Die Frau Bartolotti, eine Frau in den besten Jahren, die keinerlei Erfahrung mit Kindern hat, bekommt eines Tages auf ungewöhnlichem Weg - nämlich per Postpaket! - einen Sohn: Konrad, das Kind aus der Konservenbüchse, sieben Jahre alt. In welche aufregenden, lustigen, aber auch unangenehmen Situationen die Frau Bartolotti durch Konrads Anwesenheit gerät und wie sie ihn verteidigt, als sich herausstellt, daß er eine Fehllieferung war, wird hier mit viel Schwung und Humor erzählt.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.09.2005 Band 4
Lust an der Anarchie
Christine Nöstlinger: „Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse”
Konrad kommt per Post als Paket ins Haus. Frau Berti Bartolotti hat ihn nicht bestellt. Aber da sie etwas schusselig ist und gern Bestellcoupons ausfüllt und einfach abschickt und oft auch nicht mehr weiß, was sie alles bestellt hat, behält sie Konrad, was aber gar nicht so einfach ist. Denn Konrad befindet sich als verschrumpeltes Halbfertigprodukt in einer Konservendose und muss erst einmal mittels der beigelegten Nährlösung auf Vordermann gebracht werden. Das glückt überraschend einfach. Nun ist Konrad ganz. Ein perfektes Kind. In der Fabrik, wo er herkommt, hat man ihn als Musterknaben gebaut, zum perfekten Traumkind einer Spießerfamilie programmiert. So was feines Kleines, superbrav und megahöflich, hätten viele Eltern gern. Nicht aber Frau Berti Bartolotti. Wie aus dem stinklangweiligen Superkind ein ganz normaler, frecher Junge wird, der am Ende auch noch trickreich vor seiner plötzlich auftauchenden echten Bestellfamilie gerettet werden muss, das wird in diesem ebenso lustigen wie spannenden Buch der österreichischen Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger erzählt.
Ein Kinderbuch? Natürlich. Aber nicht nur. Die Kids, die es lesen, werden sich diebisch freuen über Konrads Verwandlung in eine unberechenbare Alltagsgestalt, die sie nur zu gut kennen. Er ist dann wie sie, wie sie wären, wenn sie dürften, wenn sie nämlich so leicht chaotische, so schusselig-nette Eltern hätten wie sie in dem wenig perfekten Exemplar Berti Bartolotti vorgestellt werden. Zu ihrem Freund Egon, dem Apotheker, der sich als Vater des perfekten kleinen Konrad aufspielen möchte, sagt Frau Bartolotti erbost: „Dauernd wollen die Erwachsenen die Kinder anschmieren. Dauernd zeigen sie ihnen: Schaut nur her, wie mächtig und wie gescheit, wie klug und wie gut wir sind.” Und das geht der Berti Barolotti eben über die Hutschnur.
Bei allem Vergnügen also, das junge Leser an dieser glänzend erzählten Geschichte haben werden, ist es doch auch ein höchst lehrreiches Werk für die Erwachsenen, die Eltern, die es gekauft haben. Auch sie sollten es lesen. Sie werden sich amüsieren, manchmal schlucken, vielleicht seufzen, endlich aber könnten sie erkennen, dass Berti Bartolotti, diese Mutter wider Willen, so schusselig-vernünftig ist, wie sie, die lesenden Eltern, es einmal sein wollten. „Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse”, 1975 erschienen, ist im besten Sinne ein Buch für wirklich die ganze Familie.
Christine Nöstlinger, 1936 in Wien geboren, wo sie immer noch lebt, hat so ziemlich alles abgeräumt, was es an Jugendliteraturpreisen zu gewinnen gibt. Auch der „Konrad” ist auf der Auswahlliste des Deutschen Jugendliteraturpreises gelandet, und das ist fast schon so gut wie der Preis selbst. Durch alle Bücher Christine Nöstlingers zieht sich ein leiser, doch unüberhörbarer Gesang von der Lust an Anarchie, an kindlichem Selbstbewusstsein, an frecher, durchsetzungsfähiger Selbstbestimmung. Darin steckt Aufklärung über den ganz gewöhnlichen Alltag, darüber wie er ist, wie er sein könnte, wie er sein soll. Nöstlingers Geschichten sind Befreiungstaten. Deshalb tun sie so gut. KLAUS PODAK
Eine Büchse mit lebendigem Inhalt
Illustration: Frantz Wittkamp
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Lust an der Anarchie
Christine Nöstlinger: „Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse”
Konrad kommt per Post als Paket ins Haus. Frau Berti Bartolotti hat ihn nicht bestellt. Aber da sie etwas schusselig ist und gern Bestellcoupons ausfüllt und einfach abschickt und oft auch nicht mehr weiß, was sie alles bestellt hat, behält sie Konrad, was aber gar nicht so einfach ist. Denn Konrad befindet sich als verschrumpeltes Halbfertigprodukt in einer Konservendose und muss erst einmal mittels der beigelegten Nährlösung auf Vordermann gebracht werden. Das glückt überraschend einfach. Nun ist Konrad ganz. Ein perfektes Kind. In der Fabrik, wo er herkommt, hat man ihn als Musterknaben gebaut, zum perfekten Traumkind einer Spießerfamilie programmiert. So was feines Kleines, superbrav und megahöflich, hätten viele Eltern gern. Nicht aber Frau Berti Bartolotti. Wie aus dem stinklangweiligen Superkind ein ganz normaler, frecher Junge wird, der am Ende auch noch trickreich vor seiner plötzlich auftauchenden echten Bestellfamilie gerettet werden muss, das wird in diesem ebenso lustigen wie spannenden Buch der österreichischen Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger erzählt.
Ein Kinderbuch? Natürlich. Aber nicht nur. Die Kids, die es lesen, werden sich diebisch freuen über Konrads Verwandlung in eine unberechenbare Alltagsgestalt, die sie nur zu gut kennen. Er ist dann wie sie, wie sie wären, wenn sie dürften, wenn sie nämlich so leicht chaotische, so schusselig-nette Eltern hätten wie sie in dem wenig perfekten Exemplar Berti Bartolotti vorgestellt werden. Zu ihrem Freund Egon, dem Apotheker, der sich als Vater des perfekten kleinen Konrad aufspielen möchte, sagt Frau Bartolotti erbost: „Dauernd wollen die Erwachsenen die Kinder anschmieren. Dauernd zeigen sie ihnen: Schaut nur her, wie mächtig und wie gescheit, wie klug und wie gut wir sind.” Und das geht der Berti Barolotti eben über die Hutschnur.
Bei allem Vergnügen also, das junge Leser an dieser glänzend erzählten Geschichte haben werden, ist es doch auch ein höchst lehrreiches Werk für die Erwachsenen, die Eltern, die es gekauft haben. Auch sie sollten es lesen. Sie werden sich amüsieren, manchmal schlucken, vielleicht seufzen, endlich aber könnten sie erkennen, dass Berti Bartolotti, diese Mutter wider Willen, so schusselig-vernünftig ist, wie sie, die lesenden Eltern, es einmal sein wollten. „Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse”, 1975 erschienen, ist im besten Sinne ein Buch für wirklich die ganze Familie.
Christine Nöstlinger, 1936 in Wien geboren, wo sie immer noch lebt, hat so ziemlich alles abgeräumt, was es an Jugendliteraturpreisen zu gewinnen gibt. Auch der „Konrad” ist auf der Auswahlliste des Deutschen Jugendliteraturpreises gelandet, und das ist fast schon so gut wie der Preis selbst. Durch alle Bücher Christine Nöstlingers zieht sich ein leiser, doch unüberhörbarer Gesang von der Lust an Anarchie, an kindlichem Selbstbewusstsein, an frecher, durchsetzungsfähiger Selbstbestimmung. Darin steckt Aufklärung über den ganz gewöhnlichen Alltag, darüber wie er ist, wie er sein könnte, wie er sein soll. Nöstlingers Geschichten sind Befreiungstaten. Deshalb tun sie so gut. KLAUS PODAK
Eine Büchse mit lebendigem Inhalt
Illustration: Frantz Wittkamp
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