Wagner selbst hat durch Verwendung nationaler Versatzstücke die Meistersinger auf den Weg als national-patriotisches Festspiel im Deutschen Kaiserreich und als Parteitagsoper im Dritten Reich gebracht. Dies hat das Werk bis heute beschädigt. Die Konzeption der Oper als Komödie und als Oper über Musik ist dabei weitgehend verloren gegangen.Wagners Kunst-Utopie bezieht sich in Wirklichkeit nicht auf Nürnberg, sondern auf die republikanische Bürgergesellschaft seines Züricher Exils. Doch auch eine Rückbesinnung auf das Künstlerdrama und seine republikanische Utopie löst die Widersprüchlichkeit der Meistersinger nicht auf. Sie bleiben eine Komödie im Zwielicht.Dr. Gunter Reiß war bis zum Eintritt in den Ruhestand Inhaber des Lehrstuhls für Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik und Leiter der Forschungsstelle Theater und Musik am Germanistischen Institut der Universität Münster.