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Zustände wie im alten verglichen mit Zuständen wie im neuen Rom. Könnte Köln sein. Die Stadt, in der wir leben, die komplett von Menschen gemachte Welt, das hat Andreas Neumeister schon immer interessiert. In seinem neuen Buch nimmt er urbane und pseudo-urbane Architektur in den Blick, sei es nun in München, Mexiko-Stadt, in der stadtähnlichen nordamerikanischen Provinz, in Los Angeles, Moskau oder Reykjavík.Bewachte Siedlungen, Trailer Parks, Event-Wohnen, Pinselsanierung, Architectural Correctness: von den Hütten zwischen Stadtautobahnschleifen zu den Palästen in zentraleren Lagen. Wie…mehr

Produktbeschreibung
Zustände wie im alten verglichen mit Zuständen wie im neuen Rom. Könnte Köln sein. Die Stadt, in der wir leben, die komplett von Menschen gemachte Welt, das hat Andreas Neumeister schon immer interessiert. In seinem neuen Buch nimmt er urbane und pseudo-urbane Architektur in den Blick, sei es nun in München, Mexiko-Stadt, in der stadtähnlichen nordamerikanischen Provinz, in Los Angeles, Moskau oder Reykjavík.Bewachte Siedlungen, Trailer Parks, Event-Wohnen, Pinselsanierung, Architectural Correctness: von den Hütten zwischen Stadtautobahnschleifen zu den Palästen in zentraleren Lagen. Wie spiegelt sich Politik in Gebäuden? Wie modern kann eine faschistische Parteizentrale aussehen? Bilbao-Effekt klingt gut, Wohlfühlbahnhof noch besser. Wen vereinnahmt die Stadt? Und wen spuckt sie wieder aus? Wem gehört die Straße zwischen all den Gebäuden, die in Stadtzentren seltsam autistisch herumstehen? Andreas Neumeister fällt erzählend mit der Tür ins Haus, zoomt mitten hinein in die deutsche "gemuetlichkeit", durchmißt Straßenfluchten, Megastädte und Stadtrandwahnsinn. Architektur als "gefrorene Musik", als sichtbare Geschichte: für die Geschichte gebaut oder für "real-lebende, original-echte Bewohner"?
Autorenporträt
Neumeister, AndreasAndreas Neumeister, geboren 1959. Studium der Ethnologie. Außer den bei Suhrkamp erschienenen Büchern publizierte er 1996 mit Marcel Hartges als Herausgeber den Reader »Poetry! Slam! Texte der Popfraktion«. In Rom erschien sein Katalog »In dubio pro disco«.Visuelle Arbeiten:Soundinstallation »Music for Fascist Architecture« im Rahmen der Architekturwoche A3, Haus der Kunst, München, 2006.»Da Real World/Die wirkliche Welt« (Diashow und Lesung), Montags bei Petula Clark, Lenbachhaus München, 2006.»The gift/Das Gift« (Einzelausstellung), Tranzit Gallery, Bratislava, 2008.Andreas Neumeister lebt in München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.05.2008

Einstürzende Neubauten

Ein Roman nicht nur für Stadtstreicher: Andreas Neumeister spaziert durch Köln, den Klang von Roxy Music und Nico im Ohr, ohne dabei je die Orientierung zu verlieren.

Von Alexander Müller

Man hätte ahnen können, worum es in Andreas Neumeisters "Könnte Köln sein" gehen würde, ein Text, der im Untertitel mit "Städte. Baustellen. Roman" klassifiziert wird. Denn im vergangenen Jahr war Neumeister im Rahmen der Architekturwoche A3 im Haus der Kunst zu Gast, mit einer Installation für Säulen, Plattenspieler und Mischpult: "Music for Fascist Architecture" auf jener Terrasse, von wo es nur ein kurzer Weg war zur "beengten Ekel-Schau Entartete Kunst" und wieder zurück ins damals neuerbaute Haus der Deutschen Kunst. Die brisante Set-List dieser künstlerischen Intervention reichte von den Residents mit "Third Reich 'n' Roll" über Spike Jones' "Der Fuehrer's Face" bis zum "Lied der Deutschen" in der Interpretation der einstigen Velvet-Underground-Sängerin Nico alias Christa Päffgen, die wiederum für den Roman eine Rolle spielt, aber das nur am Rande.

Denn darin überwiegt thematisch die funkensprühende Diskussion der Architektur, die allerdings immer wieder Anreiz bietet, sie mit popkulturellen Ausformungen wie Film, Musik oder Literatur kurzzuschließen. Alles beim Alten also, was die spätestens seit seinem Roman "Gut laut" (1998) bekannte Erzähltechnik Neumeisters betrifft, die Listen, Collagen, Kalauer und rhythmische Satzvariationen ebenso umfasst wie Abbildungsnachweise, die ob der fehlenden Abbildung entweder ins Nichts verweisen, zur eigenen Recherche auffordern oder an das mediale Gedächtnis des Lesers appellieren.

Wer sich geradlinigen Geschichten anvertrauen will oder auf einen konventionellen Spannungsbogen hofft, war bei dem 1959 in Starnberg geborenen Autor ohnehin seit je fehl am Platz. Bei ihm reist der Erzähler tatsächlich oder virtuell um die Welt, in Städte wie Rom, Berlin, New York, Paris, Moskau oder Los Angeles, um knappe Beobachtungen, bruchstückhafte Reflexionen, Fragen und Meinungen zu sammeln und nach und nach Verbindungen aufzuzeigen und Vergleiche anzustellen, etwa zwischen den Schwabinger Krawallen der sechziger Jahre und dem Aufruhr in Los Angeles zu Anfang der neunziger Jahre.

Dieser Herr N., wie es in einem Schreiben der Polizei heißt, der vorwiegend in "Mjunik" lebt, jener Stadt, deren Klang sich so schwer beschreiben lässt, urteilt apodiktisch, fragt blödsinnig nach, gibt sich naiv und launisch, immer auf der Jagd nach unzulänglichen Antworten auf unmöglich zu beantwortende Fragen: Wem gehört eigentlich die Stadt? Oder: Muss man so was stehen lassen? Dabei geht es vorwiegend um Auswüchse der repräsentativen oder symbolischen Architektur, um Bauten des Faschismus, des Kapitalismus und des Kommunismus, um die Moderne, um Parks und Siedlungen, begutachtet von einem, der es sich und seinen Lesern bewusst nicht leichtmacht.

Denn schon der Besuch von Giuseppe Terragnis Casa del Fascio, dem Haus des Faschismus in Como, lässt "unsere ohnehin brüchige Überzeugung, das Böse müsse grundsätzlich und automatisch auch böse aussehen, endgültig in sich" zusammenbrechen. So sucht dieser Ich-Erzähler, der derart selten "ich" sagt, dass er beinahe unbemerkt bleibt, beständig nach Spuren, um dann selbst wieder Fährten zu legen, Fundstücke zu sortieren und neu anzuordnen.

Ein solches Fundstück ist das Akronym RDB, das ihm in Italien immer wieder auffällt. Es bezeichnet einen Gasbetonstein, es könnte aber auch für Rolf Dieter Brinkmann stehen, dessen autobiographischer Reisebericht "Rom, Blicke" Neumeister als literarischer Stadtplan gedient haben mag.

Überhaupt wird der Blick des Erzählers auf die Baukunst geprägt von anderen Künstlern, von der englischen Gruppe Roxy Music über den italienischen Regisseur Pier Paolo Pasolini bis zu Ed Ruscha, dessen Fotografiebücher durch Los Angeles führen. Dennoch, bei aller Gefahr, sich in einer labyrinthischen Referenzhölle zu verirren, ist Neumeisters erzählerisches Konstrukt nie einsturzgefährdet. Als Baustelle konzipiert, unfertig und provisorisch, spaziert "Könnte Köln sein" auf Umwegen, aber nie langweilig mit abrupten Orts- und Textsortenwechseln leichtfüßig durch mehrfach vermittelte, verwinkelte Denkgebäude, um en passant historische, soziale und politische Zusammenhänge von Urbanität und Architektur freizulegen.

- Andreas Neumeister: "Könnte Köln sein". Roman. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2008. 276 S., geb., 16,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Etwas "eigentümlich Positivistisches" hat Andreas Neumeisters Buch "Könnte Köln sein" für Rezensent Martin Krumbholz an sich. Als Roman will er das Werk nicht durchgehen lassen, auch wenn es sich im Untertitel zu einem solchen erklärt. Das Buch scheint ihm gewissermaßen aus der "Google-Earth-Perspektive" geschrieben. Es zoome sich die Welt heran, berichtet über Städte wie Rom, Paris, New York, Berlin, Frankfurt und irgendwann auch über Köln. Dieser Reise zu folgen findet Krumbholz bisweilen durchaus mühsam. Ein Roman ist das Buch seines Erachtens nicht, weil dem Buch der "individuelle Blick" fehlt, der die diversen Schauplätze nach einem Sichtungsprinzip einfangen würde. Zwar bescheinigt er dem Buch hin und wieder "Pointierungen und Anflüge von Humor". Insgesamt aber ist Krumbholz nicht recht zufrieden.

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»Als Baustelle konzipiert, unfertig und provisorisch, spaziert Könnte Köln sein auf Umwegen, aber nie langweilig mit abrupten Orts- und Textsortenwechseln leichtfüßig durch mehrfach vermittelte, verwinkelte Denkgebäude, um en passant historische, soziale und politische Zusammenhänge von Urbanität und Architektur freizulegen.« Alexander Müller Frankfurter Allgemeine Zeitung