Luise und Friedrich Wilhelm III. lernen 1793 einander kennen; er stocksteif, gehemmt und ungeliebt von den Eltern - sie dagegen vergnügt, leichtfüßig und verwöhnt. Mit zehn Kindern sollte die Ehe dieses Herrscherpaares gesegnet sein, das in einer Liebesheirat zusammengefunden hatte. Die Literatur- und Kunstwissenschaftlerin Dagmar von Gersdorff entblättert eine der wohl erstaunlichsten Ehen des deutschen Monarchismus.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.04.1996Die zarteste Versuchung, seit es Preußen gibt
Dagmar von Gersdorff hört Königin Luise und Friedrich Wilhelm III. beim Turteln zu und glaubt alles
Wenige Figuren der preußischen Geschichte sind mit einem derart undurchdringlichen Schleier eingefahrener Urteile und Klischees umgeben wie Königin Luise. Seit fast zwei Jahrhunderten kommt uns die preußenfreundliche Publizistik in immer neuer Gestalt mit dem Idealbild einer anmutigen und charmanten Patriotin, deren Ehe mit König Friedrich Wilhelm III. die Züge einer "bürgerlichen" Liebesbeziehung trägt. Der notwendigen Neubetrachtung von Leben, Heirat und Mythos der Preußen-Königin versagt sich bedauerlicherweise auch Dagmar von Gersdorff, die mit ihrem Buch über "eine Liebe in Preußen" eine durch und durch konventionelle Version der alten Luisen-Hagiographie bietet.
Schon die Verlagsankündigung eines Porträts des "zärtlichsten Königspaares der deutschen Monarchie" und der blumige Reihentitel "Paare - Lebensläufe zu zweit" verheißen nichts Gutes. Auch der Klappentext mit seiner ungewollten Ironie über die "unbedachten" Briefe Luises an den "verführerischen" russischen Zaren Alexander, für den die preußische Königin seit ihrem ersten Zusammentreffen eine schwärmerische Zuneigung hegte, läßt böse Ahnungen aufkommen.
Schon von den ersten Seiten des Buches an werden sie bestätigt. So liegen sie denn vor uns ausgebreitet, die Episoden über die "seelische Eruption", die den ansonsten eher in sich gekehrten Friedrich Wilhelm beim Zusammentreffen mit der mecklenburgischen Prinzessin erschütterte, über die "erotischen Abenteuer" von Luises Schwester Friederike und das schicksalsschwangere Zusammentreffen der Königin mit dem "jungen Herkules", dem russischen Zaren Alexander. Natürlich fehlt auch nicht die ausführliche Schilderung ihrer Tilsiter Begegnung mit Napoleon, um die sich so viele Legenden ranken, daß einige quellenkritische Bemerkungen zu den vermeintlichen "Augenzeugenberichten" schon angebracht gewesen wären. Doch die Autorin unterläßt diese ebenso wie jede ausführlichere Darstellung des historischen Kontextes der hier erzählten Liebesgeschichte.
Während im Hintergrund ganze Reiche in die Brüche gehen, in Frankreich - welch ein Graus - der König geköpft wird und blutige Revolution herrscht, in Deutschland dagegen Kunst und Wissenschaften blühen, widmet sich Dagmar von Gersdorff unbeirrbar den seelischen Verwicklungen ihrer Heldin, deren Bild ganz traditionell die Züge einer treuen Ehefrau, sorgenden Schwester und glühenden Patriotin trägt.
Entsprechend blaß bleibt demgegenüber die Figur des Ehemannes Friedrich Wilhelm III., dessen vornehmste Aufgabe in dem Buch darin besteht, den Reihentitel zu rechtfertigen. Sicherlich, man erfährt nicht wenig, vorzugsweise in ausführlichen Zitaten der Briefe und Tagebücher des Königspaares sowie aus der Feder von Vertrauten, Hofangestellten und Konkurrenten. Doch der Luisen-gläubigen Autorin gelingt es an keiner Stelle, die Fülle der Zitate in ein überzeugendes Doppelporträt zu verwandeln.
So reibt man sich nach der Lektüre verwundert die Augen und fragt sich, wie es kommen mag, daß auch nach fast zweihundert Jahren der Luisen-Mythos gänzlich ungebrochen weiterlebt. Gegenüber einer derart geballten Nonchalance muß auch der kritischste Rezensent die Waffen strecken, denn Gläubige lassen sich nur selten bekehren. JAKOB VOGEL Dagmar von Gersdorff: "Königin Luise und Friedrich Wilhelm III". Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 1996. 208 S., Abb., geb., 34,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Dagmar von Gersdorff hört Königin Luise und Friedrich Wilhelm III. beim Turteln zu und glaubt alles
Wenige Figuren der preußischen Geschichte sind mit einem derart undurchdringlichen Schleier eingefahrener Urteile und Klischees umgeben wie Königin Luise. Seit fast zwei Jahrhunderten kommt uns die preußenfreundliche Publizistik in immer neuer Gestalt mit dem Idealbild einer anmutigen und charmanten Patriotin, deren Ehe mit König Friedrich Wilhelm III. die Züge einer "bürgerlichen" Liebesbeziehung trägt. Der notwendigen Neubetrachtung von Leben, Heirat und Mythos der Preußen-Königin versagt sich bedauerlicherweise auch Dagmar von Gersdorff, die mit ihrem Buch über "eine Liebe in Preußen" eine durch und durch konventionelle Version der alten Luisen-Hagiographie bietet.
Schon die Verlagsankündigung eines Porträts des "zärtlichsten Königspaares der deutschen Monarchie" und der blumige Reihentitel "Paare - Lebensläufe zu zweit" verheißen nichts Gutes. Auch der Klappentext mit seiner ungewollten Ironie über die "unbedachten" Briefe Luises an den "verführerischen" russischen Zaren Alexander, für den die preußische Königin seit ihrem ersten Zusammentreffen eine schwärmerische Zuneigung hegte, läßt böse Ahnungen aufkommen.
Schon von den ersten Seiten des Buches an werden sie bestätigt. So liegen sie denn vor uns ausgebreitet, die Episoden über die "seelische Eruption", die den ansonsten eher in sich gekehrten Friedrich Wilhelm beim Zusammentreffen mit der mecklenburgischen Prinzessin erschütterte, über die "erotischen Abenteuer" von Luises Schwester Friederike und das schicksalsschwangere Zusammentreffen der Königin mit dem "jungen Herkules", dem russischen Zaren Alexander. Natürlich fehlt auch nicht die ausführliche Schilderung ihrer Tilsiter Begegnung mit Napoleon, um die sich so viele Legenden ranken, daß einige quellenkritische Bemerkungen zu den vermeintlichen "Augenzeugenberichten" schon angebracht gewesen wären. Doch die Autorin unterläßt diese ebenso wie jede ausführlichere Darstellung des historischen Kontextes der hier erzählten Liebesgeschichte.
Während im Hintergrund ganze Reiche in die Brüche gehen, in Frankreich - welch ein Graus - der König geköpft wird und blutige Revolution herrscht, in Deutschland dagegen Kunst und Wissenschaften blühen, widmet sich Dagmar von Gersdorff unbeirrbar den seelischen Verwicklungen ihrer Heldin, deren Bild ganz traditionell die Züge einer treuen Ehefrau, sorgenden Schwester und glühenden Patriotin trägt.
Entsprechend blaß bleibt demgegenüber die Figur des Ehemannes Friedrich Wilhelm III., dessen vornehmste Aufgabe in dem Buch darin besteht, den Reihentitel zu rechtfertigen. Sicherlich, man erfährt nicht wenig, vorzugsweise in ausführlichen Zitaten der Briefe und Tagebücher des Königspaares sowie aus der Feder von Vertrauten, Hofangestellten und Konkurrenten. Doch der Luisen-gläubigen Autorin gelingt es an keiner Stelle, die Fülle der Zitate in ein überzeugendes Doppelporträt zu verwandeln.
So reibt man sich nach der Lektüre verwundert die Augen und fragt sich, wie es kommen mag, daß auch nach fast zweihundert Jahren der Luisen-Mythos gänzlich ungebrochen weiterlebt. Gegenüber einer derart geballten Nonchalance muß auch der kritischste Rezensent die Waffen strecken, denn Gläubige lassen sich nur selten bekehren. JAKOB VOGEL Dagmar von Gersdorff: "Königin Luise und Friedrich Wilhelm III". Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 1996. 208 S., Abb., geb., 34,- DM.
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