Produktdetails
- Zukunft im Marketing
- Verlag: Deutscher Fachverlag
- Seitenzahl: 241
- Abmessung: 245mm
- Gewicht: 610g
- ISBN-13: 9783871507304
- Artikelnr.: 09153215
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.07.1995Die Kunst als Wirtschaftsfaktor
Über Kulturförderung im heutigen Unternehmen
Marjory Jacobson: Kunst im Unternehmen. Campus Verlag, Frankfurt/New York 1995, 224 Seiten, 128 DM.
Seit den Tagen der Medici, die im "republikanischen" Florenz der Renaissance als Kaufleute und Bankiers nicht nur die Künste gefördert, sondern auch die Richtlinien der Politik diktiert haben, hat die Wirtschaft nie mehr eine solche Machtposition besessen wie an der Wende vom zweiten zum dritten Jahrtausend. So jedenfalls sieht es die amerikanische Kunstberaterin Marjory Jacobson in ihrem kenntnisreich geschriebenen und informativen Buch über "Kunst im Unternehmen". Sie leitet daraus, ganz pragmatisch, die Verpflichtung der Wirtschaft zur Kunstförderung ab: nicht aus Gründen der Wohltätigkeit, sondern durchaus im Sinne eines "aufgeklärten Eigeninteresses", das sich im Idealfall auch einmal mit Gemeinnützigkeit verbinden kann. Dieses Eigeninteresse betrifft nicht nur die Imagepflege und damit die "Erzeugung von Wohlwollen" (Jacobson), sondern vor allem auch die Verbesserung von Absatzchancen und die Erhöhung unternehmerischer Gewinne.
Die Sympathien der Autorin gehören eindeutig der zeitgenössischen Kunst, vor allem den avantgardistischen Strömungen. Deren innovative Tendenzen entsprechen für sie der Dynamik von Wirtschaftsprozessen und der ihnen zugrundeliegenden Wachstumsideologie. Bei solchen Überlegungen wird viel Fortschrittsoptimismus amerikanischer Provenienz ohne europäisch gebrochene Skepsis erkennbar. Das entspricht den Strukturen und dem historischen Hintergrund der öffentlichen und privaten Sammlungen in einem Land, in dem eine systematische öffentliche Kunst- und Kulturförderung die Ausnahme ist. So besteht der Regierungsbeitrag gerade mal in einem " Ein-Prozent-for-Art-Program". Der Reichtum amerikanischer Museums- und Privatsammlungen hingegen - vom Museum of Modern Art in New York bis zur Barnes Collection - ist der Initiative wohlhabender Privatleute zu verdanken. Die Behörden haben durch eine überaus wohlwollende Steuerpolitik allerdings lange Zeit indirekte Hilfestellung geleistet.
So sind der Verbindung von wirtschaftlichen und kulturellen Interessen in den Vereinigten Staaten, inzwischen aber auch in Europa, viele eindrucksvolle Sammlungen, Ausstellungen und - nicht zuletzt - die Realisierung urbaner Projekte zu verdanken - im Idealfall sogar auf der Basis gemeinsamer Planung von Künstlern und Architekten wie bei der Gestaltung eines Bürohauses in Venice, Kalifornien, durch Frank Gehry und Claes Oldenburg mit Coosje von Bruggen.
Aus den unterschiedlichen kulturellen Interessen der Sponsoren - von der Gemäldesammlung über Graphik und Kunstgewerbe bis hin zur Architektur und Stadtplanung - ergibt sich eine bunte Palette, die in ihrer widersprüchlichen Vielfalt doch recht eindrucksvoll ist, einige Flops ausdrücklich eingeschlossen. Ein Beispiel dafür: die snobistische Pseudo-Kunstförderung eines Frankfurter Hotels, wo man für 220 Mark Aufpreis die Nacht in Gesellschaft eines aus Abfallmaterialien hergestellten Tapirs von Emanuel Wolff aus Düsseldorf verbringen darf.
Was man an Jacobsons lebendig geschriebenem Buch aufrichtig rühmen kann, ist seine entwaffnende Ehrlichkeit. Weder die Autorin noch die von ihr zitierten Unternehmer bestreiten den Vorrang wirtschaftlicher Überlegungen als Motiv ihrer wohlkalkulierten Kunstförderung. Nur die wenigsten sind, wie Thomas Bechtler von Hesta oder - in Grenzen - auch Donald Hess "Mäzene", denen es primär um Kunst und dann erst, wenn überhaupt, um den Nutzen geht, den sie aus ihren Aktivitäten ziehen.
So ergibt sich aus der Lektüre des Buches ganz automatisch die Bedeutung öffentlicher Kulturförderung ohne kommerzielle Interessen hierzulande. Auf Sponsoren kann und will niemand mehr verzichten. Aber ihr Beitrag darf nicht als eine Ausrede für den Verzicht auf die Kulturförderung von Ländern und Kommunen mißbraucht werden. Denn ohne ein Gleichgewicht der Kräfte muß der unabhängige Sachverstand auf der Strecke bleiben. Auch diese Lehre kann man aus Jacobsons Buch ziehen. KARL RUHRBERG
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Über Kulturförderung im heutigen Unternehmen
Marjory Jacobson: Kunst im Unternehmen. Campus Verlag, Frankfurt/New York 1995, 224 Seiten, 128 DM.
Seit den Tagen der Medici, die im "republikanischen" Florenz der Renaissance als Kaufleute und Bankiers nicht nur die Künste gefördert, sondern auch die Richtlinien der Politik diktiert haben, hat die Wirtschaft nie mehr eine solche Machtposition besessen wie an der Wende vom zweiten zum dritten Jahrtausend. So jedenfalls sieht es die amerikanische Kunstberaterin Marjory Jacobson in ihrem kenntnisreich geschriebenen und informativen Buch über "Kunst im Unternehmen". Sie leitet daraus, ganz pragmatisch, die Verpflichtung der Wirtschaft zur Kunstförderung ab: nicht aus Gründen der Wohltätigkeit, sondern durchaus im Sinne eines "aufgeklärten Eigeninteresses", das sich im Idealfall auch einmal mit Gemeinnützigkeit verbinden kann. Dieses Eigeninteresse betrifft nicht nur die Imagepflege und damit die "Erzeugung von Wohlwollen" (Jacobson), sondern vor allem auch die Verbesserung von Absatzchancen und die Erhöhung unternehmerischer Gewinne.
Die Sympathien der Autorin gehören eindeutig der zeitgenössischen Kunst, vor allem den avantgardistischen Strömungen. Deren innovative Tendenzen entsprechen für sie der Dynamik von Wirtschaftsprozessen und der ihnen zugrundeliegenden Wachstumsideologie. Bei solchen Überlegungen wird viel Fortschrittsoptimismus amerikanischer Provenienz ohne europäisch gebrochene Skepsis erkennbar. Das entspricht den Strukturen und dem historischen Hintergrund der öffentlichen und privaten Sammlungen in einem Land, in dem eine systematische öffentliche Kunst- und Kulturförderung die Ausnahme ist. So besteht der Regierungsbeitrag gerade mal in einem " Ein-Prozent-for-Art-Program". Der Reichtum amerikanischer Museums- und Privatsammlungen hingegen - vom Museum of Modern Art in New York bis zur Barnes Collection - ist der Initiative wohlhabender Privatleute zu verdanken. Die Behörden haben durch eine überaus wohlwollende Steuerpolitik allerdings lange Zeit indirekte Hilfestellung geleistet.
So sind der Verbindung von wirtschaftlichen und kulturellen Interessen in den Vereinigten Staaten, inzwischen aber auch in Europa, viele eindrucksvolle Sammlungen, Ausstellungen und - nicht zuletzt - die Realisierung urbaner Projekte zu verdanken - im Idealfall sogar auf der Basis gemeinsamer Planung von Künstlern und Architekten wie bei der Gestaltung eines Bürohauses in Venice, Kalifornien, durch Frank Gehry und Claes Oldenburg mit Coosje von Bruggen.
Aus den unterschiedlichen kulturellen Interessen der Sponsoren - von der Gemäldesammlung über Graphik und Kunstgewerbe bis hin zur Architektur und Stadtplanung - ergibt sich eine bunte Palette, die in ihrer widersprüchlichen Vielfalt doch recht eindrucksvoll ist, einige Flops ausdrücklich eingeschlossen. Ein Beispiel dafür: die snobistische Pseudo-Kunstförderung eines Frankfurter Hotels, wo man für 220 Mark Aufpreis die Nacht in Gesellschaft eines aus Abfallmaterialien hergestellten Tapirs von Emanuel Wolff aus Düsseldorf verbringen darf.
Was man an Jacobsons lebendig geschriebenem Buch aufrichtig rühmen kann, ist seine entwaffnende Ehrlichkeit. Weder die Autorin noch die von ihr zitierten Unternehmer bestreiten den Vorrang wirtschaftlicher Überlegungen als Motiv ihrer wohlkalkulierten Kunstförderung. Nur die wenigsten sind, wie Thomas Bechtler von Hesta oder - in Grenzen - auch Donald Hess "Mäzene", denen es primär um Kunst und dann erst, wenn überhaupt, um den Nutzen geht, den sie aus ihren Aktivitäten ziehen.
So ergibt sich aus der Lektüre des Buches ganz automatisch die Bedeutung öffentlicher Kulturförderung ohne kommerzielle Interessen hierzulande. Auf Sponsoren kann und will niemand mehr verzichten. Aber ihr Beitrag darf nicht als eine Ausrede für den Verzicht auf die Kulturförderung von Ländern und Kommunen mißbraucht werden. Denn ohne ein Gleichgewicht der Kräfte muß der unabhängige Sachverstand auf der Strecke bleiben. Auch diese Lehre kann man aus Jacobsons Buch ziehen. KARL RUHRBERG
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main