegnitzer Herzogs Heinrich, der einmal im Hugenottenheer kommandierte und fast König von Polen geworden wäre. Spieler und Gegenspieler in seinen Romanen des Risorgimento, »Rebellen« und »Guerra«, sind typisch in ihrem Charakter, wenn sie wie Schachspieler ihre nächsten politischen Züge ohne Gehässigkeit planen. Die vor dem geschichtlichen Hintergrund der Ermordung des Zaren Paul I. spielende Erzählung »Der Patriot« wurde erfolgreich mit Emil Jannings verfilmt (1928). Während seiner Zeit in Kalifornien schrieb er den Roman »Der Pakt« über den amerikanischen Oberst William Walker, der im 19. Jahrhundert zum Präsidenten Nicaraguas gewählt wurde, den Staat dann aber in eine Diktatur umwandelte. Neumann erhielt 1926 den Kleist-Preis für den Roman »Der Teufel«.