»Das Kojiki« ist das älteste überlieferte literarische Dokument Japans. Es wurde im Jahr 712 als Auftragsarbeit für den japanischen Hof angefertigt. Kaiser Tenmu-tenno wollte zur Vermeidung unrichtiger oder abweichender Überlieferungen das vorhandene Material an Mythen, Genealogien, Sagen und historischen Berichten sammeln, sichten und aufzeichnen lassen, um so eine »wahre« und verbindliche Geschichte des Altertums zu erhalten. Die Chronik beginnt mit der Schöpfung und führt zunächst über Berichte zur Theogonie und über Schilderungen aus dem Leben der Himmlischen zur Erdenfahrt des Enkels der Sonnengöttin und zur Geburt des späteren ersten Kaisers Jinmu. Im zweiten und dritten Buch wird die Reichsgeschichte bis zur Regierungszeit der Kaiserin Suiko (reg. 593-628) erzählt. Jahrhundertelang stand das »Kojiki« im Schatten des etwas jüngeren »Nihonshoki«. Erst mit der Meiji-Restauration von 1868 und der Gründung des modernen, sich dabei aber völlig archaisch gebenden Kaiserreiches Japan erlangte das »Kojiki« die Position einer allgemein anerkannten »Bibel des Shint «. Die zentrale Schrift des Shintoismus, dem nationalen Kult Japans.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Wer sich mit Claude Levi-Strauss' Schriften über Japan beschäftigen will, sollte vorher die von Klaus Antoni übersetzte Mythensammlung Japans lesen, empfiehlt die Schriftstellerin Yoko Tawada. Antonis Aufsatz über Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte der Kojiki nimmt Tawada zum Anlass, über den "Gründungsmoment einer Kultur" nachzudenken. Auch heute noch, sagt sie, gibt es Japaner, die ihre Kultur als rein japanisch, also ohne äußere Einflüsse, gegründet glauben. Viel spreche jedoch dafür, dass in zwei Strömungen an Menschen und Kulturen zusammenflossen: die eine kam von Sibirien, die andere aus dem südlichen Pazifik.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Sehr beeindruckend arbeitet der Tübinger Japanologe Klaus Antoni heraus, welche Rolle der alte Text beim Weg Japans in einen modernen Nationalstaat spielte. Man gewinnt den Eindruck: je stärker Industrie und Wirtschaft werden, desto wichtiger wird die Begleitmusik einer archaisierenden Ideologie. Das technische Zeitalter entzaubert die Welt nicht. Es verzaubert sie neu mit ganz besonders alten Kostümen.«