Produktdetails
  • Verlag: Berlin Verlag
  • Originaltitel: Lijken op liefde
  • Seitenzahl: 294
  • Abmessung: 220mm
  • Gewicht: 472g
  • ISBN-13: 9783827002884
  • ISBN-10: 3827002885
  • Artikelnr.: 24154552
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.12.1998

Schweigegeld in Surinam
Könnte verwickelt sein: Astrid Roemer über Mord und Riten

Dieser Roman beginnt mit der Erinnerung an ein Verbrechen und dessen Vertuschung: Irgendwann wurde eine junge Frau namens An Andijk ermordet, ein junger Mann namens Onno Sewa tot auf der Straße gefunden, und irgendwer deckte den zwiefachen Schrecken mit Schweigegeld zu. Doch offenbar ließen sich Unruhe und Trauer nicht wegschweigen, denn Jahre später ist die einstige Empfängerin des Geldes, eine Matrone namens Cora Sewa, rund um den Erdball unterwegs und sucht nach Zeugen.Doch macht die Kriminalstory nur einen Teil des Romangeschehens aus. Manchmal scheint es, als sei sie nur ein literarisches Nebenprodukt, die Hauptsache dagegen die Schilderung des Gebietes Surinam, einst eine niederländische Kolonie im Nordosten Südamerikas, seit 1975 ein selbständiger Staat. Wir werden eingeführt in tropische Beschaffenheit des Landes, seine Geschichte, die Probleme seiner aus allen Kontinenten stammenden Bevölkerung. Wir begegnen schwarzen und schwarzweiß gemischten Nachkommen ehemaliger Sklaven, Javanern, Chinesen, Indern und auch Niederländern, die einst Herren Surinams waren.

Für die Autorin Astrid H. Roemer sind diese schillernden Fremdheiten eine selbstverständliche Lebensgrundlage. In Surinam wurde sie 1947 geboren, und selbst wenn sie heute einen guten Teil ihrer Zeit in den Niederlanden verbringt, so ist sie in ihrem Herkunftsland nach wie vor zu Hause. Sie hat nach Schriftstellerart das Vertraute als Rohstoff für ihre Geschichte genutzt und ein Gemälde menschlichen Daseins unter surinamischen Bedingungen geliefert. Warum der Roman im Jahr 1999 spielen, die Jahrtausendwende dauernd als eine Art Menetekel herhalten muß, bleibt unerklärt. Aber es stört nicht.

Die Zentralfigur, Cora Sewa, ist eine Mischlingsfrau, die das schwarze und das indische Element des Volkes von Surinam verkörpert. Bald erfahren wir, wofür Cora das Schweigegeld empfing: Sie hat seinerzeit die Leiche der Ermordeten gewaschen und zurechtgemacht, und sie hat dadurch dazu beigetragen, die Untat zu verschleiern und deren Aufklärung zu verhindern. Doch ist sie unschuldig schuldig geworden, denn damals war sie ein junges, argloses Dienstmädchen. In der Romangegenwart ist sie über Sechzig und entschlossen, Licht in das Dunkel der Vergangenheit zu bringen.

Damit sind wir wieder bei der Kriminalstory. Es ist nicht zu leugnen, daß die finstere Geschichte dem Buch seine Spannung verleiht. So interessant der Einblick in das surinamische Gesellschaftsgefüge auch anmutet, die diversen Stammestraditionen machen noch keinen Roman. Anders die Mordgeschichte: Gern folgt man der Fabel durch alle Verschlingungen, denn man möchte irgendwann erfahren, wer das Opfer An Andijk auf dem Gewissen hat und warum dessen Liebhaber Onno Sewa bald nach dem Leichenfund tot auf dem Pflaster lag.

Leider werden wir hier ständig enttäuscht. Wann immer wir hoffen dürfen, der Aufklärung einen Schritt näherzukommen, läßt die Autorin uns im Stich. Vor allem in der zweiten Hälfte des Romans sind wir geneigt, die surinamischen Folkloren zu verfluchen, weil sie uns den Lesegenuß erschweren. Im Gestrüpp privater oder stammesabhängiger Angelegenheiten verliert sich, je weiter die Handlung fortschreitet, die Lösung des Mordrätsels. Am Ende des Buches lesen wir: "Ausländische Beobachter wurden aus der ganzen Angelegenheit nicht mehr klug und packten ihre Koffer. Journalisten wußten nicht mehr, worum es eigentlich ging." Diese Sätze sind nicht auf die Nöte des Lesers gemünzt, aber sie beschreiben seine Malaise.

Freilich darf er an dieser Stelle ahnen, daß der Mord an An Andijk aus Eifersucht geschah, allem Anschein nach verübt von ihrem verzweifelten Anbeter Onno Sewa, geduldet, wenn nicht sogar angestiftet von Ans Chef und Liebhaber Cor Crommeling sowie von dessen verletzter Ehefrau Dora. Wenn wir es recht verstanden haben, beging Onno Sewa nach der Untat Selbstmord. Sicher ist, daß Cor Crommeling das Schweigegeld für Cora zahlte.

Parallel zur Mordaufklärung läuft ein politischer Prozeß in Surinams Hauptstadt Paramaribo, in dem Crommelings Sohn Leonard als ein nicht sehr ehrenhafter Richter mitwirkt. Daraus resultiert ein ziviler Prozeß mit Cora Sewas Ehemann, dem Naturheiler Herman Sewa, auf der Anklagebank. Vordergründig geht es um Abtreibungen, doch in Wahrheit will der böse Sohn Crommeling den braven Herman vernichten, weil dessen Zeugenaussage ihm das politische Prozeßkonzept verdarb. Spätestens hier erkennen wir nur mit Mühe, was die Prozeßgeschichten mit der Mordgeschichte zu schaffen haben, und müssen das Handtuch werfen. SABINE BRANDT

Astrid H. Roemer: "Könnte Liebe sein". Roman. Aus dem Niederländischen übersetzt von Christiane Kuby. Berlin Verlag, Berlin 1998. 295 S., geb. 39,80 DM.

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