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Konstantin der Grosse
Der erste christliche Kaiser
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Der erste christliche KaiserDiese moderne Biographie Konstantin des Großen befreit den ersten christlichen Kaiser aus dem Rankenwerk einer stets von fremden Interessen geleiteten Überlieferung. Sie zeigt ihn als Herrscher, der zwar von einer Vision inspiriert war, aber immer ein kühler Taktiker blieb - nicht zuletzt in Fragen der Religionspolitik. Wer sich ihm bei der Verwirklichung seines Ziels, die Alleinherrschaft zu erringen, in den Weg stellte oder wer ihn gar in seiner Macht bedrohte, lernte seine unerbittliche Härte kennen - und dies galt auch für seinen engsten Familienkreis.Vor 1...
Der erste christliche Kaiser
Diese moderne Biographie Konstantin des Großen befreit den ersten christlichen Kaiser aus dem Rankenwerk einer stets von fremden Interessen geleiteten Überlieferung. Sie zeigt ihn als Herrscher, der zwar von einer Vision inspiriert war, aber immer ein kühler Taktiker blieb - nicht zuletzt in Fragen der Religionspolitik. Wer sich ihm bei der Verwirklichung seines Ziels, die Alleinherrschaft zu erringen, in den Weg stellte oder wer ihn gar in seiner Macht bedrohte, lernte seine unerbittliche Härte kennen - und dies galt auch für seinen engsten Familienkreis.
Vor 1700 Jahren - am 25. Juli 306 n. Chr. - wird Konstantin, der Sohn des gerade verstorbenen römischen Kaisers Constantius Chlorus und einer Stallmagd, von den Truppen im englischen York zum neuen Kaiser ausgerufen. Bei diesem Vorgang handelt es sich um einen veritablen Staatsstreich: Die fein austarierte politische Ordnung des römischen Imperiums bricht zusammen, und die folgenden Jahre sind durch blutige Kämpfe zwischen verschiedenen Thronprätendenten gekennzeichnet. Hätte Konstantin ebenso wie all die anderen im Verlauf dieser Kriege sein Leben gelassen, so wäre er eine der vielen Randfiguren der römischen Kaisergeschichte geblieben. Aber er siegte und führte seinen Erfolg auf einen neuen Gott zurück, den er mit dem Gott der Christen identifizierte. Hartwin Brandt erzählt in seiner differenzierten Biographie die Geschichte einer erstaunlichen Karriere. Er zeigt anhand zahlreicher antiker Zitate, die dieses Buch besonders lebendig machen, daß der neue Kaiser seines göttlichen Auftrags um so sicherer wird, je größer seine Erfolge werden und je länger seine Regierung währt. Diese religiöse Orientierung Konstantins wirkt zunächst einmal prägend auf das Römische Reich - doch nimmt mit der Durchsetzung der christlichen Religion unter seiner Herrschaft eine welthistorisch wirkungsmächtige Entwicklung ihren Anfang.
Rezension:
Brandt, Hartwin: Konstantin der Große. Der erste christliche Kaiser.
Eine Biographie. München: C.H. Beck Verlag 2006. ISBN 3-406-54058-9; 208 S.; EUR 19,90.
Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Ulrich Lambrecht, Institut für Geschichte, Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz
E-Mail:
Vor 1700 Jahren, am 25. Juli 306, ist Konstantin in York nach dem Tode seines Vaters Constantius Chlorus von den Truppen zum Augustus ausgerufen worden. Dieses Ereignis hat Hartwin Brandt zum Anlass genommen, in einer kurzgefassten Biographie Leben und Leistung des ersten christlichen Kaisers darzustellen, und zwar mit dem Anspruch, die durch die Wirkungsgeschichte Konstantins bedingte legendenhafte Überformung vor allem infolge der Bemühungen christlicher Schriftsteller, aber auch der Lenkung des Kaisers selbst keinen Einfluss auf die Ausführungen nehmen zu lassen. An knappen Biographien dieser Art zu Konstantin mangelt es in jüngerer Zeit eigentlich nicht,[1] und so stellt sich die Frage, was an der neuen Darstellung das Besondere ist.
Gedanken zur Problematik, das Leben Konstantins nachzuzeichnen, bilden den Auftakt: Die Überlieferung zum ersten christlichen Kaiser ist schon in der Spätantike hagiographisch überformt worden, so dass die Beurteilung der "Konstantinischen Wende" bis heute ein vieldiskutiertes, strittiges Forschungsthema ist. Allgemeine Gedanken zu den mit einer biographischen Darstellung verbundenen Schwierigkeiten entlehnt Brandt grundsätzlichen Erwägungen Christian Meiers im Zusammenhang mit der Caesar-Biographie;[2] analog zu dessen Deutungsansatz für Caesars Leben mit Hilfe der "Krise ohne Alternative" formuliert Brandt als theoretisches Fundament für die Konstantin-Vita "die Omnipräsenz des Religiösen, die das Leben und Wirken Konstantins erst recht verstehbar werden läßt" (S. 17), und ordnet es in den Zeitgeist des 3. und 4.
Jahrhunderts n.Chr. ein. Damit verfolgt Brandt das Ziel, die "Konstantinische Wende" solle nicht so sehr "als plötzliches, nahezu unbegreifliches Bekehrungswunder, sondern vielmehr als erklärbarer und aus den zeitbedingten religiösen Haltungen verstehbarer Vorgang erscheinen" (S. 22). Erschwert wird dieses Bemühen durch offizielle und offiziöse Quellen, die auf Wirkung im Sinne der Absichten Konstantins bedacht sind, oder solche, die erst nach Konstantins Tod positiv oder negativ seine Bedeutung reflektieren. Die notwendige Quellenkritik bedingt daher vielfach Ungewissheit in der Einschätzung biographischer Elemente bei Konstantin.
Unter Berücksichtigung dieser wichtigen Voraussetzungen handelt Brandt nun das Leben Kaiser Konstantins in fünf Kapiteln ab: die Jahre bis 312 mit der Usurpation in York, seinem Verhältnis zur und seiner Auseinandersetzung mit der Tetrarchie sowie seinen religiösen Vorstellungen (Kap. 2), die für die Gesamteinschätzung des Kaisers so eminent wichtige Konstantinische Wende 312/13 (Kap. 3), sodann etwas grobrastriger unter der Überschrift "Christianisierung und Monarchisierung" die Jahre bis zur Erringung der Alleinherrschaft 324 (Kap. 4), schließlich die Innen- und Außenpolitik des "Christlichen Monarchen und Weltherrschers" in den dreizehn letzten Lebensjahren bis
337 (Kap. 5), gefolgt von Ausführungen zu Taufe, Tod und Rezeption (Kap.
6).
Die Vorgehensweise und Präsentationstechnik Brandts zur Vermittlung seiner Vorstellungen von Konstantin lassen sich an den Ausführungen zur Konstantinischen Wende gut studieren. Bestimmt und knapp, mit deutlicher Konturierung der Quellenlage und der wichtigsten Forschungspositionen führt Brandt durch eine Thematik, die klare Antworten nicht möglich erscheinen lässt, wohl aber eine klare Benennung der Probleme, die diesen im Weg stehen. In einem solchen Sinne ist das Buch hilfreich: Es orientiert rasch über das Wesentliche, nicht eigentlich aber allumfassend über Konstantin und seine Lebenswelt. Ganz deutlich schließt sich Brandt in allen wichtigen Punkten der Position Klaus Martin Girardets [3] vom "qualitativen Sprung" bei Konstantin im Herbst
312 an, lehnt also die von Klaus Rosen [4] bis zu Jochen Bleicken [5] reichenden Vorstellungen von einer vom Heidentum zur Verchristlichung führenden längeren religiösen Entwicklung des Kaisers ab. Brandt hat diese Vorstellungen in nuce vor Jahren in einer Geschichte der Spätantike von Diokletian bis Julian auf noch knapperem Raum bereits dargestellt [6] und jetzt in etwas ausführlicherer Form in die Konstantin-Biographie einfließen lassen.
Konstantins persönliches Bekenntnis sieht Brandt also mit dem Ergebnis der Schlacht an der Milvischen Brücke am 28. Oktober 312 und seiner Handlungsweise in den darauffolgenden Monaten (vor allem den frühen Schreiben Konstantins nach Afrika im Zusammenhang mit dem donatistischen Streit, ferner der Kirchenbaupolitik in Rom) als dezidiert christlich an. Ein Bauwerk wie der Konstantinsbogen zeigt jedoch, dass es nicht möglich ist, "Konstantins persönliches Bekenntnis mit den äußeren Merkmalen seiner Religionspolitik und der kaiserlichen Bildersprache in eine schlüssige, möglichst deckungsgleiche Relation zu bringen" (S. 65).
Sein machtpolitischer Realitätssinn ließ der überkommenen Religion Spielraum und stellte nach wie vor auch die eigene Person in diesen Kontext hinein, um Gemeinsamkeit und Einheitlichkeit zu demonstrieren.
Angesichts der Disparität und Mehrdeutigkeit diverser Quellenaussagen (Befund der Münzprägung, Konstantins Affinität zum Sonnengott, Gründung
Konstantinopels) sieht Brandt allgemeine sicherheits- wie religionspolitische Erwägungen des Kaisers wirken: Als "pragmatisch, zweckrational, undogmatisch und zielorientiert" (S. 101) kennzeichnet er die Innen- und Personalpolitik Konstantins, der zweifelsfrei persönlich Anhänger des Christentums sei, aber "keinen dem Gemeinwohl gewiß abträglichen, radikalen antiheidnischen Kurswechsel ... vollzogen" (S.
125) habe. In unterschiedliche Richtungen deutbare religiöse Signale des Kaisers berechtigten also keineswegs, an seinem persönlichen christlichen Glauben seit 312/13 zu zweifeln, seien vielmehr auf allgemeine staatspolitische Erwägungen, mithin "eine von politischer Rationalität gesteuerte Strategie der konsequenten, aber vorsichtigen Christianisierung" (S. 128) zurückzuführen.
Merkwürdig wirkt an dieser eigentlich gut nachvollziehbaren und in verschiedenen Begründungszusammenhängen abgeleiteten Deutung Brandts allerdings die Überlegung, Konstantin habe möglicherweise den christlichen Absolutheitsanspruch und die damit verbundenen Konsequenzen nicht verstanden [7] oder sie als pontifex maximus nicht anwenden wollen. Lässt sich dieser letzte Aspekt allenfalls noch mit Konstantins politischem Pragmatismus verbinden, gilt dies für den ersten jedoch
keineswegs: Ist denn nicht gerade die Christianisierung des Selbstverständnisses Konstantins als des alleinigen Herrschers, die "Monarchisierung" gegenüber der Tetrarchie, zugleich durch den christlichen Alleinvertretungsanspruch zu erklären? Man braucht nur an Konstantin und seine Rolle auf dem Konzil von Nicaea zu denken, wenn er hier "die Einheit von weltlicher und geistlicher Herrschaft verkörpert"
(S. 118).
Jeder, der sich rasch über Konstantins Kaisertum, die einschlägigen Quellen und ihre Tendenzen informieren will, wird gern zu Brandts Biographie greifen; knappe Anmerkungen, Quellen- und Literaturverzeichnis ermöglichen die gezielte Weiterarbeit. Eine von erzählerischer Ausführlichkeit geprägte neue Biographie des ersten christlichen Kaisers, die die Lebensbeschreibung zugleich auch in die Zeitverhältnisse einbettet, bleibt jedoch ein Desiderat. Davon wird man sich zwar nicht die Lösung der bei Brandt offen bleibenden Fragen versprechen können, doch immerhin weitere Annäherungen an die Frage, warum viele Fragen offen bleiben müssen.
Anmerkungen:
[1] Vgl. z.B. Bleckmann, Bruno, Konstantin der Große, Reinbek bei Hamburg 1996 (2. Aufl. 2003); knapper noch Clauss, Manfred, Konstantin der Große und seine Zeit, München 1996 (2. Aufl. 2005).
[2] Vgl. Meier, Christian, Von der Schwierigkeit, ein Leben zu erzählen.
Zum Projekt einer Caesar-Biographie, in: Kocka, Jürgen; Nipperdey, Thomas (Hgg.), Theorie der Geschichte, Bd. 3: Theorie und Erzählung in der Geschichte, München 1979, S. 229-258.
[3] Vgl. vor allem Girardet, Klaus Martin, Die Konstantinische Wende und ihre Bedeutung für das Reich. Althistorische Überlegungen zu den geistigen Grundlagen der Religionspolitik Konstantins d. Gr., in:
Mühlenberg, Ekkehard (Hg.), Die Konstantinische Wende, Gütersloh 1998, S. 9-122, bes. 26-45.
[4] Vgl. Rosen, Klaus, Cor regum inscrutabile. Eine quellenkritische Untersuchung zur Bekehrung Constantins des Großen, in: Barceló, Pedro; Rosenberger, Veit (Hgg.), Humanitas - Beiträge zur antiken Kulturgeschichte. Festschrift für Gunther Gottlieb zum 65. Geburtstag, München 2001, S. 247-281.
[5] Vgl. Bleicken, Jochen, Constantin der Große und die Christen.
Überlegungen zur Konstantinischen Wende, München 1992.
[6] Vgl. Brandt, Hartwin, Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Diokletian und Konstantin bis zum Ende der konstantinischen Dynastie (284-363), Berlin 1998, S. 27-37 (Darstellung); 103-146 (Quellenauszüge mit Interpretationen).
[7] Vgl. S. 90 im Anschluss an eine Aussage bei Girardet (Anm. 3, S.
78), der hier allerdings die klare Konsequenz zieht: "Konstantin teilt, als Christ, diesen absoluten Wahrheitsanspruch."
Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Udo Hartmann
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Diese moderne Biographie Konstantin des Großen befreit den ersten christlichen Kaiser aus dem Rankenwerk einer stets von fremden Interessen geleiteten Überlieferung. Sie zeigt ihn als Herrscher, der zwar von einer Vision inspiriert war, aber immer ein kühler Taktiker blieb - nicht zuletzt in Fragen der Religionspolitik. Wer sich ihm bei der Verwirklichung seines Ziels, die Alleinherrschaft zu erringen, in den Weg stellte oder wer ihn gar in seiner Macht bedrohte, lernte seine unerbittliche Härte kennen - und dies galt auch für seinen engsten Familienkreis.
Vor 1700 Jahren - am 25. Juli 306 n. Chr. - wird Konstantin, der Sohn des gerade verstorbenen römischen Kaisers Constantius Chlorus und einer Stallmagd, von den Truppen im englischen York zum neuen Kaiser ausgerufen. Bei diesem Vorgang handelt es sich um einen veritablen Staatsstreich: Die fein austarierte politische Ordnung des römischen Imperiums bricht zusammen, und die folgenden Jahre sind durch blutige Kämpfe zwischen verschiedenen Thronprätendenten gekennzeichnet. Hätte Konstantin ebenso wie all die anderen im Verlauf dieser Kriege sein Leben gelassen, so wäre er eine der vielen Randfiguren der römischen Kaisergeschichte geblieben. Aber er siegte und führte seinen Erfolg auf einen neuen Gott zurück, den er mit dem Gott der Christen identifizierte. Hartwin Brandt erzählt in seiner differenzierten Biographie die Geschichte einer erstaunlichen Karriere. Er zeigt anhand zahlreicher antiker Zitate, die dieses Buch besonders lebendig machen, daß der neue Kaiser seines göttlichen Auftrags um so sicherer wird, je größer seine Erfolge werden und je länger seine Regierung währt. Diese religiöse Orientierung Konstantins wirkt zunächst einmal prägend auf das Römische Reich - doch nimmt mit der Durchsetzung der christlichen Religion unter seiner Herrschaft eine welthistorisch wirkungsmächtige Entwicklung ihren Anfang.
Rezension:
Brandt, Hartwin: Konstantin der Große. Der erste christliche Kaiser.
Eine Biographie. München: C.H. Beck Verlag 2006. ISBN 3-406-54058-9; 208 S.; EUR 19,90.
Rezensiert für H-Soz-u-Kult von:
Ulrich Lambrecht, Institut für Geschichte, Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz
E-Mail:
Vor 1700 Jahren, am 25. Juli 306, ist Konstantin in York nach dem Tode seines Vaters Constantius Chlorus von den Truppen zum Augustus ausgerufen worden. Dieses Ereignis hat Hartwin Brandt zum Anlass genommen, in einer kurzgefassten Biographie Leben und Leistung des ersten christlichen Kaisers darzustellen, und zwar mit dem Anspruch, die durch die Wirkungsgeschichte Konstantins bedingte legendenhafte Überformung vor allem infolge der Bemühungen christlicher Schriftsteller, aber auch der Lenkung des Kaisers selbst keinen Einfluss auf die Ausführungen nehmen zu lassen. An knappen Biographien dieser Art zu Konstantin mangelt es in jüngerer Zeit eigentlich nicht,[1] und so stellt sich die Frage, was an der neuen Darstellung das Besondere ist.
Gedanken zur Problematik, das Leben Konstantins nachzuzeichnen, bilden den Auftakt: Die Überlieferung zum ersten christlichen Kaiser ist schon in der Spätantike hagiographisch überformt worden, so dass die Beurteilung der "Konstantinischen Wende" bis heute ein vieldiskutiertes, strittiges Forschungsthema ist. Allgemeine Gedanken zu den mit einer biographischen Darstellung verbundenen Schwierigkeiten entlehnt Brandt grundsätzlichen Erwägungen Christian Meiers im Zusammenhang mit der Caesar-Biographie;[2] analog zu dessen Deutungsansatz für Caesars Leben mit Hilfe der "Krise ohne Alternative" formuliert Brandt als theoretisches Fundament für die Konstantin-Vita "die Omnipräsenz des Religiösen, die das Leben und Wirken Konstantins erst recht verstehbar werden läßt" (S. 17), und ordnet es in den Zeitgeist des 3. und 4.
Jahrhunderts n.Chr. ein. Damit verfolgt Brandt das Ziel, die "Konstantinische Wende" solle nicht so sehr "als plötzliches, nahezu unbegreifliches Bekehrungswunder, sondern vielmehr als erklärbarer und aus den zeitbedingten religiösen Haltungen verstehbarer Vorgang erscheinen" (S. 22). Erschwert wird dieses Bemühen durch offizielle und offiziöse Quellen, die auf Wirkung im Sinne der Absichten Konstantins bedacht sind, oder solche, die erst nach Konstantins Tod positiv oder negativ seine Bedeutung reflektieren. Die notwendige Quellenkritik bedingt daher vielfach Ungewissheit in der Einschätzung biographischer Elemente bei Konstantin.
Unter Berücksichtigung dieser wichtigen Voraussetzungen handelt Brandt nun das Leben Kaiser Konstantins in fünf Kapiteln ab: die Jahre bis 312 mit der Usurpation in York, seinem Verhältnis zur und seiner Auseinandersetzung mit der Tetrarchie sowie seinen religiösen Vorstellungen (Kap. 2), die für die Gesamteinschätzung des Kaisers so eminent wichtige Konstantinische Wende 312/13 (Kap. 3), sodann etwas grobrastriger unter der Überschrift "Christianisierung und Monarchisierung" die Jahre bis zur Erringung der Alleinherrschaft 324 (Kap. 4), schließlich die Innen- und Außenpolitik des "Christlichen Monarchen und Weltherrschers" in den dreizehn letzten Lebensjahren bis
337 (Kap. 5), gefolgt von Ausführungen zu Taufe, Tod und Rezeption (Kap.
6).
Die Vorgehensweise und Präsentationstechnik Brandts zur Vermittlung seiner Vorstellungen von Konstantin lassen sich an den Ausführungen zur Konstantinischen Wende gut studieren. Bestimmt und knapp, mit deutlicher Konturierung der Quellenlage und der wichtigsten Forschungspositionen führt Brandt durch eine Thematik, die klare Antworten nicht möglich erscheinen lässt, wohl aber eine klare Benennung der Probleme, die diesen im Weg stehen. In einem solchen Sinne ist das Buch hilfreich: Es orientiert rasch über das Wesentliche, nicht eigentlich aber allumfassend über Konstantin und seine Lebenswelt. Ganz deutlich schließt sich Brandt in allen wichtigen Punkten der Position Klaus Martin Girardets [3] vom "qualitativen Sprung" bei Konstantin im Herbst
312 an, lehnt also die von Klaus Rosen [4] bis zu Jochen Bleicken [5] reichenden Vorstellungen von einer vom Heidentum zur Verchristlichung führenden längeren religiösen Entwicklung des Kaisers ab. Brandt hat diese Vorstellungen in nuce vor Jahren in einer Geschichte der Spätantike von Diokletian bis Julian auf noch knapperem Raum bereits dargestellt [6] und jetzt in etwas ausführlicherer Form in die Konstantin-Biographie einfließen lassen.
Konstantins persönliches Bekenntnis sieht Brandt also mit dem Ergebnis der Schlacht an der Milvischen Brücke am 28. Oktober 312 und seiner Handlungsweise in den darauffolgenden Monaten (vor allem den frühen Schreiben Konstantins nach Afrika im Zusammenhang mit dem donatistischen Streit, ferner der Kirchenbaupolitik in Rom) als dezidiert christlich an. Ein Bauwerk wie der Konstantinsbogen zeigt jedoch, dass es nicht möglich ist, "Konstantins persönliches Bekenntnis mit den äußeren Merkmalen seiner Religionspolitik und der kaiserlichen Bildersprache in eine schlüssige, möglichst deckungsgleiche Relation zu bringen" (S. 65).
Sein machtpolitischer Realitätssinn ließ der überkommenen Religion Spielraum und stellte nach wie vor auch die eigene Person in diesen Kontext hinein, um Gemeinsamkeit und Einheitlichkeit zu demonstrieren.
Angesichts der Disparität und Mehrdeutigkeit diverser Quellenaussagen (Befund der Münzprägung, Konstantins Affinität zum Sonnengott, Gründung
Konstantinopels) sieht Brandt allgemeine sicherheits- wie religionspolitische Erwägungen des Kaisers wirken: Als "pragmatisch, zweckrational, undogmatisch und zielorientiert" (S. 101) kennzeichnet er die Innen- und Personalpolitik Konstantins, der zweifelsfrei persönlich Anhänger des Christentums sei, aber "keinen dem Gemeinwohl gewiß abträglichen, radikalen antiheidnischen Kurswechsel ... vollzogen" (S.
125) habe. In unterschiedliche Richtungen deutbare religiöse Signale des Kaisers berechtigten also keineswegs, an seinem persönlichen christlichen Glauben seit 312/13 zu zweifeln, seien vielmehr auf allgemeine staatspolitische Erwägungen, mithin "eine von politischer Rationalität gesteuerte Strategie der konsequenten, aber vorsichtigen Christianisierung" (S. 128) zurückzuführen.
Merkwürdig wirkt an dieser eigentlich gut nachvollziehbaren und in verschiedenen Begründungszusammenhängen abgeleiteten Deutung Brandts allerdings die Überlegung, Konstantin habe möglicherweise den christlichen Absolutheitsanspruch und die damit verbundenen Konsequenzen nicht verstanden [7] oder sie als pontifex maximus nicht anwenden wollen. Lässt sich dieser letzte Aspekt allenfalls noch mit Konstantins politischem Pragmatismus verbinden, gilt dies für den ersten jedoch
keineswegs: Ist denn nicht gerade die Christianisierung des Selbstverständnisses Konstantins als des alleinigen Herrschers, die "Monarchisierung" gegenüber der Tetrarchie, zugleich durch den christlichen Alleinvertretungsanspruch zu erklären? Man braucht nur an Konstantin und seine Rolle auf dem Konzil von Nicaea zu denken, wenn er hier "die Einheit von weltlicher und geistlicher Herrschaft verkörpert"
(S. 118).
Jeder, der sich rasch über Konstantins Kaisertum, die einschlägigen Quellen und ihre Tendenzen informieren will, wird gern zu Brandts Biographie greifen; knappe Anmerkungen, Quellen- und Literaturverzeichnis ermöglichen die gezielte Weiterarbeit. Eine von erzählerischer Ausführlichkeit geprägte neue Biographie des ersten christlichen Kaisers, die die Lebensbeschreibung zugleich auch in die Zeitverhältnisse einbettet, bleibt jedoch ein Desiderat. Davon wird man sich zwar nicht die Lösung der bei Brandt offen bleibenden Fragen versprechen können, doch immerhin weitere Annäherungen an die Frage, warum viele Fragen offen bleiben müssen.
Anmerkungen:
[1] Vgl. z.B. Bleckmann, Bruno, Konstantin der Große, Reinbek bei Hamburg 1996 (2. Aufl. 2003); knapper noch Clauss, Manfred, Konstantin der Große und seine Zeit, München 1996 (2. Aufl. 2005).
[2] Vgl. Meier, Christian, Von der Schwierigkeit, ein Leben zu erzählen.
Zum Projekt einer Caesar-Biographie, in: Kocka, Jürgen; Nipperdey, Thomas (Hgg.), Theorie der Geschichte, Bd. 3: Theorie und Erzählung in der Geschichte, München 1979, S. 229-258.
[3] Vgl. vor allem Girardet, Klaus Martin, Die Konstantinische Wende und ihre Bedeutung für das Reich. Althistorische Überlegungen zu den geistigen Grundlagen der Religionspolitik Konstantins d. Gr., in:
Mühlenberg, Ekkehard (Hg.), Die Konstantinische Wende, Gütersloh 1998, S. 9-122, bes. 26-45.
[4] Vgl. Rosen, Klaus, Cor regum inscrutabile. Eine quellenkritische Untersuchung zur Bekehrung Constantins des Großen, in: Barceló, Pedro; Rosenberger, Veit (Hgg.), Humanitas - Beiträge zur antiken Kulturgeschichte. Festschrift für Gunther Gottlieb zum 65. Geburtstag, München 2001, S. 247-281.
[5] Vgl. Bleicken, Jochen, Constantin der Große und die Christen.
Überlegungen zur Konstantinischen Wende, München 1992.
[6] Vgl. Brandt, Hartwin, Geschichte der römischen Kaiserzeit. Von Diokletian und Konstantin bis zum Ende der konstantinischen Dynastie (284-363), Berlin 1998, S. 27-37 (Darstellung); 103-146 (Quellenauszüge mit Interpretationen).
[7] Vgl. S. 90 im Anschluss an eine Aussage bei Girardet (Anm. 3, S.
78), der hier allerdings die klare Konsequenz zieht: "Konstantin teilt, als Christ, diesen absoluten Wahrheitsanspruch."
Diese Rezension wurde redaktionell betreut von:
Udo Hartmann
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