Diese Biografie ist bereits 2003 im Zsolnay-Verlag erschienen und wurde von Benedikt Föger und Klaus Taschwer sorgfältig überarbeitet. Neue Erkenntnisse über Konrad Lorenz (1903-1989), den Sportler, Mediziner, Wissenschaftler, „Vater der Graugänse“ und Namensgeber für das Volksbegehren zum
Naturschutz in Österreich wurden geprüft und eingearbeitet.
Dennoch taugt der vielschichtige Mann nicht…mehrDiese Biografie ist bereits 2003 im Zsolnay-Verlag erschienen und wurde von Benedikt Föger und Klaus Taschwer sorgfältig überarbeitet. Neue Erkenntnisse über Konrad Lorenz (1903-1989), den Sportler, Mediziner, Wissenschaftler, „Vater der Graugänse“ und Namensgeber für das Volksbegehren zum Naturschutz in Österreich wurden geprüft und eingearbeitet.
Dennoch taugt der vielschichtige Mann nicht zum Helden. Warum nicht?
Wie man in den Kapiteln „Begründer einer neuen Disziplin“ bis hin zu „Eine kurze Heimkehr“, die die Jahre zwischen 1933 und 1948 umfassen, lesen kann, biedert sich Konrad Lorenz zunächst den Machthabern im österreichischen Ständestaat an und tritt nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland begeistert der NSDAP bei. Anders als im katholischen Ständestaat werden seine Theorien über die Evolution nun gewürdigt. Er verlegt seine Forschungen nach Deutschland und wird Mitarbeiter des „Rassenkundlichen Amtes der NSDAP“. 1941 rückt mit einer fast kindlichen Kriegsbegeisterung als einfacher Soldat in die Wehrmacht ein. Man hat ihm zwar einen Posten weit hinter der Front als Arzt angeboten, aber er will eingedenk seiner kurzen Karriere als Motorradrennfahrer in seiner Jugend als Kurier dienen. Später wird er in einer militärpsychologischen Ambulanz Soldaten untersuchen, zahlreiche für gesund erachten und jene die es nicht sind, aussortieren. Ihr weiteres Schicksal interessiert ihn nicht. Wer den Umgang der Nazis mit (psychisch) Kranken kennt, wird unschwer erraten, was daraufhin folgt. Details hierzu sind noch (?) nicht bekannt. Konrad Lorenz denkt darüber nach, eine Praxis als Psychiater zu eröffnen. Konrad Lorenz wird 1944 von den Russen gefangengenommen und kehrt erst 1948 nach Österreich zurück.
In seiner Autobiografie, aus der Föger und Taschwer zitieren, schreibt er wenig über diese Jahre und das was er zu Papier bringt, klingt wie ein Abenteuerroman. Kann er die Gräuel des Krieges verdrängt haben? Ist er nach wie vor von der Richtigkeit des Regimes überzeugt? Wieviel hat er gewusst? Hat er, wie er launig erzählt wirklich nur einen einzige Schuss abgegeben? Kaum vorstellbar, vor allem, wenn er an anderer Stelle berichtet, der einzige gewesen sein soll, der mit dem schweren MG umzugehen wusste.
Seine Schlussfolgerung, krankes Erbmaterial müsse zur Erhaltung einer lebenstüchtigen Zivilisation ausgesondert werden, der er bis zu seinem Tod anhängt, lässt sein biologisch determinierten Gesellschaftsverständnis deutlich erkennen. So rückt er von seinen 1943 veröffentlichten Thesen noch in den späten 1960er-Jahren nicht ab.
1973 wurde ihm zusammen mit Karl von Frisch und Nikolaas Tinbergen der „Nobelpreis für Physiologie oder Medizin“ für Entdeckungen zur Organisation und Auslösung von individuellen und sozialen Verhaltensmustern verliehen.
Über die Hintergründe zur Verleihung des Nobelpreises, die trotz Lorenz‘ fragwürdiger Vergangenheit erfolgt ist, können die Autoren nicht viel schreiben, da die Unterlagen erst 50 Jahre nach der Verleihung also im Jahre 2024 veröffentlicht werden. Zur Drucklegung dieser Biografie (Ende 2023) liegen diese Dokumente also noch nicht vor.
Selbstverständlich kommt in dieser sehr ausführliche Biografie, die mit zahlreichen Zitaten aus Lorenz‘ Schriften und Briefen sowie zahlreichen Abbildungen gespickt ist, auch sein Engagement für den Umweltschutz zu Sprache. Seine Stellungnahme zur Kernkraft führt dazu, dass das fertig gestellte Kernkraftwerk im niederösterreichischen Ort Zwentendorf nach einer Volksabstimmung 1978 nie in Betrieb geht. Ab 1985 ist er Namensgeber des Konrad-Lorenz-Volksbegehrens gegen den Bau eines Wasserkraftwerks im Landschaftsschutzgebiet der Hainburger Au.
Ob sein Engagement zum Umweltschutz und die Verhinderung der beiden Kraftwerke seine Geisteshaltung „krankes Erbmaterial müsse zur Erhaltung einer lebenstüchtigen Zivilisation ausgesondert werden“ aufwiegt?
Das Autoren-Duo hat auch den Ehemann und Vater Konrad Lorenz beleuchtet. Mit seiner Frau Margarethe, einer Ärztin, die die Familie in jener Zeit als Lorenz keiner bezahlten Beschäftigung nachgegangen ist, erhalten hat, ist er von 1927 bis zu ihrem Tod 1986 verheiratet. Das Paar hat drei Kinder.
Fazit:
Diese sehr ausführliche und überarbeitete Biografie habe ich sehr gerne gelesen. Sie hat mich darin bestärkt, die Abneigung, die ich seit meine Jugend Konrad Lorenz gegenüber hege, nicht aufzugeben. Gerne vergebe ich hier 5 Sterne.