Schon seit Beginn der Bundesrepublik Deutschland besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem im Grundgesetz Artikel 38 (1) verankerten Recht des Abgeordneten, seine Entscheidungen seinem Gewissen entsprechend zu treffen, ohne an Aufträge und Weisungen gebunden zu sein, und dem Anspruch der Fraktion genau dieses einzuschränken. Im Kontext der historischen Entwicklung und den im Grundgesetz verankerten und verfestigten Werten, den sich daraus ergebenden Verhaltenserwartungen sowie den damit verbundenen Normen und Normengefügen hat sich diese Studienarbeit zur Aufgabe gemacht - jedenfalls soweit dies der Rahmen zulässt - zu untersuchen, ob und inwiefern ein Prozess von Normverselbstständigung stattgefunden hat bzw. gerade stattfindet. Die Fragen, die dabei von zentraler Bedeutung sind, lauten: Können sich Normen oder Normengefüge so weit von ihrem ursprünglichen Zweck entfernen, können sie eine Eigendynamik entfalten, die sich letztendlich gegen die Menschen und ihre Interessen wendet? Oder ist dieser Prozess vielmehr eine Notwendigkeit, ein Anpassungsprozess? Wann wird eine Norm zur Gefahr? Diese Fragen versucht diese Arbeit am Beispiel von Artikel 38 (1) GG versus dem Fraktionszwang auf den Grund zu gehen.
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