Ruth Berger war zwar als Dolmetscherin in fremden Sprachen zu Hause, doch eine eigene Sprache findet sienicht. Schon als Kind wurde sie zum Schweigen verdammt, und als erwachsene Frau verstummt sie immer wieder vor der Macht der Männer um sie herum. Nach gescheiterten Beziehungen und einer abgebrochenen Karriere ist sie allein mit ihrer Angst vor Nähe und Freundschaft, allein mit dem Verdacht, dass mit dem Verschwinden der weiblichen Stimmen die Ohnmacht der Frauenzementiert werden soll. Ruth, nunmehr Lehrerin, übersiedelt für ein Jahr von Wien nach Gmunden. Dort ist sie ganz nah am Thema ihrer Recherchen, die sie seit Jahren nebenbei führt: Sie sammelt Akten über NS-Widerstandskämpferinnen im Salzkammergut, zu denen auch Anna Zach gehörte. Nach einem Gespräch mit dieser mutigen, inzwischen alten, aber ungebrochenen Frau versteht Ruth plötzlich ihre innere Fremde, versteht die Bedeutung von Schweigen und Verrat. "Komm über den See" verbindet Themenkreise, die seit Beginn an Elisabeth Reicharts Werk formen: Generationsübergreifendes Schweigen, Sprachlosigkeit und Verdrängen, aber auch weiblicher Widerstand gegen eine - immer noch - von Männern beherrschte Welt. Aufwühlend und zeitlos aktuell.