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Irischer Roman
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.06.1999

Sandbank
Peter Cunningham erzählt zwei Regalmeter Leben Von Matthias Bischoff

"Komisch, daß ein Leben auf zwei Metern Regal Platz hat", sagt der alte Chud, nachdem er, auf zwölf Aktenordner verteilt, seine Lebensgeschichte niedergeschrieben hatte. Geboren in den zwanziger Jahren als Resultat einer flüchtigen Begegnung seiner Mutter mit einem italienischen Seemann, wächst Chud in der Obhut seiner Großmutter auf, einer einflußreichen Geschäftsfrau in einem Städtchen an der irischen Südküste. Mit seinem Freund Jack, dem englischstämmigen Erben eines großen Landguts, wirbt er um Rosa, die Tochter eines dubiosen Buchmachers. Da sich das junge Mädchen für keinen der beiden Bewerber entscheiden mag, entsteht zwischen den dreien eine ungewöhnliche Beziehung.

Die regelmäßigen Treffen der drei Liebenden an einem Fluß nehmen ein schlimmes Ende. Ein Voyeur, der sie beobachtete, bezahlt sein Wissen mit dem Leben. Chud, der die Tat auf sich nimmt, wird in einem Heim untergebracht, und Jack geht zur Armee. "Ich glaube, ich habe dich schon geliebt, bevor ich geboren wurde", sagt Chud später zu Rosa - kein Wunder, daß eine solche Liebe den Zeitläuften widersteht. Nach dem Zweiten Weltkrieg, der Chud und Jack in derselben Truppe zusammenführt, heiraten Jack und Rosa. Obwohl auch Chud heiratet, flackert - von Jack geduldet - die Leidenschaft zwischen ihm und Rosa wieder auf: "Ich glaube, Rosas Gefühlslage war insofern das Spiegelbild meiner eigenen, als ihr Interesse an mir in Jacks Abwesenheit nicht größer war als meines an ihr. Wäre Jack etwa gestorben, glaube ich nicht, daß wir geheiratet hätten. Damit meine ich nicht, daß sie mich nur als Liebhaber gewollt hat; nein, was ich sage, ist, daß Rosa mich nie liebte, ohne dabei an Jack zu denken."

Beruflich ohne Ehrgeiz und Fortune, ist Chud auf die Großzügigkeit seiner beiden Freunde angewiesen, und so verbringen die drei ihren Lebensabend unter einem Dach. Chuds Resümee ist also verständlich: "Wenn man mich fragte, ob ich während jener Jahre irgendwas richtig gemacht hätte, müßte ich aufrichtig antworten: ich liebte eine Frau."

Als Peter Cunningham, der sich vor allem als Thriller-Autor einen Namen gemacht hatte, vor zwei Jahren seinen Roman "Die Stimme aus dem Delta" veröffentlichte, lobte die Kritik sein Gespür für Tonlagen, Stimmungen und eine differenzierte Figurenzeichnung. Dieselben Vorzüge weisen die "Konsequenzen des Herzens" auf. Auch bietet der Roman alles, was man sich von einem süffigen Liebes-, Familien- und Gesellschaftsepos wünschen kann: eine bewegende Liebesgeschichte, originelle Figuren, zwei Morde, und das alles vor dem Hintergrund der irischen Geschichte dieses Jahrhunderts, deren Grundkonflikt - die Spannungen zwischen den Iren und ihren ehemaligen englischen Herren - ins Bild gerückt wird.

Doch hinterläßt der Roman einen schalen Nachgeschmack. Allzu eindeutig ist als Vorlage für die Dreiecksgeschichte Truffauts "Jules und Jim" auszumachen, und die zahlreichen Parallelen zur "Stimme aus dem Delta" legen die Vermutung nahe, der Autor habe sich des erfolgreichen Erzählmusters bedient, um eine ähnliche Geschichte mit kleinen Variationen ein weiteres Mal zu erzählen. Auch teilt sich dem Leser von den Leidenschaften und Verwirrungen des Herzens wenig mit. Chuds Altersgelassenheit diktiert die immer gleiche Tonlage, die vorgeblich hitzige Amour fou bleibt wohltemperiert, alles zieht als irischer Bilderbogen gemächlich am Leser vorüber.

Der Geschichte dieser ein dreiviertel Jahrhundert umspannenden Menage à trois geht, auf episches Breitformat gebracht, zwangsläufig die Puste aus. So muß Cunningham ständig neue Binnengeschichten, Familienkräche und Intrigen einbauen, um Spannung zu erzeugen: Ein Kriegsveteran erpreßt Jack, weil er den später mit Tapferkeitsmedaillen ausgezeichneten Helden der Invasion in einem schwachen Moment erlebt hat. Prompt sucht Chud den bedauernswerten Krüppel auf und bringt ihn für immer zum Schweigen. Das Lob Rosas ist ihm sicher: "Es war das Wunderbarste, was je einer für seinen Freund getan hat."

Immerhin sorgt Cunninghams solides angelsächsisches Erzählhandwerk für kleine Inseln im routiniert dahinfließenden Erzählstrom, etwa die Schilderung des Jugendparadieses am Fluß, in der man das grüne Flirren der Luft und den Zauber der erwachenden Leidenschaften förmlich greifen kann, aber auch die Ereignisse am Tag der Invasion in der Normandie. Solche dichten Passagen lassen ahnen, was aus diesem Buch ohne die erdrückende Belastung, eine bewegende Liebesgeschichte mit dem großen irischen Panorama zu verbinden, hätte werden können. Womöglich hätte sich ein minder ambitionierter Erzähler mit der konsequenten Gestaltung eines Ausschnitts dieser Liebesgeschichte begnügt und damit am Ende mehr gewonnen.

Peter Cunningham: "Konsequenzen des Herzens". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Martin Richter. Berlin Verlag, Berlin 1999. 464 S., geb., 48,- DM.

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