Kommunikation ist Antizipation von Koordination. Sie nimmt hypothetisch und abstrahierend vorweg, wie unabhängig voneinander entscheidende Akteure ihre Handlungen aufeinander abstimmen können. Kommunikationssysteme erbringen in der modernen Gesellschaft unverzichtbare Orientierungsleistungen für die Lösung von Koordinationsproblemen der sozialen Akteure. Aufgrund dieser pragmatischen Dimension der in Kommunikationssystemen erzeugten Information unterliegt Kommunikation der externen Selektion anhand ihrer Bewährung bei der Lösung von Koordinationsproblemen. Auf diese Weise moduliert die Umwelt die Wahrscheinlichkeit, mit der bestimmte Information in Kommunikationssystemen entsteht. Kommunikationssysteme sind in diesem evolutionstheoretischen Sinn informationell offen. Das sind wesentliche Ergebnisse der Auseinandersetzung des Autors mit der Konzeption kultureller und sozialer Evolution in der Systemtheorie Niklas Luhmanns. Das Buch geht intensiv auf die grundlegende Struktur evolutionstheoretischer Erklärung ein und greift in diesem Zusammenhang Überlegungen von Bernd-Olaf Küppers zum Begriff der Information im Kontext der erstmaligen Entstehung biologischer Information auf. Auf der Suche nach dem Muster einer evolutionstheoretischen Erklärung für die Entstehung von Information in Bewußtseins- und Kommunikationssystemen gewinnt der Autor entscheidende Anregungen aus einer Analyse des Erklärungsdefizits des Radikalen Konstruktivismus und vor allem aus einer evolutionstheoretischen Interpretation der genetischen Erkenntnistheorie Jean Piagets. Auf dieser Grundlage führt das Buch zu einer Grundkonzeption der Evolution von Kultur und Gesellschaft, die Kommunikation, Koordination und soziales System als grundlegende Einheiten der Erklärung miteinander verbindet. Der Begriff der Koordination bezeichnet die Einheit externer Selektion in der kulturellen und sozialen Evolution. Er beruht auf der mit spieltheoretischen Argumenten gestützten Annahme, daß Kommunikationssysteme einen entscheidenden Beitrag zur Lösung von Problemen der Koordination der Handlungen sozialer Akteure leisten. Die Konturen des Begriffs der Koordination, seine Funktion für die evolutionstheoretische Erklärung und die exemplarische Darstellung seines empirischen Gehalts stehen im Zentrum der Untersuchung. Ein solches Evolutionskonzept ermöglicht nach der Argumentation dieses Buches eine theoretische Modellierung sozialer Lernprozesse als Zusammenspiel der Makroevolution von Kultur und Gesellschaft und der Mikroevolution des individuellen Bewußtseins. Innerhalb dieses integrierenden Rahmens erweisen sich Handlungstheorie und Systemtheorie als komplementäre Teilbeiträge, die erst in ihrer wechselseitigen Ergänzung in evolutionstheoretischem Sinn schlüssige Erklärungen von Kultur und Gesellschaft erlauben. Den Abschluß des Buches bilden Überlegungen zum Verhältnis von Evolution und Gesetzgebung. Inhalt: Einleitung Politik und Recht als Garanten für den Zusammenhalt der Gesellschaft? 1. Kapitel: Die Evolution sozialer Systeme bei Niklas Luhmann 1. Gegenstand und Methode 1.1. Biologie und soziologische Erklärung 1.2. Methodische Vorbemerkung 2. Das Konzept der Evolution sozialer Systeme bei Niklas Luhmann 2.1. Das Vergleichsmuster: Die Theorie der biologischen Evolution 2.2. Die Fragestellung einer soziologischen Evolutionstheorie 2.3. Das Grundkonzept der Erklärung der Evolution sozialer Systeme bei Luhmann im Vergleich 2.4. Systemtheoretische Grundlagen 2.5. Die Konzeption einer "selbstreferentiellen Evolution" des sozialen Systems 2. Kapitel: Grenzen der Erklärungskraft des Luhmannschen Evolutionskonzepts 1. Evolution durch interne Selektion 2. Die Erklärungslast des Begriffs der strukturellen Kopplung 3. Überlegungen zum Begriff und zur Entstehung von Information 3.1. Die Analyse des Informationsbegriff bei Bernd-Olaf Küppers 3.2. Information bei Luhmann und Küppers 3.3. Informationstheoretische Defizite des Luhmannschen Evolutionskonzepts 4. Überlegungen zu einer evolutionstheoretischen Alternative 4.1. Ansatzpunkte für ein Konzept externer Selektion 4.2. Die Entstehung von Information als evolutionäres Optimierungsverfahren 3. Kapitel: Die Entstehung von Information in kognitiven Systemen 1. Die Landkarte und das Territorium 2. Die Erkenntnistheorie des Radikalen Konstruktivismus 3. Die genetische Epistemologie Jean Piagets 3.1. Zu Anspruch und Bedeutung der genetischen Epistemologie Piagets 3.2. Das erkenntnistheoretische Problem der Zahl 3.3. Die Aquilibration der kognitiven Strukturen 3.4. Zur evolutionstheoretischen Interpretation der genetischen Epistemologie Piagets 4. Zur Frage der sozialen Konstitution der Erkenntnis 4. Kapitel: Kommunikationssysteme als Lösungen für Probleme der sozialen Koordination von Handlungen 1. Fragestellung und These 2. Die soziale Koordination von Handlungen als Informationsproblem 2.1. Probleme der sozialen Abstimmung individueller Handlungen 2.2. Das Informationsproblem des Kooperationsdilemmas 3. Kommunikationssysteme als Vertrauensbasis für allgemeine Kooperation 4. Die Selektion von Handlungen 5. Kapitel: Die evolutionäre Entstehung von Information in sozialen Systemen 1. Das Grundkonzept einer evolutionstheoretische Synthese 1.1. Koordination als Einheit der Selektion 1.2. Empirische Erscheinungsformen der Koordination 1.3. Die Einheiten der kulturellen und sozialen Evolution 2. Zu einzelnen Aspekten des pragmatischen Evolutionskonzepts 2.1. Handlungstheorie und Systemtheorie 2.2. Evolution und Fortschritt 2.3. Zur Einheit der kulturellen und sozialen Evolution 2.4. Die Realität der Gesellschaft 2.5. Erkenntnistheoretische Aspekte 2.6. Evolutionsdynamik und individuelle Verantwortung 3. Evolution und Gesetzgebung - Schlußfolgerungen für eine laufende Debatte 3.1. Thesen 3.2. Die Steuerungsskepsis Niklas Luhmanns 3.3. Würdigung und Kritik 3.4. Die Gesetzesbindung der Verwaltung und die Evolution der Verwaltungskultur