Wirtschaft und Euro prägen das heutige Europa. Die christlich-abendländische Tradition und ihre Werte spielen längst keine prägende Rolle mehr. Ein geistiges Fundament fehlt. Es hat den Anschein, als definiere sich Europa einzig über materielle Güter und Wohlstand. Was wohl die Väter Europas wie De Gasperi, Schuman und Adenauer sagen würden?
Welchem inneren Kompass, welchen Visionen folgten Europas "Väter"? Wer und wie war Konrad Adenauer wirklich? War er der gläubige und fromme Katholik, für den ihn viele halten? Prägte sein Glauben seine Politik? In diesem Buch kommen vor allem Konrad Adenauer selbst und viele prominente Weggefährten zu Wort. Es zeigt sich, dass der "Alte" schon immer polarisiert hat. So verspottete ihn Heinrich Böll "als "Musterchristen of the western world", Willy Brandt hingegen würdigte ihn vor seinen "spottenden Zeitgenossen" als jenen, der "Werte bewahrt hat, die sich als unverbraucht erwiesen".
Seit vielen Jahren haben die Autoren leidenschaftlich und akribisch Konrad Adenauer und den christlichen Facetten seiner Persönlichkeit und Politik nachgespürt. Ihnen ist wahrlich ein rundum bereicherndes Buch gelungen.
Welchem inneren Kompass, welchen Visionen folgten Europas "Väter"? Wer und wie war Konrad Adenauer wirklich? War er der gläubige und fromme Katholik, für den ihn viele halten? Prägte sein Glauben seine Politik? In diesem Buch kommen vor allem Konrad Adenauer selbst und viele prominente Weggefährten zu Wort. Es zeigt sich, dass der "Alte" schon immer polarisiert hat. So verspottete ihn Heinrich Böll "als "Musterchristen of the western world", Willy Brandt hingegen würdigte ihn vor seinen "spottenden Zeitgenossen" als jenen, der "Werte bewahrt hat, die sich als unverbraucht erwiesen".
Seit vielen Jahren haben die Autoren leidenschaftlich und akribisch Konrad Adenauer und den christlichen Facetten seiner Persönlichkeit und Politik nachgespürt. Ihnen ist wahrlich ein rundum bereicherndes Buch gelungen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.04.2016Des Kanzlers Wertehimmel
Adenauer und Abendland
Willy Brandt würdigte den Gründungskanzler der Bundesrepublik einmal mit den Worten: "Der Uralte hatte Werte bewahrt, die sich als unverbrauchbar erwiesen." Das Autorenehepaar Koch ist der Ansicht, dass diese Werte auch heute noch Orientierung bieten könnten. In vier Kapiteln - "Christliches Abendland", "Der christliche Politiker", "Der katholische Christ" und "Weiterwirkendes Erbe" - behandelt es die religiöse und weltanschauliche Orientierung Konrad Adenauers. Er selbst hat keine geschlossene Darstellung der ihn leitenden Ideenwelt hinterlassen, so dass die Autoren sie aus Briefen, Reden, seinen Memoiren und aus der Adenauer-Literatur mit akribischem Fleiß rekonstruieren. Adenauer war praktizierender Katholik mit einer kritischen Distanz zu seiner Kirche. Sein weltanschauliches Fundament ist in seiner tiefen Religiosität zu finden. Sie ist der Wurzelgrund für zahllose Bekenntnisse zu Freiheit und Würde der "von Gott gesetzten Person", zum Wert des Einzelnen und zu einer sittlichen Weltordnung.
Nach eigener Aussage beruhte seine Prägung auf "den beiden Komponenten der abendländischen Kultur, dem Christentum und dem Humanismus der griechisch-römischen Antike". Die Verbindung von Christentum und Humanität im Begriff "christliches Abendland" wurde nach 1945 Leitmotiv seiner Politik jenseits der nationalstaatlichen Orientierung; hier fand er Gleichgesinnte in Alcide De Gasperi und Robert Schuman, die mit ihm zu den Gründungsvätern der europäischen Integration zählen. Adenauers naturrechtlich-christliche Handlungsmaximen und sein dezidierter Antimaterialismus und Antikommunismus waren ihm Richtschnur und Kompass für seine innenpolitischen Ordnungsvorstellungen wie auch für seine außenpolitische Orientierung mit der Einbettung der Bundesrepublik in eine westliche Sicherheitsallianz und ein antikollektivistisches Europa. Damit erlangte er Vertrauen in der Welt und im eigenen Land. Und Vertrauen, so führte er 1963 beim Ausscheiden aus dem Kanzleramt aus, "erwächst vor allem aus der ethischen Basis des politischen Handelnden". Dabei vermied er es, "zu viel von Christentum in politischen Dingen zu sprechen". So ist das Bild vom "immer und am hohen Wertehimmel orientierten Adenauer ein schönes Märchen", wenn auch an diesem Bild des "einer ethischen Wertetafel" verpflichteten Adenauers vieles richtig sei (so Hans-Peter Schwarz). Den beiden Autoren geht es um Adenauers religiösen Kern. Wer den Politiker Adenauer aber angemessen würdigen will, sollte unbedingt die Verbindung von Grundsätzen und politischem Pragmatismus, von Wertorientierung und Realitätssinn mit in den Blick nehmen.
GÜNTER BUCHSTAB
Dorothea und Wolfgang Koch: Konrad Adenauer. Der Katholik und sein Europa. fe-Medienverlag, Kißlegg 2015. 296 S., 10,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Adenauer und Abendland
Willy Brandt würdigte den Gründungskanzler der Bundesrepublik einmal mit den Worten: "Der Uralte hatte Werte bewahrt, die sich als unverbrauchbar erwiesen." Das Autorenehepaar Koch ist der Ansicht, dass diese Werte auch heute noch Orientierung bieten könnten. In vier Kapiteln - "Christliches Abendland", "Der christliche Politiker", "Der katholische Christ" und "Weiterwirkendes Erbe" - behandelt es die religiöse und weltanschauliche Orientierung Konrad Adenauers. Er selbst hat keine geschlossene Darstellung der ihn leitenden Ideenwelt hinterlassen, so dass die Autoren sie aus Briefen, Reden, seinen Memoiren und aus der Adenauer-Literatur mit akribischem Fleiß rekonstruieren. Adenauer war praktizierender Katholik mit einer kritischen Distanz zu seiner Kirche. Sein weltanschauliches Fundament ist in seiner tiefen Religiosität zu finden. Sie ist der Wurzelgrund für zahllose Bekenntnisse zu Freiheit und Würde der "von Gott gesetzten Person", zum Wert des Einzelnen und zu einer sittlichen Weltordnung.
Nach eigener Aussage beruhte seine Prägung auf "den beiden Komponenten der abendländischen Kultur, dem Christentum und dem Humanismus der griechisch-römischen Antike". Die Verbindung von Christentum und Humanität im Begriff "christliches Abendland" wurde nach 1945 Leitmotiv seiner Politik jenseits der nationalstaatlichen Orientierung; hier fand er Gleichgesinnte in Alcide De Gasperi und Robert Schuman, die mit ihm zu den Gründungsvätern der europäischen Integration zählen. Adenauers naturrechtlich-christliche Handlungsmaximen und sein dezidierter Antimaterialismus und Antikommunismus waren ihm Richtschnur und Kompass für seine innenpolitischen Ordnungsvorstellungen wie auch für seine außenpolitische Orientierung mit der Einbettung der Bundesrepublik in eine westliche Sicherheitsallianz und ein antikollektivistisches Europa. Damit erlangte er Vertrauen in der Welt und im eigenen Land. Und Vertrauen, so führte er 1963 beim Ausscheiden aus dem Kanzleramt aus, "erwächst vor allem aus der ethischen Basis des politischen Handelnden". Dabei vermied er es, "zu viel von Christentum in politischen Dingen zu sprechen". So ist das Bild vom "immer und am hohen Wertehimmel orientierten Adenauer ein schönes Märchen", wenn auch an diesem Bild des "einer ethischen Wertetafel" verpflichteten Adenauers vieles richtig sei (so Hans-Peter Schwarz). Den beiden Autoren geht es um Adenauers religiösen Kern. Wer den Politiker Adenauer aber angemessen würdigen will, sollte unbedingt die Verbindung von Grundsätzen und politischem Pragmatismus, von Wertorientierung und Realitätssinn mit in den Blick nehmen.
GÜNTER BUCHSTAB
Dorothea und Wolfgang Koch: Konrad Adenauer. Der Katholik und sein Europa. fe-Medienverlag, Kißlegg 2015. 296 S., 10,- [Euro].
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