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Erhard Eppler schildert die schwierigen Lehrjahre der Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland, die Entwicklung des Ost-West-Konflikts, den Wandel des politischen Bewußtseins in den letzten Jahren, seine eigene Stellung zwischen Brandt, Schmidt und Wehner und die Rolle des Politikers in einer sich gründlich veränderten Welt.

Produktbeschreibung
Erhard Eppler schildert die schwierigen Lehrjahre der Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland, die Entwicklung des Ost-West-Konflikts, den Wandel des politischen Bewußtseins in den letzten Jahren, seine eigene Stellung zwischen Brandt, Schmidt und Wehner und die Rolle des Politikers in einer sich gründlich veränderten Welt.
Autorenporträt
Dr. phil. Erhard Eppler wurde 1926 geboren. Er war Mitglied des Bundestages von 1961 bis 1976 und Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit von 1968 bis 1974. Zahlreiche Veröffentlichungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.07.1996

Macht, Ideen, Menschen
Erhard Eppler zieht seine politische Bilanz

Erhard Eppler: Komplettes Stückwerk. Erfahrungen aus fünfzig Jahren Politik. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 1996. 299 Seiten, 39,80 Mark.

Schon der Titel des Buches verheißt Ungewöhnliches. Welcher Politiker hat schon den Mut, seine "Erfahrungen aus fünfzig Jahren Politik" als "Komplettes Stückwerk" zu bezeichnen? Im ersten Augenblick mag mancher Leser sogar annehmen, hier gestehe ein maßlos Enttäuschter sein vollständiges Scheitern ein. Doch der Titel ist doppeldeutig. Das Wort komplett kann sowohl vollständig als auch abgeschlossen meinen. Hier soll "komplett" wohl eher als Schlußstrich unter ein halbes Jahrhundert aktiver Politik verstanden werden. Erhard Eppler zieht Bilanz und gibt zu, daß vieles von dem, was er vorhatte und anpackte, Stückwerk geblieben ist. Doch ist er deshalb gescheitert? Auch Stückwerk kann sich bisweilen sehenlassen. Das Wort enthält einerseits eine gehörige Portion Selbstkritik, der Eppler sich im Gegensatz zu vielen anderen Politikern (oder soll man sagen im Gegensatz zu den meisten) durchaus nicht schämt, und andererseits den gar nicht so bescheidenen, fast schon koketten Hinweis auf die eigene Leistung: Seht her, Leute, ganz vergeblich war mein Tun nicht; zwar habe ich nicht viel erreicht, aber einiges eben doch, auch wenn es nur Stückwerk geblieben ist.

Es lohnt sich, das Buch zu lesen. Eppler, man weiß es seit langem, ist nicht nur ein beachtlicher Redner, er kann auch gut schreiben. Nur ganz selten verfällt er in den üblichen Politiker-Jargon, den er vor einigen Jahren einmal in einem gleichfalls sehr lesenswerten kleinen Band unter die Lupe genommen und ironisch aufgespießt hatte. Dann ist auch bei ihm von "Umsetzung" die Rede (im Sinne von Verwirklichung), oder er benutzt die aus dem Englischen stammende Mode-Floskel, daß "etwas Sinn gemacht" habe, ein Entwurf "erstellt" worden sei, und viel zu oft wird auf etwas gedrängt, wo eigentlich das starke Verb "dringen auf" hätte verwendet werden müssen. Insgesamt aber steht Epplers Buch, was Form und Stil angeht, turmhoch über vielen anderen Politiker-Memoiren.

Erst recht hebt sich der Gehalt vorteilhaft vom Gewohnten ab. Eppler schwafelt nicht, er hat etwas zu sagen. Dem Leser wird es daher nie langweilig. Historikern und Politologen beschert Eppler überdies eine Menge neuer Einsichten und Informationen. Immerhin war er trotz eines lange schwelenden, aber erst 1974 ausbrechenden Zerwürfnisses mit dem damaligen Bundeskanzler Schmidt von 1973 bis 1989 Mitglied des SPD-Präsidiums (mit Ausnahme der Jahre 1982 bis 84) und hatte so Kenntnis von allen wichtigen Vorgängen in seiner Partei. Ihr war er im Januar 1956, von der Gesamtdeutschen Volkspartei Gustav Heinemanns kommend, beigetreten.

Wenn Eppler seinen Aufstieg vom baden-württembergischen Kommunalpolitiker zum Bundespolitiker und -minister schildert, so wird deutlich, von welchen Zufällen eine Politiker-Karriere gelegentlich abhängt. Auch physische und psychische Probleme können dabei eine Rolle spielen. Eppler gibt hier freimütig preis, daß ihm in bestimmten Streßsituationen immer wieder Migräneanfälle zu schaffen gemacht haben und daß es ihm deswegen und auch von seinem Naturell her nicht gegeben war, sich in kumpelhafter Manier Gruppenkameradschaften in verräucherten Wirtshausstuben beizugesellen und sie zu pflegen. Verständlich, daß eine so rustikale Gruppierung wie die Riege der "Kanalarbeiter" unter ihrem bulligen Vormann Egon Franke mit Eppler nicht warm werden konnte und Eppler nicht mit ihr.

Auch mit vielen anderen wichtigen Leuten in seiner Partei vermochte sich Eppler nicht anzufreunden und gibt sich die Hauptschuld dafür. Mehrfach lobt er die Partei dafür, daß sie einen so eigenwilligen Mann wie ihn gleichwohl bei sich behalten und ertragen habe. Jedenfalls ist wohl nie ernsthaft versucht worden, Eppler aus der SPD herauszudrängen, wenn er wieder einmal eine andere als die gerade vorherrschende Parteimeinung vertrat. Es gab aber auch immer eine stattliche Zahl von Eppler-Beschützern in der Partei. Einer der wichtigsten von ihnen war der SPD-Vorsitzende Willy Brandt. Eppler hat es zu schätzen gewußt und sich in seinem Buch bei seinem Protektor mit eindrucksvollen Passagen über den SPD-Vorsitzenden bedankt. Er ist dabei keineswegs unkritisch, aber immer respektvoll und niemals indiskret.

Auch sein Verhältnis zu Helmut Schmidt behandelt Eppler mit großer Behutsamkeit. Zwei lange Gespräche der beiden, von denen man jetzt erstmals erfährt, brachten keine Annäherung. Einzelheiten teilt Eppler leider nicht mit. Man erfährt nur, daß Schmidt die meisten Ansichten Epplers über wichtige politische Fragen stets kurzerhand für "Unsinn" erklärte. Bis heute hat sich der ehemalige Kanzler bei Eppler nicht entschuldigt für manche in unangemessenem Ton geäußerte öffentliche Zurechtweisung des ihm lästigen Politiker-Kollegen. Eppler geht darüber heute hinweg mit der Gelassenheit desjenigen, der darauf verweisen kann, daß die Wirklichkeit inzwischen viele seiner Ansichten und Überzeugungen bestätigt habe. Manchmal ist Eppler dabei freilich in der Gefahr, daß seine Selbstgewißheit in Selbstgerechtigkeit übergeht, so wenn er sich selbst immer wieder "Sachbesessenheit" bescheinigt. Lassen sich andere wirklich immer nur von persönlichen Eitelkeiten leiten?

Eppler hat sein Erinnerungsbuch nicht streng chronologisch aufgebaut. Er springt vielmehr hin und her bei der Behandlung einzelner Themenkomplexe. Jedes der zwölf Kapitel ist ein in sich geschlossenes Stück. Wer sich nur für den Entwicklungspolitiker Eppler interessiert, muß also nicht unbedingt lesen, was der baden-württembergische Landespolitiker oder der Deutschlandpolitiker Eppler zu erzählen hat, der Umweltpolitiker oder der Kirchenmann berichtet, der führende Kopf der SPD-Grundwerte-Kommission und des Grundsatzprogramms seiner Partei. Ihm würde jedoch viel entgehen, wenn er so verführe. Besonders die Kapitel 9, 10 und 12, die von der Ohnmacht der Mächtigen und von der Macht der Ohnmächtigen handeln und schließlich der Frage nachgehen "Ist alles, sind alle eitel?", haben es in sich.

Manche Sätze darin können sich die heute führenden SPD-Politiker, die Lafontaines, Scharpings und Schröders, hinter den Spiegel stecken. Doch da sie sowieso immer alles besser wissen, ist zu vermuten, daß sie sich gar nicht der Mühe unterziehen werden, Epplers Buch zu lesen. Dabei müßte ihnen die starke Resonanz, die dieses aus dem Normal-Rahmen fallende Politiker-Selbstporträt beim Publikum offensichtlich findet (zur Zeit wird bereits die dritte Auflage vorbereitet), eigentlich zu denken geben. Da hat anscheinend einer Gespür gehabt für das Bedürfnis bestimmter Schichten, dem auf die Spur zu kommen, "was sich", wie Eppler im Vorwort schreibt, "nicht immer zu Recht, Politik nennt, die wissen wollen, was in den Handelnden vorgeht, was sie antreibt, wie sie ihr Tun verstehen, wie sie mit Macht umgehen, mit Ideen, mit Menschen".

Gern würde man erfahren, wie sich der Kreis der Interessenten zusammensetzt. Möchte hier nur die wahrscheinlich gar nicht so kleine Schar der Eppler-Anhänger in der SPD noch einmal goldene Worte von den Lippen ihres Vordenkers ablesen? Oder sind auch ganz junge Leute unter den Lesern, für die Eppler doch längst zum alten Eisen gehört? Sagt der Name Eppler den Jungen überhaupt noch etwas? Vielleicht kann man vom Autor gelegentlich einmal erfahren, ob das Leser-Echo darauf Antwort gegeben hat. KLAUS NATORP

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