Von einer Dissidenz in die andere so lässt sich die politische Entwicklung des Philosophen und politischen Aktivisten G. M. Tamás beschreiben. War er vor 1989 Teil des demokratischen Samisdat, so vertritt er im heutigen Ungarn einen wiederbelebten und neu entdeckten Marxismus. Aus dieser seiner Geschichte speisen sich auch die Beiträge des Bandes, in denen er nicht nur die politische Entwicklung in Osteuropa nach der Wasserscheide von 1989 beschreibt, sondern auch die Entwicklung des Sozialismus in den letzten zwei Jahrhunderten und den Aufstieg des Nationalstaats in der Arbeiterbewegung und schließlichen Verfall in deren Ruinen. Dabei liefert er für das traditionelle westlich-marxistische Verständnis neue Ansätze und bereichert die Diskussion nicht nur im Hinblick auf die Geschichte des "real existierenden Sozialismus" und dessen Niedergang, sondern ebenso für das Selbstverständnis einer Linken weltweit, die sich in der Krise neu finden muss. Eingerahmt werden die Beiträge von zwei Interviews, in dem die ungewöhnliche politische Biografie von G. M. Tamás ebenso zur Sprache kommt wie sein scharfer analytischer Blick auf die Zustände im heutigen Ungarn.Gáspár Miklós Tamás, geboren 1948 in Rumänien, Studium der Philosophie. Berufsverbot, 1978 Emigration nach Ungarn, Lehrtätigkeit an der Universität Budapest, 1980 auch dort Berufsverbot. Seit 1986 Lehrtätigkeiten in Harvard, MIT, Collège de France. 1989 Rehabilitation und Rückkehr nach Ungarn. 1991 bis 2011 an der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Gründungsmitglied des SzDSz und Parlamentsabgeordneter, verlässt die Partei Ende der 1990er. Abkehr vom Liberalismus und Hinwendung zum Marxismus, seit 2010 Vorsitzender der Partei Grüne Linke.
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