Marktplatzangebote
13 Angebote ab € 0,35 €
  • Broschiertes Buch

Stefan Beuses erster Roman, für den er beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt ausgezeichnet wurde, erzählt vom magischen Zusammenhang der Ereignisse; von scheinbar zufälligen Begegnungen und Verlusten, von der Liebe und vom Geheimnis.

Produktbeschreibung
Stefan Beuses erster Roman, für den er beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt ausgezeichnet wurde, erzählt vom magischen Zusammenhang der Ereignisse; von scheinbar zufälligen Begegnungen und Verlusten, von der Liebe und vom Geheimnis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2000

Zum Mond geschossen
Auf der Erde, ohne Anziehungskraft: Stefan Beuses "Kometen"

Wimpernschlag und Wirbelsturmverwüstung, Grillenzirpen und Geröllhagel, alte Griechen und junge Chaotiker - alles eins. Dieses postmoderne Dauer-Domino ist zwar auch schon wieder Schnee von gestern, aber der ist getaut, verdampft, vereist: Stoff für kühle Romane von coolen Autoren. Zum Beispiel von Stefan Beuse. In seinem Debütroman zirpen Grillen in Kalifornien, geht ein Killer um in einer deutschen Stadt, fliegt ein Komet einem Japaner vors Teleskop - und alles ist eins, irgendwie. Der 1967 in Münster geborene Autor und ehemalige Werbetexter hat die kurzen Geschichten aus seinem ersten Buch "Wir schießen Gummibänder zu den Sternen" zu einer hundertsechzigseitigen Collage verkettet, die schlicht und groß "Kometen" titelt.

Kometengleich sausen Beuses Helden einmal um den Globus, schrammen aneinander vorbei, verglühen. Da ist ein Fotograf, der langsam erblindet, ständig mit seinen Objektiven hantiert, mit den Linsen, Spiegeln, Verschlusszeiten, und knipst und knipst - bis es dunkel um ihn wird. Wie bei Wim Wenders' "Ende der Welt". Und wie bei Wim Wenders sind auch die anderen emphatisch on the road: Martin etwa verliert sich im Pochen des fallenden Regens, im Takt der Scheibenwischer, im Brummen des Motors; nach all den Herzensverwirrungen, die ihn in die Nacht gejagt haben, geht es jetzt "einzig um das Gefühl der Fahrt in ihm, das Gefühl einer perfekten Geschwindigkeit . . . genau auf Augenhöhe mit dem Lauf der Dinge: die wahre Definition von Glück".

Stefan Beuse sammelt die Sekunden der wahren Empfindung zwischen Leichenfunden, Luststammeln und was sonst vom Abend des 30. Januar 1996 bis zum Morgen des 2. Februar passiert: Ein Autor sucht Peter Handke und findet, beinahe, Brad Fraser ("Liebe und andere Grausamkeiten"). Leider bloß beinahe: Denn Trash hat Tempo, aber keinen technischen Overkill mit meditativer Schubumkehr. "Im Spektrum des Quasarlichts hinterlässt jede Galaxie ein spezifisches Muster von Absorptionslinien, einen ,kosmischen Fingerabdruck', der Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung und damit auf denjenigen Massenteil des Universums ermöglicht, der aus Protonen und Neutronen aufgebaut ist", erfahren wir in einem der astrophysischen Intermezzi, und weil's so schön war, gibt's als Zugabe zwei Lieblingsszenarien: die Expansion oder Implosion des Weltalls. Martin kann da nur noch lachen. Der Leser weniger.

Martin ist übrigens mit David befreundet, den Kyra verlassen hat, deren Katze verschwunden ist (passend zum Motto: "Comets are like cats. They have tails, and they do precisely what they want") und die einen Flirt mit dem Fotografen hatte, dessen Leiche amerikanische Studenten finden werden, denen Marie buchstäblich grillenhafte E-Mails geschickt hat; Marie, die Exbusenfreundin von Kyra; Marie, die neue Angebetete von David, der gerade Maries Freundin Mona liebt, stolpert im nachtschwarzen Park über Jakob, Kyras verstörten Chef, flüchtet und rennt dem Serienkiller in die Arme, der wiederum . . . Genau. Weiteres soll aber nicht verraten werden. Wie das Leben halt so spielt: Über drei, vier Ecken, über einen Mausklick, einen Mord kennt man die ganze Welt.

Doch nur den halben Kosmos. Die Kometen beispielsweise: Wieso manche aus ihrer eisigen Wolke der Sonne entgegenstürzen und andere nicht, weiß keiner. Die meisten dieser geheimnisvollen Giganten werden - wie der Plunder auf unserem Speicher - "für alle Zeiten ein Dasein als ungehörte Zeugen unserer Vergangenheit fristen". Nur ab und an gerät einer ins Fadenkreuz wissenschaftlicher Forschung. Diesmal ist es der Hyakutake: Ein Hobbyastronom in Japan dreht sich um, als er ein Geräusch hört - einem vorbeisteigenden Sechzehnjährigen ist gerade lautstark die Antwort auf ein E-Mail eingefallen, das ihm eine gewisse Marie aus Europa geschickt hat -, dabei stößt er an sein Teleskop und hat prompt den Kometen im Visier.

Bei Douglas Adams heißt das improbability drive und ist tatsächlich zum Lachen. Aber was, wenn der Autor mit seinen geschwollenen Scherzen dauernd seine Figuren kaputtlacht? Mag er dazu dem Unternehmensberater Jakob auch Michael Nymans "Drowning by Numbers" in den CD-Wechsler legen: Der Sog bleibt aus.

Als Stefan Beuse eine Vorform von "Kometen" 1999 in Klagenfurt zum Besten gab und dafür den Preis des Landes Kärnten erhielt, überzeugte er nicht mit technischen Details, nicht mit selbstreflexiven Etüden wie Tagebuchfragmenten, E-Mail-Ausdrucken und Physikschnipseln - sondern mit dem Leben dahinter, mit genauer Beobachtung. Wie Kyras Großvater seine Welt, seine Frau, seine geliebte Enkelin langsam an den Alzheimer verliert, wie Nora sich von ihrer Schwangerschaft zermürben lässt, skizziert Beuse flink, fein - und heftig. Er hätte es bei solchen Wimpernschlägen belassen sollen.

ALEXANDRA M. KEDVES

Stefan Beuse: "Kometen". Roman. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2000. 160 S., geb., 29,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr