Andreas Hermann, Anfang 40, hat die erste Hälfte seines Lebens im Osten Deutschlands verbracht. Nach der Wende beruflich vielfach gescheitert, lebt er in einer winzigen Wohnung in Berlin, Prenzlauer Berg, und arbeitet als Ein-Euro-Jobber an einem Kulturprogramm zum 20. Jahrestag des Mauerfalls. Ausgerechnet mit einer Gruppe arbeitsloser Intellektueller soll er die Ereignisse des Jahres 1989 nachspielen.
Andreas Hermanns Beschäftigungsagentur grenzt an eine Siedlung weißer Townhäuser, die am Königstor für wohlhabende Bewohner errichtet wurde. Dort lebt Ulrike Beerenstein, die als Designerin in einem der vielen neuen Ladenbüros der Stadt arbeitet. Jeden Morgen beobachtet sie Andreas Hermann von ihrem Fenster aus. Als ihr Mann zu einer Dienstreise aufbricht, beginnen sie eine Affäre: Andreas Hermann betritt das weiße Townhouse wie eine neue Welt.
Alexander Osangs Roman ist ein Buch über die guten Vorsätze, die Enttäuschungen, die Missverständnisse und das Glück in der wiedervereinigten Stadt. Ein Liebesroman.
Andreas Hermanns Beschäftigungsagentur grenzt an eine Siedlung weißer Townhäuser, die am Königstor für wohlhabende Bewohner errichtet wurde. Dort lebt Ulrike Beerenstein, die als Designerin in einem der vielen neuen Ladenbüros der Stadt arbeitet. Jeden Morgen beobachtet sie Andreas Hermann von ihrem Fenster aus. Als ihr Mann zu einer Dienstreise aufbricht, beginnen sie eine Affäre: Andreas Hermann betritt das weiße Townhouse wie eine neue Welt.
Alexander Osangs Roman ist ein Buch über die guten Vorsätze, die Enttäuschungen, die Missverständnisse und das Glück in der wiedervereinigten Stadt. Ein Liebesroman.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.10.2010Es grünt so grün
Das Jetzt von Gestern: Alexander Osang erzählt in "Königstorkinder" von ostwestdeutscher Liebe.
Von Tobias Rüther
Alexander Osang war sieben Jahre für den "Spiegel" in New York, seit 2006 lebt er wieder in Berlin, und zwar im Bötzowviertel: wie damals, als sein Geburtsort noch Hauptstadt der DDR war und Osang Redakteur bei der "Berliner Zeitung". Dieses Bötzowviertel, hat Osang nach seiner Rückkehr geschrieben, wird jetzt von Leuten bewohnt, die nicht wissen, wie man es richtig ausspricht: mit langem Umlaut nämlich. Was eine typische Osang-Beobachtung ist, weil der Reporter und Schriftsteller - die Leser seines Debüts "die nachrichten" (2000) werden sich erinnern - empfindlich auf Tonlagen reagiert. Zwischen dem kurzen und langem "ö" hat Osang eine Demarkationslinie verlegt. Es ist die zwischen Ost und West.
In den "nachrichten" hatte Osang anhand des "Tagesschau"-Sprechers Jan Landers noch erzählt, teils grandios, wie ein Ostdeutscher sich in einem westdeutschen Milieu zu etablieren versucht, die feinen Unterschiede der Hansestadt Hamburg lernen will. Sein neuer Roman "Königstorkinder" handelt jetzt davon, wie sich ein westdeutsches Milieu im Osten ausbreitet. Und zwar eben im Bötzowviertel, das mit Parklage und großen Wohnungen, in die junge Akademikerfamilien mit steigenden Einkommen einziehen, ein Idealbeispiel dafür ist, wie Altbauviertel deutscher Großstädte ihr Gesicht verändern. Und verbürgerlichen, wenn man das so sagen kann.
"Königstorkinder" erzählt etwas verworren vom arbeitslosen Journalisten Andreas, der eine Affäre mit Ulrike beginnt. Sie wohnt in einem neuen Townhouse am Bötzowviertel, hat Mann, Kind und Freunde in den Medien (ein besonders unausstehliches Exemplar ist Kulturkorrespondent der Sonntagsausgabe dieser Zeitung). Er haust in einer Sperrmüllbude am Mauerpark und verdingt sich mit Projekten des zweiten Arbeitsmarkts. Sie kommt aus dem Westen. Er aus dem Osten.
Und ist Andreas auch ein miesepetriger Phantast und Ulrike resolut mit Selbstzweifeln: Ohne ihre deutsch-deutschen Koordinaten hätten Osangs Romanfiguren keinen Halt. Könnten sie nicht beantworten, auf welcher Seite einer Grenze sie geboren wurden, die es seit zwanzig Jahren nicht mehr gibt, wüssten sie nicht, wer sie sind. Was zwischen den Königskindern geschieht, die zehn Tage Zeit für ihre Liebe haben und nicht zusammenkommen, und was um sie herum, wird nur erklärbar durch die erkennungsdienstlichen Maßnahmen. Ein anderes Motiv für Konflikte gibt es nicht. Verliebt sich ein Westler in einen Ostler, verwandeln sich die beiden in Professor Higgins und Eliza Doolittle. Wer das Herz auf dem rechten Fleck hat oder überhaupt eins, ostberlinert schwer. Dem Karriere-Ostler dagegen fehlt die Balance. Die Westler kaufen sich derweil Wochenendhäuser in Brandenburg.
Am Schluss kollabiert das Buch durch einen Kunstgriff, stellt das, was es erzählt hat, in Frage: Soll man dann auch nicht an die Welt und ihre Figuren glauben, die Osang beschreibt? Die Gegenwartsnähe (alle Cafés, Straßen und Townhouses gibt es wirklich) und die Unbarmherzigkeit des Erzählers aber besagen: Ich habe sie nicht erfunden, das ist das Jetzt. Im echten Bötzowviertel aber verdrängen gerade die neuen Gentrifizierer die alten, egal woher sie kommen. Dagegen wirkt dieser Zeitroman zwanzig Jahre alt.
Alexander Osang: "Königstorkinder". Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2010. 320 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Jetzt von Gestern: Alexander Osang erzählt in "Königstorkinder" von ostwestdeutscher Liebe.
Von Tobias Rüther
Alexander Osang war sieben Jahre für den "Spiegel" in New York, seit 2006 lebt er wieder in Berlin, und zwar im Bötzowviertel: wie damals, als sein Geburtsort noch Hauptstadt der DDR war und Osang Redakteur bei der "Berliner Zeitung". Dieses Bötzowviertel, hat Osang nach seiner Rückkehr geschrieben, wird jetzt von Leuten bewohnt, die nicht wissen, wie man es richtig ausspricht: mit langem Umlaut nämlich. Was eine typische Osang-Beobachtung ist, weil der Reporter und Schriftsteller - die Leser seines Debüts "die nachrichten" (2000) werden sich erinnern - empfindlich auf Tonlagen reagiert. Zwischen dem kurzen und langem "ö" hat Osang eine Demarkationslinie verlegt. Es ist die zwischen Ost und West.
In den "nachrichten" hatte Osang anhand des "Tagesschau"-Sprechers Jan Landers noch erzählt, teils grandios, wie ein Ostdeutscher sich in einem westdeutschen Milieu zu etablieren versucht, die feinen Unterschiede der Hansestadt Hamburg lernen will. Sein neuer Roman "Königstorkinder" handelt jetzt davon, wie sich ein westdeutsches Milieu im Osten ausbreitet. Und zwar eben im Bötzowviertel, das mit Parklage und großen Wohnungen, in die junge Akademikerfamilien mit steigenden Einkommen einziehen, ein Idealbeispiel dafür ist, wie Altbauviertel deutscher Großstädte ihr Gesicht verändern. Und verbürgerlichen, wenn man das so sagen kann.
"Königstorkinder" erzählt etwas verworren vom arbeitslosen Journalisten Andreas, der eine Affäre mit Ulrike beginnt. Sie wohnt in einem neuen Townhouse am Bötzowviertel, hat Mann, Kind und Freunde in den Medien (ein besonders unausstehliches Exemplar ist Kulturkorrespondent der Sonntagsausgabe dieser Zeitung). Er haust in einer Sperrmüllbude am Mauerpark und verdingt sich mit Projekten des zweiten Arbeitsmarkts. Sie kommt aus dem Westen. Er aus dem Osten.
Und ist Andreas auch ein miesepetriger Phantast und Ulrike resolut mit Selbstzweifeln: Ohne ihre deutsch-deutschen Koordinaten hätten Osangs Romanfiguren keinen Halt. Könnten sie nicht beantworten, auf welcher Seite einer Grenze sie geboren wurden, die es seit zwanzig Jahren nicht mehr gibt, wüssten sie nicht, wer sie sind. Was zwischen den Königskindern geschieht, die zehn Tage Zeit für ihre Liebe haben und nicht zusammenkommen, und was um sie herum, wird nur erklärbar durch die erkennungsdienstlichen Maßnahmen. Ein anderes Motiv für Konflikte gibt es nicht. Verliebt sich ein Westler in einen Ostler, verwandeln sich die beiden in Professor Higgins und Eliza Doolittle. Wer das Herz auf dem rechten Fleck hat oder überhaupt eins, ostberlinert schwer. Dem Karriere-Ostler dagegen fehlt die Balance. Die Westler kaufen sich derweil Wochenendhäuser in Brandenburg.
Am Schluss kollabiert das Buch durch einen Kunstgriff, stellt das, was es erzählt hat, in Frage: Soll man dann auch nicht an die Welt und ihre Figuren glauben, die Osang beschreibt? Die Gegenwartsnähe (alle Cafés, Straßen und Townhouses gibt es wirklich) und die Unbarmherzigkeit des Erzählers aber besagen: Ich habe sie nicht erfunden, das ist das Jetzt. Im echten Bötzowviertel aber verdrängen gerade die neuen Gentrifizierer die alten, egal woher sie kommen. Dagegen wirkt dieser Zeitroman zwanzig Jahre alt.
Alexander Osang: "Königstorkinder". Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2010. 320 S., geb., 19,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Läuft der Dreh schon für den Film zum Buch? Christoph Schröder scheint das fast zu hoffen: Vielleicht gewinnt der Streifen dem klischeebeladenen Plot des Buches ja noch etwas ab. Warum Alexander Osang diesen Roman hat schreiben müssen, erschließt sich dem Rezensenten jedenfalls bis zum Schluss der Lektüre nicht. Prenzlauer Berg, Townhouses, neue Mauern (statt zwischen Ost und West nun zwischen arm, aber sexy und reich, aber langweilig) - alles schon bekannt. Dass die Hauptfigur, ein nach wie vor an seinem Ossikomplex leidender Vierziger, Menschen nach Automarken charakterisiert, findet Schröder auch nicht mehr wirklich witzig. Müde und verärgert sucht er nach neuer Erkenntnis in diesem Buch - vergebens.
© Perlentaucher Medien GmbH
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