Marktplatzangebote
63 Angebote ab € 0,50 €
  • Gebundenes Buch

1 Kundenbewertung

Das Buch erzählt die Geschichte zweier Liebender: des Deutschen Rudolf Kaufmann und der Schwedin Ingeborg Magnusson, die sich 1935 in Bologna kennenlernten. Einmal besuchte er sie in Stockholm, und einmal sie ihn in Deutschland - im übrigen bleiben ihnen nur die Briefe. Sie erzählen die traurige Geschichte einer im doppelten Sinne "wahren Liebe", einer Liebe zur falschen Zeit. Sie erzählen auch ein Kapitel aus der Geschichte der Ausgrenzung und Verfolgung der Juden in Deutschland. Auf vielfältige Weise spiegelt sich die große Geschichte in der kleinen Geschichte zweier Liebender - im privaten…mehr

Produktbeschreibung
Das Buch erzählt die Geschichte zweier Liebender: des Deutschen Rudolf Kaufmann und der Schwedin Ingeborg Magnusson, die sich 1935 in Bologna kennenlernten. Einmal besuchte er sie in Stockholm, und einmal sie ihn in Deutschland - im übrigen bleiben ihnen nur die Briefe. Sie erzählen die traurige Geschichte einer im doppelten Sinne "wahren Liebe", einer Liebe zur falschen Zeit. Sie erzählen auch ein Kapitel aus der Geschichte der Ausgrenzung und Verfolgung der Juden in Deutschland. Auf vielfältige Weise spiegelt sich die große Geschichte in der kleinen Geschichte zweier Liebender - im privaten Schicksal der jungen sprachbegabten Schwedin und des in Königsberg aufgewachsenen, evangelisch getauften, jüdischen Geologen. "Königskinder" ist auch die spannende Geschichte der Entdeckung der Briefe und der darin verborgenen Lebensgeschichten.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.08.1996

Zeit der Gemeinsamkeit
Reinhard Kaiser rekonstruiert eine unmögliche Liebe

Den Unterschied zwischen den Autoren von Romanen und Sachbüchern kann man gemeinhin als Erfindung contra Erforschung beschreiben. Auch der Sachbuchautor findet natürlich bei seiner Erforschung etwas - Antworten -, aber sein Bemühen um eine streng der Realität entsprechende Darstellung läßt keine Erfindung zu, es sei denn, er verfolgte andere Ziele als die der objektiven Belehrung seiner Leser. Und der Romanautor forscht auch, doch er wiederum stellt seine Recherche in den Dienst seiner Phantasie, die aus der Fiktion heraus einen Kommentar zur Realität wagt, der nie objektiv sein kann.

Es gibt aber auch Grenzgänger, und solch ein glücklicher Finder und Forscher ist Reinhard Kaiser. Auf einer Briefmarkenauktion ersteigerte er vor fünf Jahren ein Konvolut von Briefen eines jungen Deutschen an seine schwedische Freundin aus den dreißiger Jahren. Rudolf Kaufmann, ein gerade promovierter Geologe jüdischer Abstammung, hatte 1933 nach der Machtübernahme der Nazis keine Chance mehr an der Universität; er nahm deshalb befristete Stellen in Dänemark und Italien an.

In Bologna lernte er 1935 Ingeborg Magnusson kennen, eine Versicherungsangestellte aus Stockholm. Sie verliebten sich, doch ihre gemeinsame Zeit in Italien währte gerade zwei Tage. Um näher bei Ingeborg zu sein, riskiert Kaufmann die Rückkehr nach Deutschland, doch als getaufter Jude bleiben ihm nicht viele Möglichkeiten. Letztlich nimmt er eine Stelle als Sportlehrer an einem jüdischen Internat an, um sein Leben fristen zu können. Die deutsche Devisenzwangsbewirtschaftung erlaubt nur einen fünftägigen Besuch in Stockholm, Weihnachten 1935 besucht sein "schwedischer Pudel" ihn in Deutschland. Insgesamt verleben Magnusson und Kaufmann dreizehn Tage miteinander.

Aber sie schreiben sich regelmäßig, und aus Kaufmanns erhaltenen Briefen rekonstruiert Reinhard Kaiser die Geschichte dieser Liebe zwischen zwei Welten. Dem nach Bologna geflüchteten Kaufmann erschien die Schwedin als der "lang ersehnte Sonnentag" - ein schöneres Kompliment kann man einem Menschen in Italien schwerlich machen. In Deutschland schwärmt er ihr von trauter Zweisamkeit an einsamen Stränden vor, weit weg von allen Nazis und Antisemiten. Es beginnt ein Kampf um Gemeinsamkeit, der immer wieder an politischen Hürden scheitert: Schweden nimmt nicht jeden Aussiedler aus Deutschland auf, ein Leben mit einem Juden unter den Nazis mag Kaufmann seiner Freundin nicht zumuten.

Die einsamen Monate lassen Kaufmann schwach werden; er läßt sich auf eine kurze Affäre mit einer jungen arischen Witwe ein und wird just vor einer erneuten Reise nach Schweden wegen Rassenschande verhaftet. Kaufmann muß seiner Geliebten alles schriftlich gestehen, und ein gewöhnliches Landgericht verurteilt ihn zu drei Jahren Zuchthaus - furchtbare juristische Normalität dieser Zeit. Während der Haft dürfen sich die Verliebten nicht schreiben, doch Ingeborg Magnusson wartet weiter auf ihren deutschen Freund. Als ihn die deutschen Machthaber nach Verbüßung seiner Strafe liebend gerne ins Ausland abwandern lassen wollen, ist mittlerweile der Krieg ausgebrochen. Kaufmanns Ausreisegenehmigung nach England zu seinem Bruder ist hinfällig.

Der letzte Brief aus Kaisers Auktionsfund stammt vom 27. November 1939. Doch die unvollständige Liebesgeschichte machte den Finder zum Forscher. Anfangs wollte Kaiser einen Roman um sein Material herum schreiben, dann entschied er sich für ein Radio-Feature. Deshalb reiste er nach Schweden und fand dort die Schwester von Ingeborg Magnusson. Sie erzählte ihm die Geschichte zu Ende: Kaufmann schlägt sich im Dezember 1939 - die Judendeportationen nach Polen haben gerade begonnen - nach Litauen durch und kommt dort bei einer deutschstämmigen Familie unter. Im Juni 1940 überfällt die Rote Armee den Nachbarstaat, doch die Machtübernahme der Kommunisten setzt Kaufmann immerhin in Arbeit und Brot; zum ersten Mal seit sechs Jahren arbeitet er wieder als Geologe. Sein letzter Brief erreicht Stockholm im April 1941. Rudolf Kaufmann wurde nach dem Einmarsch der Wehrmacht von zwei deutschen Soldaten ermordet, die den Flüchtling aus Königsberg kannten.

Reinhard Kaiser hat mit viel Mühe die bruchstückartig dokumentierte Geschichte rekonstruiert und ist dabei auch vor gelegentlichen freien Interpretationen kurzer Briefstellen nicht zurückgeschreckt. So hat er tatsächlich eine Art Roman kompiliert, dem man dennoch jederzeit die Authentizität der zugrunde liegenden Fakten anmerkt. Er schildert eine erschreckende Einzelheit aus dem nationalsozialistischen Deutschland, zu der es Tausende von Parallelen gegeben haben wird, deren Zeugnisse die Abscheulichkeiten der Nazis nicht überdauert haben. Wenn Kaiser die Briefzitate von seinem ergänzenden Text dadurch absetzt, daß er sie kursiv schreibt, hat er instinktiv die richtige optische Metapher für den in und von Deutschland niedergedrückten Rudolf Kaufmann gewählt.

So ist ein tieftrauriges und sehr berührendes Buch entstanden, auch ein eminent literarisches Werk, denn Kaisers Rekonstruktion arbeitet mit allen Finessen der Montage von Schrift und Bild. Ingeborg Magnusson hat nie geheiratet, sie hat dem deutschen Mann ihre Liebe über dessen Untreue und Tod hinaus bewahrt. Doch der verzweifeltste Satz seiner Briefe lautet gerade deshalb: "Mit unserer Liebe allein kommen wir in der jetzigen Zeit doch nicht durch." Nicht einmal mit dieser grenzenlosen Liebe. ANDREAS PLATTHAUS

Reinhard Kaiser: "Königskinder". Eine wahre Liebe. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 1996. 127 S., Abb., geb., 29,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr