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Die Epoche hat gegensätzliche Signaturen - ein in Europa einzigartiger Friede, die Polarisierung der Konfessionen, ein verheerender Kriegszustand. Krisen in Wirtschaft und Gesellschaft begleiteten den Absturz in den Krieg - Agrarkrisen, Revolten, Hexenwahn. Gewinner waren die großen Territorien. Sie stiegen zu frühmodernen, konfessionell geprägten Kleinstaaten auf.

Produktbeschreibung
Die Epoche hat gegensätzliche Signaturen - ein in Europa einzigartiger Friede, die Polarisierung der Konfessionen, ein verheerender Kriegszustand. Krisen in Wirtschaft und Gesellschaft begleiteten den Absturz in den Krieg - Agrarkrisen, Revolten, Hexenwahn. Gewinner waren die großen Territorien. Sie stiegen zu frühmodernen, konfessionell geprägten Kleinstaaten auf.
Autorenporträt
Alfred Haverkamp, geboren 1937, Studium der Geschichte, Germanistik und Philosophie in Münster, Würzburg und München; 1964 Promotion in München; 1965/65 Archivreferendar, 1969 Habilitation. Seit 1970 ordentlicher Professor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Trier. 1988 Gastprofessor an der Hebrew University, Jerusalem, 1995 Stipendiat am Historischen Kolleg in München; Wolfgang Reinhard, geboren 1937, studierte Geschichte, Anglistik und Geographie in Freiburg und Heidelberg. Reinhard promovierte 1963 in Neuerer Geschichte in Freiburg, wo er sich 1973 auch habilitierte. 1977 ordentlicher Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit in Augsburg und seit 1990 ordentlicher Professor für Neuere Geschichte in Freiburg; Jürgen Kocka, geboren 1941, studierte Geschichte, Politikwissenschaft, Soziologie und Philosophie in Marburg, Wien, Berlin und Chapel Hill (North Carolina). Er promovierte 1968 bei Gerhard A. Ritter; Wissenschaftlicher Assistent in Münster und ADLS-Fellow in Harvard bis 1972; nach der Habilitation Professur an der Universität Bielefeld 1973 - 1988; als Gastprofessor bzw. Fellow u.a. in Princeton, Jerusalem, Stanford und Paris. Seit 1988 Professor für die Geschichte der industriellen Welt an der FU Berlin sowie seit 1991 ständiges Mitglied des Wissenschaftskollegs zu Berlin. Zahlreiche Auszeichnungen, u.a. Leibniz-Preis 1992. Präsident des »Comité des Sciences historiques«; Wolfgang Benz, geboren 1941, ist Professor für Antisemitismusforschung an der TU Berlin. Er hat zahlreiche Werke zur Geschichte des Dritten Reiches und der nationalsozialistischen Judenverfolgung vorgelegt, darunter »Die Juden in Deutschland«; »Der Holocaust«; »Enzyklopädie des Nationalsozialismus« (Hrsg. zusammen mit Hermann Graml und Hermann Weiß, 1997) und »Geschichte des Dritten Reiches« (München 2000).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.09.2001

Kein Ende der Geschichte
Ein Neubeginn: Der "Gebhardt" zeigt sich auf der Höhe der Zeit

Seit mehr als hundert Jahren gilt der "Gebhardt" als eine deutsche Institution. Bruno Gebhardt, Oberlehrer an der städtischen Realschule Berlin, veröffentlichte sein Handbuch der deutschen Geschichte in den Jahren 1891/92 als "eine vollständige, dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft entsprechende deutsche Geschichte". Das Handbuch etablierte sich schnell als Standardwerk. Als 1922/23 Aloys Meister die sechste Auflage herausgab, hatten führende Wissenschaftler Gebhardts ursprüngliche Mannschaft von Lehrern ersetzt. Trotz Bedenken, ob man nach der "deutschen Katastrophe" wieder "in die Enge bloßer Nationalgeschichte zurücklenken" sollte, wurde nach 1945 eine achte Auflage unter der Leitung von Herbert Grundmann vorbereitet. Die neuen Autoren verzichteten auf die nationalpolitische Linie ihrer Vorgänger. Einige neue Forschungsrichtungen wurden angedeutet, und in der neunten, leicht veränderten Auflage von 1970 bis 1976 erschien auch eine Auseinandersetzung mit der sich entwickelnden materialistischen Historiographie der DDR. Struktur und Form des Handbuchs blieben jedoch im Grunde unverändert.

In den seither vergangenen drei Jahrzehnten hat sich die Geschichtswissenschaft radikal verändert: Zunächst waren es die Theorien der modernen Politik- und Sozialwissenschaften und zuletzt die diversen postmodernen Theoriedekonstruktionen, die die Möglichkeit einer einheitlichen narrativen Nationalgeschichte überhaupt in Frage stellten. Dies ließ den alten "Gebhardt" altmodisch und anachronistisch erscheinen. Gleichzeitig hat die Wiedervereinigung neue Fragen zur deutschen Geschichte gestellt.

Der "Gebhardt" stellt sich diesen Herausforderungen nun mit einem völlig neuen Konzept. Statt bisher einen gibt es nun vier angesehene Herausgeber und anstatt vier Bände in Großoktav sind bis 2005 vierundzwanzig kleinere Teilbände vorgesehen. Jeder der Herausgeber ist für eine Großepoche zuständig (Spätantike bis zum Ende des Mittelalters, Frühe Neuzeit bis zum Ende des Alten Reiches, neunzehntes und schließlich zwanzigstes Jahrhundert). Ihr Ziel bleibt dasjenige des ersten "Gebhardts": eine vollständige, dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft entsprechende deutsche Geschichte. Für den Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts bedeutet dies den endgültigen Abschied vom deutschen Historismus mit seiner Betonung der Einmaligkeit geschichtlicher Phänomene und seinem "kongenialen Sicheinfühlen in historische Personen und Situationen", wie Mitherausgeber Wolfgang Reinhard formuliert. Während der alte "Gebhardt" auf die politische Geschichte fixiert war, werden jetzt Wirtschaft, Gesellschaft, Verfassung, Politik, Mentalität und Kultur in ihren Wechselwirkungen zusammenhängend analysiert. An den großen Strukturen und an der Möglichkeit einer verständlichen Darstellung mit nationalgeschichtlichem Zugriff wird aber, trotz aller postmodernen Kritik, weiterhin festgehalten. Geboten wird nun ein "Gebhardt" der historischen Sozialwissenschaft. Dabei handelt es sich, so Reinhard, um eine "zur Mikrohistorie geöffnete, makrohistorische Zusammenfassung". Gleichzeitig bedeutet die Neubearbeitung einen endgültigen Abschied von der alten Nationalgeschichte, indem er die deutsche Geschichte "in ihrer regionalen Vielfalt und in ihren europäischen Zusammenhängen" darstellen will.

Moderner Staat als Maß

Die vorliegenden ersten beiden Bände (von insgesamt vier) zur Frühen Neuzeit bieten einen guten Einblick in die Realisierung des neuen Konzepts. Zunächst fällt die ausführliche, theoretisch reflektierende Einleitung des Herausgebers auf, die "Probleme deutscher Geschichte 1495-1806" behandelt. Detailliert dokumentiert Wolfgang Reinhard den "Wissenschaftswandel" der vergangenen fünfzig Jahre und gibt Auskunft über Periodisierungsprobleme, Fragen von Raum und Identität, Strukturen und Prozesse. Letztere sind besonders wertvoll, denn sie beleuchten die Dialektik von Lokalmacht und Staatsgewalt, von Konfessionalisierung und Säkularisierung, von Ständeordnung und Modernisierung durch Sozialdisziplinierung, Differenzierung, Rationalisierung, Individualisierung, Domestizierung, die das Faszinierende der Frühen Neuzeit ausmachen. Wenn auch die Analyse der Begriffsbildungsfehden deutscher Historiker manchmal etwas ermüdend wirkt, gibt sie doch Auskünfte über den Stand der gegenwärtigen Forschung, für die mancher Leser dankbar sein wird.

Neu ist vor allem eine Periodisierung, die nicht mehr die Reformation als Beginn der Neuzeit darstellt, sondern die Reichsreform mit dem Reichstag von Worms 1495 als Wendepunkt zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit sieht. Gemäß den Forschungsbemühungen der letzten Jahrzehnte wird das Alte Reich von 1495 bis 1806 als eigenständige und eigenartige Struktur in der deutschen Geschichte behandelt. Doch obwohl Reinhard wiederholt vor der Anwendung anachronistischer Maßstäbe warnt, mißt er selbst alles am Maßstab der modernen Staatlichkeit. So betont er, daß im Reich trotz Reformversuchen "keine Nation generierende Staatsbildung" stattfand, und kommt sowohl im Überblick als auch im folgenden Abschnitt über "Reichsreform und Reformation 1495-1555" immer wieder auf die "modernisierenden" Tendenzen einer staatlichen Entwicklung in den Territorien zurück. Aus dem Reich selbst wurde demnach kein moderner Staat, sondern lediglich eine Ordnungsmacht.

Auf die Frage allerdings, ob nicht diese Ordnungsmacht doch gewissermaßen einen frühmodernen Staat darstellte, zumindest im Ansatz vergleichbar mit anderen zeitgenössischen Systemen, die ebenfalls keineswegs moderne Staaten waren, gibt Reinhard keine eindeutige Antwort. Das Zugeständnis, daß das Reich "ein gewisses Maß an Staatlichkeit" hatte, doch kein "regelrechtes föderatives System" war, scheint eher eine ausweichende Formel und wiederum am Maßstab des modernen Staats gemessen. Vom Alten Reich führte in der Tat keine direkte Linie zum Reich von 1871. Doch es stellte für seine Einwohner - und nicht nur für die Fürsten und andere reichsunmittelbare Mitglieder - eine Einheit dar, mit der man sich identifizieren konnte und nach deren Verlust 1806 eine deutliche Lücke klaffte.

Entscheidend für die besondere deutsche Entwicklung war nach Reinhard die Reformation. Einerseits hat sie den ständischen Widerstand gegen die Monarchie und den Machtgewinn der Stände religiös legitimiert. Andererseits hat sie das Wachstum der territorialen Staatsgewalt maßgeblich gefördert. Reinhard schildert auch die vielfältigen religiösen, sozialen und kulturellen Verflechtungen der evangelischen Bewegung. Zusammenfassend charakterisiert er die Reformation als Kulturrevolution mit manchmal allerdings unverhofften und durchaus konservativen Auswirkungen. Wichtig ist auch sein leider nicht weiter ausgeführter Hinweis, daß vieles davon auch im katholischen Bereich zu finden sei. Die Reformation war eben nicht Ursache von allem Neuen, wie die alte nationale Geschichtsschreibung meinte, sondern sie hat Entwicklungsprozesse beschleunigt, verzögert oder bloß begleitet, die auch ohne sie angelaufen sind.

Flugschriften zum Krieg

In dem von Maximilian Lanzinner und Gerhard Schormann verfaßten Band über die Zeit von 1555 bis 1648 werden die Akzente vielfach anders gesetzt: Dies mag manchen Leser verwirren, ist aber auch ein Beweis für die pluralistischen Tendenzen der heutigen deutschen Geschichtswissenschaft. Lanzinners Beitrag ist eine vorbildliche, ja meisterhafte Darstellung des konfessionellen Zeitalters. Anders als Reinhard, der seiner Chronologie eine Analyse von Wirtschaft, Gesellschaft und Verfassung vorausschickt, geht Lanzinner von der Ereignisgeschichte aus. Es gelingt ihm, diese lange von der Forschung als dunkle Phase vernachlässigte oder in ihrer Bedeutung unterschätzte Epoche als eine der spannendsten der deutschen Geschichte überhaupt darzustellen.

Einerseits erfuhr das Reichssystem nach 1555 eine Konsolidierung. Während drei Jahrzehnten wurden sämtliche internen Krisen erfolgreich bewältigt und auch die Auswirkungen der zunehmenden Konflikte außerhalb des Reichs ferngehalten. Andererseits erfuhr die deutsche Gesellschaft einen zunehmend krisenhaften Wandel. Bevölkerungswachstum, Preissteigerung, schlechte Agrarkonjunktur verursachten tiefgreifende Spannungen und Konflikt in Stadt und Land. Das beliebteste Mittel, die vermeintlich alte Ordnung zu verteidigen oder wiederherzustellen, war die Ausübung des mit dem Augsburger Religionsfrieden den Reichsständen zugebilligten Konfessionszwangs beziehungsweise die Konfessionalisierung der Gesellschaft. Unmittelbare Opfer waren die "Hexen" - Opfer allerdings, wie Lanzinner aufgrund neuester Forschungen berichtet, einer Zusammenarbeit von Regierenden und Regierten.

Andererseits verschärften die konfessionspolitischen "Krisenbewältigungsversuche" jedoch auch die konfessionellen Spannungen im Reich, die nun langsam in den Sog der außerdeutschen Konflikte gerieten. Während Ferdinand I. und Maximilian II. noch erfolgreich einen neutralen Kurs steuern konnten, gelang es Rudolf II. nicht mehr, die vermittelnde Rolle des Kaisers zu behaupten. Seine Nachfolger Matthias und Ferdinand II. wollten dies auch gar nicht, und ihre - besonders Ferdinands - Versuche, mindestens die eigenen Länder dem alten Glauben zurückzugewinnen, führten in den Dreißigjährigen Krieg.

Die Folgen schildert Gerhard Schormann in einem knappen, aber ebenfalls informationsreichen und abwägenden Kapitel, das die komplizierte Kriegsgeschichte und ihre Auswirkungen auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft darstellt. Allerdings geht bei seiner Sicht des Krieges als konfessioneller Konflikt im europäischen Rahmen die spezifisch deutsche Dimension etwas verloren. Die Flut von Flugschriften, die der Krieg hervorrief, oder die zahlreichen Stellungnahmen von zeitgenössischen Schriftstellern, die wie die Humanisten der Zeit um 1500 den Krieg als Anlaß zur Beschäftigung mit nationalen Fragen nahmen, werden beispielsweise nicht erwähnt.

Beide Bände setzen insgesamt hohe Maßstäbe und lassen gespannt auf die folgenden warten. Leider wird allein schon der Gesamtumfang von vierundzwanzig Bänden manchen potentiellen Leser vor dem Kauf zurückschrecken lassen. Doch als Bild von dem, was deutsche Geschichte am Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts ist, verspricht der neue Gebhardt, ganz im Sinne von Bruno Gebhardt selbst, für "Lehrende und Lernende" weiterhin unverzichtbar zu sein.

JOACHIM WHALEY

"Gebhardt". Handbuch der deutschen Geschichte. 10., völlig neu bearb. Auflage, 24 Bde. Hrsg. von Alfred Haverkamp, Wolfgang Reinhard, Jürgen Kocka und Wolfgang Benz. Bd. 9: Wolfgang Reinhard: "Probleme deutscher Geschichte 1495-1806 / Reichsreform und Reformation 1495-1555". Bd. 10: Maximilian Lanzinner: "Konfessionelles Zeitalter 1555-1618". Gerhard Schormann: "Dreißigjähriger Krieg 1618-1648". Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 2001. 414 u. 320 S., geb., je Band 78,- DM, zur Subskription je 68,50 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Hohe Ansprüche wurden an die Neubearbeitung des "Gebhardt"-Handbuchs der deutschen Geschichte gestellt - auch von den Herausgebern. Doch von einer Einlösung sind die beiden neuen Bände meilenweit entfernt, konstatiert Rezensent Bernd Roeck Die Herausforderung wurde einfach nicht angenommen, das Neue sei doch bloß eine Fortsetzung des Alten. Gerade mal die Farbe des Einbands hat sich verändert, aber wieder gibt's keine Abbildungen, keine Karten oder Tabellen und wieder wird "Gültiges verkündet", schimpft Roeck. Dabei ist der "reflektierte Einführungsessay" von Wolfgang Reinhard sogar ein äußerst unterhaltsames Appetithäppchen, - ein seltenes Lob in dieser Besprechung - aber danach kommt "Hausmannskost", setzt Roeck seinen Verriss fort. Zwar sei nichts verkehrt, aber die Akzentsetzung ist ihm ein Graus. Da fehlen die Frauen, ebenso die Kunst und Kultur der Renaissance, "Manierismus und Barock kommen sicherheitshalber nicht einmal als Begriffe vor" und so weiter und so fort. Uralte Debatten um den Dreißigjährigen Krieg werden neu aufgewärmt, während wichtige Fragen ausgespart bleiben, ärgert sich Roeck. Schade, schade.

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