Die Rahmenbedingungen für erfolgreiche strategische Unternehmensführung haben sich in den letzten zwanzig Jahren, bedingt durch die Globalisierung der Märkte und immer höhere Kosten für die Entwicklung und Durchsetzung neuer Technologien, grundlegend gewandelt. Deshalb ist kollektives strategisches Handeln kein exklusives Merkmal reifer Märkte mehr, sondern in allen Marktphasen eine notwendige und ökonomisch sinnvolle Handlungsoption. Man kann sogar die These wagen, dass der Wettbewerb in immer mehr Märkten typischerweise nicht mehr zwischen Einzelunternehmen oder Konzernen, sondern zwischen strategischen Kooperationen stattfinden wird. Die Ausnahme wird zur Regel. Ungeachtet der Popularität solcher Thesen in Wissenschaft und Praxis fehlt es jedoch bislang an einer systematischen und umfassenden Analyse zum kollektiven strategischen Handeln. Insa Sjurts versucht in ihrer Studie, die zahlreichen verstreuten und dennoch themenverwandten begrifflichen und theoretischen Ansätze zu strategischen Kooperationen zu rekonstruieren, einzuordnen, zu analysieren und schließlich eine Theorie kollektiven strategischen Handelns in ihren Grundzügen zu begründen.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2000Dauerhafte Vorteile durch Zusammenarbeit
Grundfragen des kollektiven strategischen Handelns
Insa Sjurts: Kollektive Unternehmensstrategie. Grundfragen einer Theorie kollektiven strategischen Handelns. Deutscher Universitäts Verlag, Wiesbaden 2000, 324 Seiten, 128 DM.
Wie können Unternehmen dauerhafte Wettbewerbsvorteile aufbauen und verteidigen? Vor allem durch Ressourcen, die für die Kunden Nutzen stiften und außerdem knapp, schwer imitierbar und durch nichts anderes zu ersetzen sind. Das meinen jedenfalls die Vertreter des "Ressourcen-Ansatzes" der Strategielehre, zu denen neben Birger Wernerfelt, Richard P. Rumelt und Jay B. Barney auch Gary Hamel und Coimbatore K. Prahalad gehören, die den Begriff der Kernkompetenzen geprägt haben. Autoren, die dem Leitbild einer vollkommenen Konkurrenz folgen, erklären auch gleich, wie diese Ressourcen zu entwickeln sind, nämlich aus eigener Kraft oder, notgedrungen, über Akquisition und Fusion. In der Praxis folgt man jedoch längst auch anderen Wegen. Die Kosten für die Entwicklung, Einführung und Durchsetzung von Produkten werden immer höher, die Lebenszyklen immer kürzer und die zu bearbeitenden Märkte immer größer. Akquisitionen und Fusionen sind teuer und riskant. Damit heißt die Losung "Zusammenarbeit". Sie ist inzwischen auch vom Mittelstand aufgegriffen worden, der die Grenzen des Einzelkämpfertums oft schmerzhaft erfährt.
Kooperiert wird heute mit Partnern unterschiedlicher Größe, aus verschiedenen Wertschöpfungsstufen, über nationale Grenzen hinweg und in vielfältiger Art und Weise. Nicht selten ist und bleibt der Partner auch zugleich Konkurrent. Trotz der Relevanz von Kooperation für die Unternehmenspraxis gibt es bisher keine Theorie kollektiven strategischen Handelns. Insa Sjurts zeigt in ihrer Habilitationsschrift (Universität der Bundeswehr Hamburg) beeindruckend, wie sehr sich die Diskussion zur kollektiven Unternehmensstrategie in einem Begriffsdschungel verfangen hat. Hinzu kommt, daß sowohl die Ökonomie als auch die Sozialwissenschaften lustvoll einer Theorienvielfalt huldigen und dabei meist nur Teilaspekte beleuchten. Sjurts' Analyse läßt erahnen, wie sehr die Praxis bei Kooperationen auf Rezeptvorschläge und Erfolgsgeschichten angewiesen ist und wie oft wohl bei Partnerwahl sowie Größe, Art und Ausgestaltung der Kooperation Mißgriffe passieren. So ist es nur konsequent, daß die Autorin viel Raum den konzeptionellen Defiziten widmet.
Sjurts stellt vier Grundfragen, die zugleich die Gliederung ihrer Arbeit darstellen. Ist kollektives strategisches Handeln unter den Bedingungen von Wettbewerb überhaupt erfolgversprechend möglich? Diese Frage wird meist ohne nähere Begründung bejaht. Andererseits sehen manche schon den "Hyperwettbewerb" heraufziehen. Dann würde sich in vielen Branchen jede Form der Zusammenarbeit von selbst verbieten. Die zweite Frage zielt darauf ab, wer mit wem, warum und in welchem Umfang wo, wie und wie lange kooperieren sollte. Hier rückt das Kooperationsrisiko, anderswo so gut wie gar nicht thematisiert, in den Mittelpunkt. Die dritte Frage dreht sich um die verschiedenen Organisationsformen kollektiven strategischen Handelns und um die mögliche Parallelität von Kooperation und Konkurrenz, also "Coopetition". Daß diese noch einer eingehenden wissenschaftlichen Diskussion bedarf, machen die Ausführungen deutlich. Schließlich fragt Sjurts, wie sich Entstehung, Funktionieren und Auflösung kollektiver Unternehmensstrategien erklären lassen. Nicht überraschend, kristallisiert sich "Vertrauen" als unabdingbare Voraussetzung für das Zustandekommen kollektiven strategischen Handelns heraus.
Neben den wissenschaftlich Interessierten kann dieses Buch auch Praktikern empfohlen werden, die mit den Fragen kollektiver Unternehmensstrategien konfrontiert sind und sich dabei nicht nur auf ihren Instinkt oder auf Nachahmung verlassen möchten, sowie Unternehmensberatern, die ihren Blick für die Möglichkeiten und Risiken kollektiven strategischen Handelns schärfen wollen.
HEINZ K. STAHL
(Institut für Unternehmungsführung der Universität Innsbruck)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Grundfragen des kollektiven strategischen Handelns
Insa Sjurts: Kollektive Unternehmensstrategie. Grundfragen einer Theorie kollektiven strategischen Handelns. Deutscher Universitäts Verlag, Wiesbaden 2000, 324 Seiten, 128 DM.
Wie können Unternehmen dauerhafte Wettbewerbsvorteile aufbauen und verteidigen? Vor allem durch Ressourcen, die für die Kunden Nutzen stiften und außerdem knapp, schwer imitierbar und durch nichts anderes zu ersetzen sind. Das meinen jedenfalls die Vertreter des "Ressourcen-Ansatzes" der Strategielehre, zu denen neben Birger Wernerfelt, Richard P. Rumelt und Jay B. Barney auch Gary Hamel und Coimbatore K. Prahalad gehören, die den Begriff der Kernkompetenzen geprägt haben. Autoren, die dem Leitbild einer vollkommenen Konkurrenz folgen, erklären auch gleich, wie diese Ressourcen zu entwickeln sind, nämlich aus eigener Kraft oder, notgedrungen, über Akquisition und Fusion. In der Praxis folgt man jedoch längst auch anderen Wegen. Die Kosten für die Entwicklung, Einführung und Durchsetzung von Produkten werden immer höher, die Lebenszyklen immer kürzer und die zu bearbeitenden Märkte immer größer. Akquisitionen und Fusionen sind teuer und riskant. Damit heißt die Losung "Zusammenarbeit". Sie ist inzwischen auch vom Mittelstand aufgegriffen worden, der die Grenzen des Einzelkämpfertums oft schmerzhaft erfährt.
Kooperiert wird heute mit Partnern unterschiedlicher Größe, aus verschiedenen Wertschöpfungsstufen, über nationale Grenzen hinweg und in vielfältiger Art und Weise. Nicht selten ist und bleibt der Partner auch zugleich Konkurrent. Trotz der Relevanz von Kooperation für die Unternehmenspraxis gibt es bisher keine Theorie kollektiven strategischen Handelns. Insa Sjurts zeigt in ihrer Habilitationsschrift (Universität der Bundeswehr Hamburg) beeindruckend, wie sehr sich die Diskussion zur kollektiven Unternehmensstrategie in einem Begriffsdschungel verfangen hat. Hinzu kommt, daß sowohl die Ökonomie als auch die Sozialwissenschaften lustvoll einer Theorienvielfalt huldigen und dabei meist nur Teilaspekte beleuchten. Sjurts' Analyse läßt erahnen, wie sehr die Praxis bei Kooperationen auf Rezeptvorschläge und Erfolgsgeschichten angewiesen ist und wie oft wohl bei Partnerwahl sowie Größe, Art und Ausgestaltung der Kooperation Mißgriffe passieren. So ist es nur konsequent, daß die Autorin viel Raum den konzeptionellen Defiziten widmet.
Sjurts stellt vier Grundfragen, die zugleich die Gliederung ihrer Arbeit darstellen. Ist kollektives strategisches Handeln unter den Bedingungen von Wettbewerb überhaupt erfolgversprechend möglich? Diese Frage wird meist ohne nähere Begründung bejaht. Andererseits sehen manche schon den "Hyperwettbewerb" heraufziehen. Dann würde sich in vielen Branchen jede Form der Zusammenarbeit von selbst verbieten. Die zweite Frage zielt darauf ab, wer mit wem, warum und in welchem Umfang wo, wie und wie lange kooperieren sollte. Hier rückt das Kooperationsrisiko, anderswo so gut wie gar nicht thematisiert, in den Mittelpunkt. Die dritte Frage dreht sich um die verschiedenen Organisationsformen kollektiven strategischen Handelns und um die mögliche Parallelität von Kooperation und Konkurrenz, also "Coopetition". Daß diese noch einer eingehenden wissenschaftlichen Diskussion bedarf, machen die Ausführungen deutlich. Schließlich fragt Sjurts, wie sich Entstehung, Funktionieren und Auflösung kollektiver Unternehmensstrategien erklären lassen. Nicht überraschend, kristallisiert sich "Vertrauen" als unabdingbare Voraussetzung für das Zustandekommen kollektiven strategischen Handelns heraus.
Neben den wissenschaftlich Interessierten kann dieses Buch auch Praktikern empfohlen werden, die mit den Fragen kollektiver Unternehmensstrategien konfrontiert sind und sich dabei nicht nur auf ihren Instinkt oder auf Nachahmung verlassen möchten, sowie Unternehmensberatern, die ihren Blick für die Möglichkeiten und Risiken kollektiven strategischen Handelns schärfen wollen.
HEINZ K. STAHL
(Institut für Unternehmungsführung der Universität Innsbruck)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Glaubt man dem Rezensenten Heinz K. Stahl, so gibt es zur Zeit zwei grundsätzliche Ideen zur Unternehmensstrategie: einerseits die Rückbesinnung auf die "Kernkompetenzen" eines Unternehmens, andererseits Modelle der Kooperation mit anderen Unternehmen, die unter Umständen sogar zur Konkurrenz gehören. Das Buch der Autorin scheint sich dabei vor allem mit Theorien zu letzterer Strategie zu befassen. Dabei stelle die Autorin mehrere grundlegende Fragen zur Kooperationsstrategie: etwa ob eine kollektive Strategieplanung unter Bedingungen der Konkurrenz überhaupt möglich sei oder welche Organisationsformen eine solche Strategie am besten wählen solle. Stahl lobt, dass das Buch aus dem "Begriffsdschungel" heutiger Wirtschaftstheorie durch die große Nützlichkeit seiner Erwägungen herausragt und legt es ausdrücklich auch Praktikern ans Herz.
© Perlentaucher Medien GmbH
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